Die Freimaurer spielen in der europäischen Wirtschafts-Politik eine nicht zu unterschätzende Rolle. In dem Rücktritt von Papst Benedikt sehen sie einen ersten Schritt eines radikalen Umsturzes im Kirchenstaat. Einer der führenden italienischen Freimaurer, Ernesto Galli della Loggia, veröffentlichte in der Zeitung La Stampa einen Kommentar, in dem fordert, dass dem überraschenden Abzug von Joseph Ratzinger nun eine grundsätzliche wirtschaftliche und moralische Reform des Vatikan folgen müssen. Die Kritik der Freimaurer ist bemerkenswert, weil sie ihrerseits in den Skandal um die Banca Monte dei Paschi di Siena (MPS) verstrickt sein könnten. Der gefeuerte Chef der Bank, Giuseppe Mussari, soll selbst Logenmitglied sein, wie der Vorsitzende der Loge Großer demokratischer Orient, Gioele Magaldi, der Tageszeitung Il Fatto Quotidiano erklärte. Logen haben in der Toskana eine lange Tradition. Zahlreiche Sozialisten gehören der Vereiningung an. Magaldi deutete in dem Interview an, dass die Verwicklungen in den MPS-Skandal der Freimaurer eine internationale Dimension haben könnten (mehr über die Hintergründe und die Rolle von Mario Draghi - hier).
Galli schreibt:
„Der päpstliche Rücktritt bedeutet durch die Macht des Faktischen eine Entsakralisierung seines Amtes. Die theologische Bedeutung desselben (Vikar Christi zu sein) mag unverändert bleiben, aber der Modus seiner Bestellung, seine Amtsausübung und seine ,Aura‘ werden auf eine absolut gewöhnliche Dimension reduziert.
Wenn es nämlich möglich ist, dass ein Papst zurücktritt – und damit eine jahrhundertealte Praxis an der höchsten Spitze umstürzt – dann sind auch andere Neuerungen möglich. Dann können ebenso andere jahrhundertealte Praktiken auf den unteren Stufen umgestürzt werden. Mit dem Schritt von Benedikt XVI. wird daher in Wirklichkeit das Dasein der zentralen Struktur der Kirche in Frage gestellt: sie wird der Überprüfung durch die Fakten unterworfen, der harten Prüfung der Zeit und der menschlichen Wenigkeit. Und die Fakten dieser Struktur, wie man weiß, haben zuletzt ein erbärmliches Schauspiel geboten: schlechte Sitten, Verleumdungen, Machtspiele, schrankenlose Ambitionen, Diebstahl.
Schuld daran sind die bisher geltenden Regeln an der Kurie und nicht nur dort: diese Regeln können und müssen sich ändern, sagt die Entscheidung des Papstes. Eben genau so, wie er es mit einer Regel (und was für einer Regel!) getan hat, die ihn betraf. Kann noch, zum Beispiel, die Wahl eines Papstes einer Handvoll alter männlicher Oligarchen vorbehalten sein, um in deren Kreis einzutreten Rücksicht auf nichts genommen wird? Kann noch die Macht der Kongregationen allein in deren Händen liegen? Ist es zulässig, dass noch immer eine Eiterbeule wie die IOR, die Vatikanbank existiert?“
(Übersetzung: Giuseppe Nardi/Katholisches Magazin für Kirche und Kultur)