Finanzen

Vor einem Banken-Crash: Die Reichen werden rechtzeitig gewarnt

Die Zwangs-Abgabe für Banken dürfte vor allem die ahnungslosen Anleger treffen. Die neuen Regeln zeigen, dass es etliche schwammige Regelungen gibt, mit denen eine Regierung ihre wichtigsten Reichen rechtzeitig warnen kann. Bericht von einem Schurkenstück.
28.06.2013 02:11
Lesezeit: 2 min

Die Verständigung über ein Paket zur Rekapitalisierung der Banken mittels einer achtprozentigen Zwangsabgabe für die Gläubiger der Banken ist ein grobmaschiges Netz. Denn für den „Bail-in“ sind zahlreiche Ausnahmen vorgesehen.

Donnerstagnacht einigten sich die europäischen Finanzminister auf ein umfangreiches Paket zur Rekapitalisierung der maroden europäischen Banken. Demnach sollen sich Aktionäre und Gläubiger der Banken, also auch die Sparer und Unternehmen bei Guthaben über 100.000 Euro auf ihren Konten, mit einer Zwangsabgabe von acht Prozent beteiligen (hier).

Der französische Finanzminister Pierre Moscovici zeigte sich hoch erfreut: „Frankreich hat bekommen, was wir wollten", zitiert ihn Bloomberg. Er bezog sich damit auf die Rolle des ESM.  Denn für Frankreich ist es überaus bedeutsam, dass der ESM als Finanzierungsquelle für die Rekapitalisierung der (seiner!) Banken in der Vereinbarung konkret benannt ist.

Außerdem konnte sich Frankreich mit seiner Haltung durchsetzen, dass den EU-Staaten entsprechende Spielräume bewilligt werden, ab welchem Bilanzdefizit einer Bank der ESM angezapft werden kann.

Möglicherweise gibt dies einigen Mitgliedsländern die Handhabe, innerhalb kurzer Fristen die Banken mit öffentlichen Geldern, unter anderem dem ESM, unterstützen zu können. Genaue Details zu den genannten „Spielräumen“ wurden nicht genannt.

Dagegen sind dauerhafte Ausnahmen für den „bail in“ bei einem Guthaben über 100.000 Euro im Abkommen fixiert. Unter anderem heißt es im unverbesserlichen Bürokratenstil:

 „Nationale Ausführungsorgane werden befugt, bei Vermögen ausschließlich oder teilweise ausschließlich einen Ermessensspielraum zuzubilligen auf Basis folgender Voraussetzungen“:

 -        Wenn eine Bank in einer angemessenen Frist nicht gerettet werden kann,

-        um die Kontinuität der kritischen Funktionen zu gewährleisten,

-        um Ansteckung zu vermeiden und

-        eine Zerstörung von Werten zu vermeiden, die zu Verlusten anderer Gläubiger                                                   beitragen würden."

Abgesehen davon, dass es sich dabei um klassische Gummi-Paragraphen oder auch sogenannte „unbestimmte Rechtsbegriffe“ handelt, so lässt sich feststellen, dass hier Unterschiede manifestiert werden, die es einem jeglichen EU-Staat erlauben, im eigenen Sinne nachträglich Kriterien für seine Banken festzulegen, welche Vermögen ab 100.000 Euro für einen „Bail-in“ herangezogen werden und welche nicht.

Es werden also ausdrücklich Unterscheidungen vorgenommen. Nicht für alle Einlagen (Guthaben) in den Banken über 100.000 Euro gibt es den Abschlag von acht Prozent.

Im Umkehrschluss könnte es bedeuten, dass ein Staat feststellt, seine Bank könne „nicht in angemessener Frist gerettet werden“ oder stelle „eine Ansteckungsgefahr“ für andere Banken dar. Dementsprechend würden die Einlagen der Vermögenden über 100.000 Euro nicht oder nur teilweise angetastet. Dasselbe trifft für die mögliche „Zerstörung von Werten“ zu „die zu Verlusten anderer Gläubiger beitragen würden“.

