Politik

Aus Angst vor den Terroristen: EU will Hisbollah nicht Terror-Gruppe nennen

Die EU weigert sich, die Hisbollah zu einer offiziellen Terrorgruppe zu erklären. Die Regierung-Chefs der Länder „fürchten“ sich vor neuen Anschlägen in Europa. Man will die Islamisten nicht reizen, und versucht es deshalb mit Appeasement. Das hat in der Geschichte bekanntermaßen noch nie funktioniert.
18.02.2013 17:33
Lesezeit: 2 min

Europa scheut die Konfrontation mit der Hisbollah: Die EU weigert sich, die islamistische Gruppierung aus dem Libanon auf die Liste der Terror-Organisationen zu setzen. Bulgarien hatte diese nach dem ersten Terror-Angriff des Hisbollah auf israelische Touristen in einem Bus in Burgas am Schwarzen Meer gefordert. Doch die EU ist der Auffassung, dass ein solcher Angriff nicht reicht, um die Hisbollah auf die Liste zu setzen. Daher kann die Gruppe, die vom Süden Libanons aus seit Jahren Israel mit Nadelstichen terrorisiert, weiter in Europa Gelder eintreiben und Kämpfen für den Dschihad rekrutieren.

Den Grund für die vornehme Zurückhaltung der EU sieht Politik-Analystin Sylke Tempel darin, dass die Führer von Brüssel schlicht Angst vor der Hisbollah haben. Der DLF zitiert Tempel mit den Worten: „Es herrscht die allgemeine Furcht, dass, wenn wir über das Attentat von Burgas zu viel Geschrei machen, Hisbollah erneut zuschlagen könnte, und dass es dann keine israelischen Touristen trifft.“

Die Fakten sprechen dagegen eine klare Sprache: Die Hisbollah ist die am besten ausgerüstete Terror-Einheit der Welt. Am intensivsten sind ihre Kämpfer zurzeit in Syrien: Dort versuchen sie, mit finanzieller und militärischer Unterstützung aus Teheran, den Widerstand gegen das Assad-Regime zu brechen.

Die EU-Staaten haben zwar Truppen im Südlibanon stationiert, welche Israel dabei helfen sollen, die Hisbollah zu entwaffnen. US-Geheimdienst-Informationen zufolge liege dieses Vorhaben jedoch brach, die Hisbollah verfüge noch über mindestens 70.000 Raketen. Anhand dieser Schlagkraft sei die EU besorgt über neue Anschläge auf europäische Metropolen. Allein in Deutschland sollen sich über 1.000 Mitglieder der Hisbollah aufhalten.

In Bulgarien ist die Hisbollah erstmal im größeren Stil außerhalb des Nahen Ostens in Erscheinung getreten: Die Regierung in Sofia macht in einem offiziellen Bericht die Hisbollah für einen Terroranschlag auf einen Reisebus in Burgas verantwortlich, bei dem im vergangenen Juni ein Bulgare und fünf Israelis getötet wurden. Nachdem sich Europa jahrelang den Kopf vor der Hisbollah in den Sand gesteckt hat, bekommt die Debatte um die Organisation als terroristischer Vereinigung neue Dynamik.

Auch der künftige CIA-Chef John Brennan kritisiert das Versagen der EU, die Hisbollah auf die Liste der terroristischen Vereinigungen zu setzen. Die Hisbollah setzte den US-Truppen im Irak 2007 durch die Ermordung von fünf US-Soldaten deutlich zu. Schon in Beirut 1983, ein Jahr nach ihrer Gründung, wurden Selbstmordanschläge auf amerikanische und französische Barracken verübt.

Der US-Geheimdienst hat die Hisbollah bereits seit 1990 auf die Liste der Terror-Gruppen gesetzt. Washington hält die Gruppierung für viel gefährlicher als Al Kaida. Die Zurückhaltung der EU ist darin begründet, dass sie den politischen Flügel der Hisbollah im Libanon erhalten will, um die Regierung im Libanon nicht auseinander brechen zu lassen. Vor allem Deutschland, Frankreich und Schweden seien an der Stabilität der Region interessiert, heißt es einem Bericht des Magazins National Interest zufolge.

Bulgarien will der EU nicht ersparen, sich mit dem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen. Noch überwiegen jedoch in Brüssel jene Stimmen, die sagen, dass es besser wäre, wenn man sich gegenüber den Terroristen der Hisbollah eher freundlich verhalte. Matthias Küntzel meint dazu im DLF: „Sollen wir aber eine Terrorgruppe als solche nicht benennen, weil wir ihren Terror fürchten? Verschließen wir die Augen, solange ihr Terror in Europa "nur" auf Juden zielt? Das hieße, ein Krokodil in der Hoffnung zu füttern, dass es uns als letzte frisst.“

Der Glaube, dass man Europa dadurch weiteren Terror ersparen könne, ist indes naiv: Schon im Kampf gegen die RAF zeigte sich, dass es keine Weg geben kann, um mit Terroristen zu verhandeln. Reicht man ihnen die Hand, besteht die nicht unerhebliche Gefahr, dass sie im Gegenzug einem anderen die Kehle durchschneiden.

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