Politik

Das Ende des freien Internet: Die Zensur kehrt nach Europa zurück

Großbritannien wird ab 2014 mit seinem Filter nicht bloß pornografische Inhalte verbieten: Auch Foren, Raucher-Seiten oder esoterische Hinhalte werden geblockt. Der französische Mobilfunkbetreiber Orange zensiert schon lange Inhalte, „die Kinder negativ beeinflussen“. Datenschützer sagen: Die Europäer torkeln wie Schlafwandler in die totale Zensur. Es ist nur eine Frage der Zeit, dann wird die Falle auch in Deutschland zuschnappen.
08.08.2013 03:27
Lesezeit: 5 min

Ab 2014 wird das Internet in Großbritannien einer Revolution unterzogen.

Es ist eine Revolution von oben.

Über eine Voreinstellung werden zahlreiche Seiten aus dem normalen Verkehr herausgefiltert.

Was im Volksmund unter „Pornwall“ läuft, betrifft mitnichten nur pornografische Inhalte.

Über ein im Geheimen abgewickeltes Verfahren werden willkürlich Seiten ausgefiltert, die nicht in ein bestimmtes Raster passen.

Das Internet in Europa bekommt seinen offiziellen Filter.

London wird Peking.

Unter dem Vorwand, die Nutzer gegen Pornografie schützen zu wollen, wird zensiert.

London macht den Anfang.

Man braucht kein Prophet zu sein, um vorherzusagen: Es wird nicht bei London bleiben.

Berlin, München und Stuttgart werden folgen.

Theoretisch kann man ja bestimmten Gedanken sogar etwas abgewinnen: Etwa, dass weniger Bomben gebaut werden, wenn man im Internet keine Websites findet, die einem erklären, wie man eine Bombe baut.

Schon heute zensieren Provider solche Websites Bauanleitungen zu Bomben-Bauen. Der französische Mobilfunkbetreiber Orange macht dies, andere vermutlich auch.

Doch abgesehen davon, dass jeder, der eine Bombe bauen will, sich nur ein Chemie-Buch zu kaufen braucht: Es geht um viel mehr.

Von der Bombe bis zum Ende der Meinungsfreiheit ist es nur noch ein kleiner Schritt.

Denn der aktuelle Filter, wie ihn die britische Regierung einsetzen wird, hat es in sich.

Der Nutzer wird aktiv anklicken müssen, dass er folgende Inhalte nicht blockiert haben will:

- Pornografie

- Gewalt-Inhalte

- Extremistische und terroristische Inhalte

- Seiten über Magersucht oder Essstörungen

- Selbstmord-Websites

- Alkohol

- Rauchen

- Foren

- Esoterisches Material

- Webseiten, die Filter aushebeln

Das könnte, zu Ende gedacht, bedeuten, dass folgende Inhalte ausgeschlossen werden:

- Playboy

- Die Weltkriegs¬-Sendungen von Guido Knopp

- Seite des Zentralrats der Muslime

- Germany’s Next Topmodel

- Die Website des Friedrich-Nietzsche-Instituts

- Website des Oktoberfests

- Online-Shops der Zigarren-Händler

- Goldseiten

- Buddhistische Websites

- Heise.de

Das ist keine Zukunftsmusik.

Hier ist ein Plan, der den größten Feind der alten Eliten in die Knie zwingen soll: Das Internet. Das Internet ist groß, vielfältig, unberechenbar. Es kann von den Geheimdiensten nicht wirklich erfasst werden. Das Internet ist zu heterogen, als dass es von gierigen Anwaltskanzleien und ahnungslosen Gerichten über  die juristische Keule wirkungsvoll klein gehalten werden könnte. Das Internet ist zu schnell: Wenn sich ein Artikel einmal über die sozialen Netzwerke verbreitet, kann er nicht mehr zurückgeholt werden.

Die Freiheit macht das Internet unkontrollierbar.

Unberechenbar.

Unbeherrschbar.

Daher will man die Axt an die Wurzel legen. Mit Filtern sollen jene isoliert werden, die dem System gefährlich werden können. Man will verhindern, dass unliebsame Botschaften in Umlauf kommen. Man will verhindern, dass Leute Widerspruch erheben. Mit Filtern will man sicherstellen, dass nur die Meinungen ausgesprochen werden können, die den alten Eliten in den Kram passen.

Die britische Porno-Filter sind nur ein Anfang.

Die Open Rights Group läuft in Großbritannien bereits Sturm gegen die Filter. Die Netzaktivisten schreiben: „Es ist klar, dass David Cameron die Leute als Schlafwandler in die Zensur führt.“

Denn der Widerhaken, an dem die abweichenden Meinungen hängen bleiben werden, er heißt „Default“ – also Voreinstellung.

Es wäre für die britische Regierung ein Leichtes gewesen, die Filter so einzusetzen, dass die Nutzer aktiv auswählen müssen, welche Seiten sie geblockt haben wollen.

Jetzt müssen die Nutzer aktiv anklicken, welche Seiten sie nicht geblockt haben wollen.

Eine solche Voreinstellung führt erfahrungsgemäß dazu, dass die Leute die Einstellung aus Bequemlichkeit oder Unwissen so belassen, wie sie ist.

Webseiten, die auf welche Weise auch immer von der Regierung in enger Abstimmung mit den Telekommunikations-Unternehmen blockiert wurden, haben überhaupt keine Chance: Sie erscheinen gar nicht mehr für den User.

Kritische Webseiten können sich nicht wehren.

