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EU-Geheimplan: Deutsche Steuerzahler sollen Banken in Europa retten

Lesezeit: 4 min
03.06.2013 02:37
Die Euro-Gruppe plant, die europäischen Banken-Rettungen über den ESM abzuwickeln. Demnach soll der deutsche Steuerzahler für alle Banken-Rettungen in Europa haften. Die Euro-Zone will das Modell erstmals mit den griechischen Bank-Krediten ausprobieren. So werden die Defizite der Süd-Staaten künstlich gesenkt. Das Risiko trägt der deutsche Steuerzahler. Der Bundestag hat bei dem Plan keinerlei Mitsprache.
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Die Euro-Retter haben erkannt, dass eine europäische Banken-Union für die Rettung der gefährdeten Banken in Südeuropa zu spät kommen dürfte. Daher soll der europäische Rettungsschirm ESM, in den die Euro-Länder 500 Milliarden Euro einzuzahlen haben, die Funktion eines europäischen Banken-Rettungsfonds übernehmen.

Der Euro-Gruppenführer Jeroen Dijsselbloem sagte in Athen, dass diese Sache „sehr sensibel“ sei und wollte daher nicht öffentlich darüber diskutieren.

Doch ausgerechnet in Athen hat Dijsselbloem die Katzen aus dem Sack gelassen. Die Griechen haben der EU nämlich mitgeteilt, dass sie ohne einen weiteren Schuldenschnitt ihr Haushalts-Defizit nicht annähernd in jene Region drücken können, die die Maastricht-Verträge vorsehen.

Um die Brisanz des Themas zu kaschieren, sagte Dijesselbloem bei seinem Besuch in Athen, dass es einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland frühestens im April 2014 geben werde. Die Botschaft wurde in der europäischen Öffentlichkeit dankbar weitergetragen.

Die Griechen brauchen jedoch schon früher Entlastung. Daher arbeitet die Euro-Zone an einem Geheimplan, demzufolge die 48,2 Milliarden Euro, die die Griechen zur Rekapitalisierung ihrer Banken erhalten haben, aus dem griechischen Haushalts-Defizit herausgerechnet werden sollen. Dijsselbloem schloss ausdrücklich nicht aus, dass die 48.2 Milliarden Euro beim ESM verbucht werden könnten.

Die endgültige Entscheidung will die EU beim nächsten Gipfel am 20. Juni treffen.

Bis dahin soll die Angelegenheit am besten unter der Decke bleiben.

Denn die Idee ist brisant.

Und sie dürfte für den deutschen Steuerzahler teuer werden.

Mit der Umschuldung der griechischen Banken-Rettungskredite wäre den Euro-Rettern ein aus ihrer Sicht cleverer Schachzug gelungen: Das griechische Staatsdefizit wäre mit einem Schlag geringer. Die Kommunikation in die Märkte soll durch die entsprechende Positiv-Propaganda orchestriert werden. Dijesselblom gab in Athen schon einmal eine erste Kostprobe und sagte: „Wir haben die ersten Zeichen einer wirtschaftlichen Erholung. Die Wirtschaft wird sich im kommenden Jahr erholen.“

Angesichts der weiter explodierenden Jugendarbeitslosigkeit (siehe Grafik) ist dies eine aberwitzige Beurteilung. Sie soll jedoch dazu dienen, den Bürgern Europas den Eindruck zu geben, dass die Euro-Rettungsprogramme eine einzige Erfolgsgeschichte sind.

Für die Euro-Retter hätte die Verschiebung der Kredite für die Banken-Rettung außerdem den Vorteil, dass die nationalen Parlamente keinerlei Zustimmungs-Möglichkeiten mehr haben. Denn der ESM ist seiner Struktur nach ein völlig autonomes Vehikel. Der ESM-Vertrag sieht vor, dass das Direktorium des ESM das einzige Gremium ist, das wirklich weiß, was mit dem Geld geschieht. Informations-Pflichten sind nicht vorgesehen. Die ESM-Manager agieren im außerrechtlichen Raum. Sie unterliegen keiner nationalen Jurisdiktion, können also für ihre Entscheidungen nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Transparenz ist ausdrücklich nicht vorgesehen. Selbst die Wirtschaftsprüfer erhalten nur einen eingeschränkten Einblick in die Operationen des ESM.

Auch die deutsch-französische Einigung zur europäischen Banken-Rettung folgt diesem Ansatz. Ein französischer Verhandlungsteilnehmer sagte der FT, dass Frankreich glücklich darüber sei, die Zustimmung Angela Merkels zur Banken-Rettung über den ESM gewonnen zu haben. Der ESM soll als eine Art „offizieller Reservefonds“ eingesetzt werden, auf den die Euro-Staaten Zugriff haben, wenn sie eine Banken-Rettung auf nationaler Ebene nicht stemmen können.

Angela Merkel und Wolfgang Schäuble hatten bisher dem Deutschen Bundestag versichert, dass der ESM nicht zur direkten Banken-Rettung eingesetzt werden dürfe. Daher waren die 80 Milliarden Euro für die spanischen Banken auch zunächst im spanischen Haushalt als Kredit verbucht worden. Allerdings hatten die Spanier bereits den Vorteil, dass die Genehmigung der Kredite an keinerlei Auflagen gekoppelt waren. Das ist auch für die Franzosen wichtig: Paris wird niemals die Troika als Aufpasser im Land akzeptieren.