Daraus folgt: Ein EU-Staat kann also feststellen, dass seine jeweilige marode Bank eine andere marode Bank im Mitgliedsstaat X belastet. Folglich werden Gläubiger und Aktien- oder Anleihebesitzer der entsprechenden Bank geschützt oder es werden nur Teile des Vermögens dem achtprozentigen Abschlag unterzogen.

Hier wird offenbar der ESM als „Rettungsanker“ betrachtet, der im Fall des Falles einspringt. Also wiederum, entgegen der Verlautbarungen, der Steuerzahler.

Festzuhalten bleibt: Die Wunschgrenze der Unantastbarkeit von Spareilagen unterhalb 100.000 Euro ist ein reiner Kunstgriff oder, wie so oft in der „Rettungsgeschichte“, reine Rhetorik. Voraussichtlich wird für die Sanierung maroder Banken so viel Kapital erforderlich sein, dass der Achtprozent-Beitrag auf dem Papier womöglich schneller Makulatur wird, als die Tinte trocken ist. Am Ende wird gegebenenfalls der Zugriff auf alle Sparer stattfinden.

Denn seit heute ist nicht mehr zu übersehen, dass feststeht: Auch marode Banken außerhalb der Eurozone, also Banken in allen 27 EU-Mitgliedsstaaten, (ab 1. Juli sind es einschließlich Kroatien 28 Mitgliedsstaaten) können Finanzspritzen aus dem ESM erhalten.

Und wer weiß, bis die von den europäischen Finanzministern beschlossenen Regeln im Jahr 2018 in Kraft treten, sind es womöglich weitaus mehr EU-Mitgliedsstaaten.

In der kommenden Woche möchte die EU-Kommission einen Gesetzesentwurf vorstellen, der einen europaweiten Bankenabwicklungsfonds zum Gegenstand hat. Dieser Fonds ist heftig umstritten, denn dadurch soll möglich werden, dass beispielsweise eine Volksbank in Lüdenscheid ihren Beitrag zur möglichen Rettung eines großen Bankinstituts in Madrid oder Budapest leisten soll.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Ministerposten: Spahn statt Linnemann? CDU-Politiker Linnemann wird nicht Wirtschaftsminister
15.04.2025

Nachdem Union und SPD ihren Koalitionsvertrag vereinbart haben, geht das Geschachere um die Ministerposten los: CDU-Politiker Carsten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Steuerfreie Überstunden ab 2025? – Das plant die neue Koalition
15.04.2025

Überstunden steuerfrei ab 2025? Wenn diese Pläne Wirklichkeit werden, könnten Arbeitnehmer von einer höheren Auszahlung ihrer...

DWN
Politik
Politik Beamtenstaat: fragwürdige Last-Minute-Beförderungen - vor allem in SPD geführten Ministerien
15.04.2025

Beförderungswelle nach Ampel-Bruch: Die Parteien der Ampel-Regierung konnten in einem Punkt produktiv und schnell sein – teure...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Maul- und Klauenseuche: Entwarnung - Deutschland offiziell MKS-frei
15.04.2025

Rund drei Monate nach dem Ausbruch in Brandenburg gilt Deutschland offiziell als frei von der Maul- und Klauenseuche (MKS). Die...

DWN
Immobilien
Immobilien Unser neues Magazin ist da: Wohnen, Investieren, Absichern - den Immobilienmarkt verstehen und davon profitieren
15.04.2025

Immobilien sind weit mehr als bloße Gebäude aus Beton, Stahl und Glas. Sie sind Zuhause, Investition und Lebensraum zugleich. Doch in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaftswachstum in Deutschland 2025: Norden legt zu, Süden bleibt zurück
15.04.2025

Regionale Konjunkturdaten zeigen ein Gefälle in der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands. Während im Süden und Osten vielerorts...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rüstungsriese Rheinmetall greift zu – und die Aktie explodiert
15.04.2025

Der größte deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall erweitert sein Geschäftsfeld mit dem Kauf des Kampfmittelbergers Stascheit. Der...

DWN
Finanzen
Finanzen Wall Street im Aufwind: Trumps Zoll-Kurs sorgt für Erleichterung – vorerst
15.04.2025

Trump gibt vorübergehend nach – Märkte atmen auf. Doch die Reaktion auf seine Zollpolitik zeigt: Der Handlungsspielraum der...