Kritische Webseiten können sich nicht schützen.

Sie können nämlich keinen Massenprotest gegen ihre Sperrung organisieren – denn sie erreichen niemandem mehr.

Die unliebsamen Seiten verschwinden hinter dem Filter.

Es gibt sie nicht.

Das Auswahlprinzip, welche Seiten blockiert werden, ist vollständig intransparent. Es wird keine Auskunft erteilt, warum eine Seite auf den Index gekommen ist . Es gibt keinen Rechtsweg.

Die Filter sind reine Willkür.

Deshalb sind die britischen Politiker so begeistert.

Auch in Deutschland haben schon einige Blut geleckt. Der CSU-Politiker und Internet-Pionier Norbert Geis (74) fordert dieselben Filter auch in Deutschland. Er spricht sich für die Zensur in der Bild-Zeitung aus- Diese Zeitung wittert offenbar eine Chance, ihre nackten Mädels wieder im Monopol-Betrieb vertrieben zu können. Bild assistiert hintersinnig: „Experten warnen seit Langem vor den fatalen Folgen des wachsenden Pornokonsums bei Kindern und Jugendlichen.“

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat die Idee zwar als Sommer-Schnurre abgetan.

Das hat aber gar nichts zu besagen.

Denn tatsächlich gibt es schon längst Filter, die Anbieter bewusst ausgrenzen und benachteiligen. Die Open Rights Group beschreibt in einem Wiki, wie der französische Mobilfunkanbieter Orange heute schon bei den Handys beispielsweise Dating-Plattformen und Foren ausschließt (mehr Details bei ORG).

Längst schon arbeiten die großen Internet-Unternehmen Hand in Hand mit den Regierungen. Sie leiten ihnen ohne jede Hemmung die Daten der Nutzer weiter. David Cameron hat in seiner Rede über die Einführung der Internet-Filter in bemerkenswerter Weise Pornografie und Pädophilie vermengt und gesagt, dass Google, Microsoft und Yahoo „bereits aktiv an der Kampagne der Regierung gegen Kindesmissbrauch mitarbeiten“. Wie das geschieht, sagte Cameron ausdrücklich nicht – um „nicht die Effektivität des Programms zu gefährden“.

Die Zusammenarbeit der Regierung mit den Internet-Firmen soll also geheim bleiben. Dasselbe gilt für den Kampf gegen den Terror: Der muss natürlich auch geheim bleiben, weil ja die Terroristen sonst Wind von den edlen Abwehrabsichten der Regierungen bekommen könnten.

Die Kombination des Kampfes gegen die Kinderpornographie mit dem Kampf gegen den Terror führt jedoch zwangsläufig zum Ende der gesellschaftlichen Freiheit.

Das Internet, so sagte Cameron, sei ein Spiegel der Gesellschaft und müsse sich daher an die Gesetze halten, die in der Realität gelten.

Diese Gesetze sind dazu da, die Bürger zu kontrollieren, zu überwachen, zu manipulieren und zu gängeln.

Kontrolle – siehe NSA.

Überwachung – siehe BND und deutsche Feigheit vor dem Freund.

Manipulation – Libor, Derivate, Aluminium, Bonds, Gold.

Gängelung – die Aushöhlung des Parlamentarismus durch die Lobbyisten.

Die technische Plattform „Homesafe“ wird origineller Weise vom chinesischen Unternehmen Huawei entwickelt wurde.

Von Filtern verstehen sie etwas, die Chinesen.

Das Unternehmen hat sich mit Milliarden-Investments in Großbritannien eingekauft und dem wirtschaftspolitischen Versager Cameron wertvolle Arbeitsplätze verschafft. Eine Kommission hat festgestellt, dass es „besorgniserregende Verbindungen zwischen Huawei und dem chinesischen Staat“ gibt, wie die BBC berichtet. Die Amerikaner halten die Nähe von Huawei zum autoritären Regime in Peking für so gefährlich, dass das Unternehmen den Rückzug aus den USA angekündigt hat. In Deutschland bezeichnet sich Huawei dagegen als „Partner der Politik“ – und ist prompt als einer der Anbieter für das neue Modem der Deutschen Telekom im Gespräch (mehr zu diesen undurchsichtigen Entwicklungen - hier).

Bei so viel Partnerschaft liegt der Verdacht nahe, dass die Drossel nicht nur eine technische, sondern auch eine inhaltliche Stoßrichtung hat (mehr dazu hier).

Filter und Drossel sind Zwillinge. Sie werden eingesetzt, um einigen wenigen Mächtigen mehr Einfluss über die kleinen, vielen Aufsässigen zu verschaffen.

Die Zensur ist nichts anderes als ein essentielles Werkzeug für das Überleben der politisch-industriellen Oligarchie, welche sich im Zuge der Globalisierung überall im Westen breit gemacht hat, die die Völker und Nationen ausbeutet und ihren so gemachten Profit auf eine kleine, unsichtbare Feudal-Klasse verteilt.

Genau darüber soll man nicht schreiben dürfen.

Genau deshalb wird die Zensur im Internet flächendeckend eingesetzt werden.

Natürlich auch in Deutschland.

In der Kombination von Terror- und Porno-Abwehr sehen wir einen unwiderstehlichen ideologischen Überbau.

Filter und Drossel bilden die Doppelzange, in die die Meinungsfreiheit gerät und in der sie am Ende zermalmt wird.

Der Wille der Bürger wird gedrosselt.

Die freien Gedanken gefiltert.

Per Voreinstellung.

Default.

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