Das Haushaltsdefizit – die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben – der Staaten in der Eurozone soll laut Maastricht-Vertrag nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Längst ist bekannt jedoch, dass nach wie vor Länder wie Frankreich, Spanien, Portugal und Irland die Defizit-Zielvorgaben nicht einhalten.
Spanien erreichte im Jahr 2012 ein Defizit von 10,2 Prozent. In diesem Jahr wird mit einem Defizit von 6,7 Prozent und mit 7,2 Prozent für 2014 gerechnet. Frankreich wird weder in diesem noch im kommenden Jahr die Obergrenze des Haushaltsdefizits einhalten, sondern ein Defizit von 4,1 Prozent in diesem Jahr erreichen.
Ähnlich sieht es in Portugal, Griechenland und Irland aus: Portugals Defizit lag 2012 bei 6,4 Prozent und wird in 2013 voraussichtlich 5,5 Prozent betragen. Griechenlands Defizit lag in 2012 bei 10 Prozent. Das Land hat noch bis 2016 Zeit, die Neuverschuldungsgrenze von 3,0 Prozent einzuhalten. In Irland betrug das Defizit in 2010 immerhin 31 Prozent, was der Bankenkrise geschuldet war. Inzwischen liegt das Haushaltsdefizit des Landes bei 8,3 Prozent.
Interessant bei Irland ist der Fakt, dass das Land im Sommer 2011 EFSF-Hilfen in Höhe von 17,6 Milliarden Euro als „Bankenhilfe“ erhielt. Die Troika rechnete dies jedoch als „einmalige Ausgabe“ an, wodurch die Gelder nicht zum Staatsdefizit gerechnet werden. Denn die Troika macht Unterschiede zwischen guten und schlechten Defiziten. „Gute Defizite“ werden nicht dem Haushaltsdefizit angerechnet, denn das sind Gelder für Banken. Und die sind nach der Auffassung der Troika stets gut angelegtes Geld.
>Nachdem auch die Absicht der EU-Kommission, den Ländern längere Fristen zum Abbau ihrer Haushaltsdefizite zu geben, offenbar auf absehbare Zeit nichts nützt, kommt nun eine ganz neue Rechenart ins Spiel.
Denn das strukturelle Defizit ist die Messlatte, an der ersichtlich wird, wie viel ein Staat sparen muss, um der Maastricht-Grenze gerecht zu werden.
Nun sollen die Regeln so geändert werden, dass in Zukunft Ländern mit hohen Defiziten dennoch weniger Sparmaßnahmen auferlegt werden können. Geplant ist daher eine Veränderung der Berechnungen des strukturellen Defizits eines Staates.
Nach wie vor wird zwar das reguläre Haushaltsdefizit berechnet. Es soll jetzt aber an der Wirtschaftskraft des jeweiligen Staates gemessen werden.
Dies würde Manipulationen Tor und Tür öffnen. Es böte weiteren Spielraum für "kreative Buchführung" und dauerhaft akzeptable Neuverschuldungen.
Auch wurde bekannt, dass die Bundesregierung an der Modifizierung der beabsichtigten, hoch komplizierten Berechnungsarithmetik beteiligt war. Demnach hat sie bei den geplanten Entschlüssen keinerlei Einsprüche erhoben.
Vor allem Spanien würde davon profitieren, da nun die Schätzungen des strukturellen Defizits erheblich reduziert werden, berichtet das WSJ.
Laut Maastricht-Vertrag darf eine Regierung die Obergrenze nur überschreiten, wenn sie dafür vorab eine Genehmigung bei der EU-Kommission einholt. Ohne EU-Einwilligung könnte Brüssel laut Vertrag auf dem Papier eine Korrektur des jeweiligen Haushaltsentwurfs durchsetzen.
Mit den neuen Regeln gelänge es, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Die Defizite würden künstlich herunter gerechnet, wonach dann die Neuverschuldung wieder steigen darf und die EU-Kommission nicht einschreiten müsste. Zum Zweiten würden die echten und belastbaren Zahlen nicht an die Öffentlichkeit dringen. Die Märkte und die Bürger der Eurozone können sozusagen „beruhigt“ werden. Schließlich und endlich wären die Krisenländer „auf einem guten Weg“.
Die neue Regelung wird als „Haushaltsreform“ bezeichnet. In dieser Woche sollte die Reform von hochrangigen Beamten der europäischen Finanzministerien bewilligt werden. Doch inzwischen scheuen die hochrangigen Beamten der Euro-Finanzminister vor einer Verabschiedung der geplanten Berechnungsänderungen für die Mitgliedstaaten zurück. Das Vorhaben wurde blockiert, obwohl die neuen Berechnungen von der EU-Kommission empfohlen wurden, berichtet das WSJ.
Spaniens Finanzministerium erläutert indessen, die Regel-Änderung bedeute nicht unbedingt, dass der Staat weniger Haushaltskonsolidierung betreiben müsse.
Denn Spanien und andere Länder argumentieren, dass ihre Defizite vor allem durch die Wirtschaftskrise und nicht durch laxe staatliche Ausgaben und niedrige Steuern entstanden sind.
Bei einer schwachen Wirtschaft mit Massenarbeitslosigkeit und Fabriken, die nur mit einem Bruchteil der vollen Kapazität ausgelastet sind, seien die Staatseinnahmen entsprechend rückläufig und die Sozialausgaben hoch.
Sollten die Finanzminister der Eurozone dennoch an der geplanten Brüsseler „Haushaltsreform“ festhalten, würden die neuen Berechnungsmethoden bereits für die nächste Herbst-Prognose der EU-Kommission gelten.