Politik

Fukushima: Niemand weiß, wie das Meerwasser die Atom-Ruine verändert hat

In einer 4-tägigen Operation ist der Betreiberfirma Tepco die Bergung der ersten Brennelemente gelungen. Doch Experten zweifeln zunehmend am tatsächlichen Stand der Anlage. Die Brennstäbe könnten stärker beschädigt sein, als bisher angenommen. Beobachter berichten, dass es keine Klarheit über den Zustand von wichtigen Dichtungen zwischen den Brenn-Elementen gibt.
25.11.2013 23:40
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Am 17. November begannen die Bergungsarbeiten der Brenn-Elemente aus dem stark beschädigten Reaktor-Gebäude 4. Am Donnerstag bestätige die Betreiberfirma Tepco, dass 22 unbenutzte Brenn-Elemente aus dem Reaktor geborgen und in ein sicheres Abklingbecken verfrachtet wurden. Dies meldet Reuters und bezieht sich dabei auf eine Stellungnahme von Tepco. Unklar ist, warum sich überhaupt unbenutzte Brenn-Elemente in dem Abklingbecken befunden haben. Es ist sehr unüblich, dass gebrauchte und unbenutzte Brenn-Elemente in ein und demselben Becken aufbewahrt werden. Keine Erklärung konnte Tepco zu einem Video geben, bei dem die Firma die Bergung eines Brennelements dokumentiert: Aus dem unbenutzten Brennelement rinnt braune Flüssigkeit. Es unklar, worum es sich dabie handelt und wie der Zustand jener Elemente ist, die schon abgebrannt sind.

Tepco muss in den folgenden Jahren mehr als 1.300 beschädigte Brenn-Elemente aus den stark beschädigten Reaktor-Gebäuden bergen. Das Unternehmen selbst sagt , dass allein die Bergung der Elemente aus dem instabilen Reaktor-Gebäude 4 mindestens ein Jahr in Anspruch nimmt. Die dortigen Brenn-Elemente befinden sich in 18 Metern Höhe in einem Gebäude, dass durch das Beben stark beschädigt wurde und bei einem erneuten Beben zu kollabieren droht (mehr hier).

Jedes der Brennelemente besteht aus etwa 50 bis 70 Brennstäben. Viele der Brennstäbe sind bereits beschädigt. Ihre Zirconium-Hülle ist teils spröde und rissig, was auf den korrodierenden Einfluss des Salzwassers zurückgeführt wird. Zudem ist das Boraflex – ein Gummi-ähnlicher Stoff, der als Neutronenfänger agiert - durch die Korrosion vermutlich komplett zersetzt (hier).

Das Fehlen dieser Bor-Dichtungen bereitet den Experten Sorge.

„Ich sprach mit einigen Kollegen und sie machen sich große Sorgen wegen einem kritischen Vorfall. Ich fragte sie natürlich auch wegen dem Boraflex, das ist mit Bor angereichertes Gummi – es gab nur nervöses Gelächter. Sie sagten mir, ich solle damit rechnen, dass es nicht mehr vorhanden ist. Das war der Konsens von allen Anwesenden, inklusive eines Kollegen, der nach Fukushima geht“, sagte der Nuklear-Ingenieur  und ehemalige Mitarbeiter eines US-Reaktors, Chris Harris, auf GCNlive.

„Die Korrosion durch das Meerwasser bereitet allen ernste Sorgen. Jeder ist recht nervös wegen der Korrosion und wie viel Material dadurch bereits verloren gegangen ist. Hauptsächlich betroffen davon, ist die Zirconium-Ummantelung, welche die Brennstofftabletten beinhaltet. Sie kennen den Grad des Materialverlustes und der strukturellen Unversehrtheit nicht. Wenn man also beginnt, und die Brenn-Elemente herausholt, wird es dann einen Verlust von Brennstoff-Tabletten geben? Man könnte dann einen kritischen Vorfall bekommen“, so Harris weiter.

Die Korrosionseffekte durch das Salzwasser und die dadurch entstehende Instabilität der Brennstäbe erklären den Zeitdruck unter dem sich Tepco befindet. Die Arbeit zur Bergung der abgebrannten Brenn-Elemente wird frühestens am Dienstag beginnen.

„Es kann zu einer absolut kritischen Situation in dem Abklingbecken mit den abgebrannten Brenn-Elementen kommen. Wenn die Brennelemente dabei beschädigt werden, wird Wasserstoff frei. Dieser würde sich in dem neuen Gebäude, das sie dort haben, ansammeln. Und wenn er dann explodiert, dann wäre das nahe an – oder kaum zu unterscheiden von – einer nuklearen Explosion“, so Harris.

Die Aussagen von Chris Harris decken sich mit denen führender Nuklear-Experten, die die Bergung der Brennelemente für eine hochriskante und nie dagewesene Operation halten (hier und hier). Das Know-How und die Erfahrung weltweiter Nuklear-Experten wären nötig, um der Operation zu einem Erfolg zu verhelfen. Doch Tepco lehnt jede Hilfe von außen weiterhin ab. Unabhängige Beobachter und ausländische Unternehmen sind nicht erwünscht (hier).

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Neue Bundesregierung: Union stellt Personal für Ministerposten vor
28.04.2025

Rund eine Woche vor der geplanten Wahl von Friedrich Merz zum Kanzler der neuen Bundesregierung wollen CDU und CSU ihre Besetzung der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Der Seeweg kann zur neuen Umweltroute werden – so sieht das neue Klimapaket aus
28.04.2025

Die internationale Schifffahrt galt lange als Klimasünder mit Sonderstatus. Nun ändert sich das grundlegend: Die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen „Hart arbeiten – das ist alles“: Wie Nvidia zum Börsenliebling wurde
28.04.2025

Vom Tellerwäscher zum Tech-Tycoon – wie Jensen Huang mit eiserner Disziplin Nvidia zur KI-Supermacht machte und nun gegen die Schatten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Teslas versteckter Goldesel wankt – Emissionsrechte geraten ins Visier des Boykotts
27.04.2025

Teslas Einnahmequelle aus dem Emissionshandel schrumpft durch sinkende Verkaufszahlen, politische Boykotte und steigende Konkurrenz.

DWN
Finanzen
Finanzen Geldpolitik ohne Zentralbank: Wie Solana über Inflation abstimmen lässt
27.04.2025

Ohne Leitzins, aber mit Weitblick: Die Solana-Community entscheidet selbst über Inflation und Ertragsverteilung. Zwei aktuelle...

DWN
Technologie
Technologie Gesundheit wird Geschäft: Apple verkauft mit der Apple Watch Hoffnung – nicht nur Technologie
27.04.2025

Die Apple Watch feiert ihr zehnjähriges Bestehen. Doch unter dem glänzenden Aluminium-Gehäuse der meistverkauften Smartwatch der Welt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Werbungskosten: Das alles können Sie von der Steuer absetzen
27.04.2025

Werbungskosten sind ein großer Hebel, um bei der Steuererklärung richtig Geld zu sparen. Erfahren Sie in diesem Ratgeber, was alles...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Handelskrieg vertreibt Bitcoin-Miner aus Asien – Kryptoindustrie unter Schock
27.04.2025

Mit Strafzöllen auf Importe aus Südostasien erschüttert Trump die globale Krypto-Lieferkette. Die Folgen: Chaos, Millionenverluste und...