Die heimliche Umschuldung Griechenlands könnte dann als Blaupause dienen, wie Banken-Rettungen in Europa ablaufen.

Wie in Zypern wird es eine Zwangsabgabe für alle Sparer geben. Das kann speziell in Frankreich kritisch werden. Vor allem aber würde ein Haircut bei den französischen Sparern nicht reichen, um die großen französischen Banken zu retten.

Weil es aber noch keine gemeinsame europäische Einlagensicherung gibt, bietet sich der ESM als, wie die Technokraten es nennen, „public backstop“ an. Die Kredite werden an das jeweilige Land vergeben und rückwirkend beim ESM verbucht. Damit würde nicht der deutsche Sparer an den Bankenrettungen in Italien oder Frankreich beteiligt, sondern der deutsche Steuerzahler.

Da die Gelder für den ESM bereits beschlossen sind und nach ESM-Gesetz auch immer wieder neue Gelder von den Staaten abgefordert werden können, soll der ESM also die Löcher stopfen, die die Euro-Retter mit der Banken-Union nicht rechtzeitig stopfen können.

Dieses Vorgehen ist auch deshalb nötig geworden, weil die EZB steigenden Druck verspürt: Der deutsche EZB-Mann Jörg Asmussen und der Luxemburger Yves Mersch sprachen sich gegen weitergehende Staats-Finanzierungen aus. Bei der EZB fürchtet man, dass das Bundesverfassungsgericht einer exzessiven Rettungspolitik einen Riegel vorschieben könnte. Zwei ehemalige Verfassungsrichter haben massive rechtliche Bedenken angemeldet. Ein Schuldenschnitt in Griechenland wäre für die EZB sehr unangenehm: Er würde erstmals reale Verluste für die Kredite bedeuten, die Deutschland an Griechenland vergeben hat.

Beim ESM besteht diese Gefahr nicht: Was er bilanziert, entzieht sich der Mitwirkung und Kenntnis der Parlamente. Die Öffentlichkeit wird davon nie die Details zu Gesicht bekommen – auch nicht, wenn Kredite rückwirkend vom EFSF auf den ESM umgeschuldet werden.

Die Euro-Finanzminister gehen offenbar davon aus, dass die 500 Milliarden Euro aus dem ESM reichen, um die europäischen Banken zu retten. Die Krise bei den Banken hat sich jedoch in den vergangenen Monaten deutlich verschärft, wie Bundesbank-Präsident Jens Weidmann neulich erklärt hatte (hier).

Demnach gewinnen die etwas in Vergessenheit geratenen Zahlen des IWF neue Plausibilität. Der IWF hatte vor einem Jahr gesagt, dass der ESM eher 2 Billionen Euro an „Feuerkraft“ habe müsse.

Für die erste Not hoffen EU, IWF und EZB jedoch, mit einer teilweisen Plünderung des ESM das Auslangen zu finden.

Die Bundesregierung möchte auf jeden Fall bis zur Bundestagswahl im Herbst Zeit gewinnen. So erklärt sich auch die Wandlung von Jörg Asmussen zum Hardliner in Sachen Zurückhaltung. Asmussen dürfte von Berlin angewiesen worden sein, bis zum September auf die Bremse zu treten. Der EZB-Mann und ehemalige Rettungs-Experte aus dem Bundesfinanzministerium war neulich seinem Chef Mario Draghi spektakulär in den Rücken gefallen: Dieser hatte die Möglichkeit von sogenannten „Asset Based Securities“ (ABS) ins Gespräch gebracht, also die direkte Kreditvergabe durch die EZB an Unternehmen. Asmussen sagte, dass man aus der Finanzkrise gelernt haben sollte, dass ABS eine höchst riskante Sache seien. Als Staatssekretär im Finanzministerium hatte Asmussen noch im Jahr 2006 der ABS-Lobby True-Sales-Initiative (TSI) einen Freibrief ausgestellt und die Instrumente als besonders innovativ gepriesen (mehr zu dieser bemerkenswerten Verflechtung - hier).

Im Herbst tritt Asmussen als Keynote-Speaker bei dieser Lobby-Gruppe auf. Ihm könnte durch den EU-Geheimplan die Peinlichkeit erspart bleiben, dass er nun gegen Instrument auftreten muss, dessen Einführung er noch vor wenigen Jahren als besonders empfehlenswert bezeichnet hatte.

Nach der Bundestags-Wahl darf sich der deutsche Steuerzahler auf neue kreative Vorschläge freuen.

Unkreativ sind die zu erwartenden Ideen nur in einer Hinsicht: Die Rechnung wird immer von den Deutschen bezahlt – auch bei der Banken-Rettung.

Solange die Konstruktionen kompliziert genug sind, werden die Zahler davon nichts merken.

Das nennt sich dann Staatsräson.

Und die darf seit Jahrhunderten nicht hinterfragt werden.


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