George Soros hat in einem Vortrag an der Goethe Universität in Frankfurt/Main eine klare Vision für die Zukunft der EU auf den Tisch gelegt: Es sei nicht länger möglich, eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Staatsanleihen zu haben. Die Grundidee eines freiwilligen Zusammenschlusses von mehreren Staaten zu einer Union existiere in der Form nicht mehr. In der EU leben heute faktisch Gläubiger und Schuldner unter einem Dach zusammen. Das könne nicht gutgehen, weil die Interessen zu unterschiedlich seien.
Soros beklagte, dass Deutschland nicht bereit sei, der Idee der Vergemeinschaftung der Schulden näherzutreten. Die Idee von Eurobonds werde nicht einmal diskutiert.
Soros zieht aus der Weigerung Deutschlands eine eindeutige Schlussfolgerung:
„Es ist die Entscheidung Deutschlands, ob es der Einführung von Eurobonds zustimmen will. Aber Deutschland hat kein Recht, die massiv überschuldeten Staaten davon abzuhalten, ihre Misere dadurch zu überwinden, dass sie gemeinsame Eurobonds einführen. Mit anderen Worten: Wenn Deutschland Eurobonds ablehnt, sollte es überlegen, den Euro zu verlassen und zulassen, dass die anderen Staaten die Eurobonds einführen.“
Soros erklärt, dass die europäischen Staaten ohne Deutschland eigentlich nur Vorteile durch Eurobonds hätten. Sie könnten den Euro abwerten. Dadurch würden ihre Produkte wettbewerbsfähiger. Die Last hätte dann Deutschland zu tragen, dass auf einmal Schwierigkeiten hätte, seine Produkte im Euro-Raum zu verkaufen und außerdem die Konkurrenz der billigeren Importe aus dem neuen Euro-Raum zu spüren bekäme.
Deutschland würde auch schwere Verluste durch das Target 2-System einstecken – außer, man würde sich freundschaftlich trennen und eine Lösung für die aufgelaufenen Ungleichgewichte finden.
Soros ist der Auffassung, dass nur Deutschland den Euro verlassen könne, weil ein Austritt etwa Italiens das Land an seinen Schulden zerbrechen lassen würde. Dies hätte verheerende Folgen für die ganze Euro-Zone, es würde zum ungeordneten Zerfall kommen. Der Euro-Austritt Italiens würde „den Rest Europas und den Rest der Welt in eine unkontrollierbare finanzielle Kernschmelze treiben“.
Soros:
„Wenn jemand aus dem Euro austreten muss, sollte es Deutschland sein, nicht Italien.“
Soros über die Konsequenzen:
„Meine erste Wahl ist die von Euro-Bonds. Meine zweite die, dass Deutschland aus dem Euro austritt. Beide Möglichkeiten sind besser als gar keine Entscheidung und eine Fortsetzung der Krise. Das Schlimmste wäre, wenn ein hoch verschuldetes Land, etwa Italien, austreten würde, denn dies würde zum ungeordneten Zerfall der Europäischen Union führen.“
Soros sagte, dass selbst seine Freunde überrascht seien, dass er glaube, dass die Euro-Zone ohne Deutschland überleben könne. Dies rühre jedoch daher, dass die meisten den Euro und die EU vermischten. Die beiden seien nicht identisch:
„Die EU ist das Ziel und der Euro ist ein Mittel zum Ziel. Es sollte dem Euro nicht erlaubt werden, die EU zu zerstören.“
Soros These ist interessant, weil sie erstmals eine Alternative zum gegenwärtigen Patt in der Euro-Zone bietet. Soros betonte in seinem Vortrag ausdrücklich, dass er kein Feind Deutschlands sei und sich vielmehr wünsche, dass die Euro-Zone zusammenbleibt. Wenn es aber nicht gelinge, die Deutschen von Eurobonds zu überzeugen, dann sei es besser, dass Deutschland austrete und dem Rest der Euro-Zone eine Überlebenschance gebe.
Soros glaubt, dass ein Referendum heute in Deutschland zur glatten Ablehnung des Euro führen würde. Damit stimmt er mit der Einschätzung von Helmut Kohl überein, der aus genau diesem Grund als „Diktator“ agiert und die Deutschen gewissermaßen gegen ihren unausgesprochenen Willen in den Euro gezwungen hatte (hier).
Es würde zu weit gehen, Soros‘ Vision als Erpressung zu bezeichnen. Zumindest in der Rede wirkt er glaubwürdig, wenn er mit Respekt von Deutschland spricht. Soros zieht auch keine unsinnigen Vergleiche mit der Nazi-Zeit, was heutzutage ja schon ganz erfrischend ist (wenn man an die EU-Propaganda denkt – hier).
Soros macht jedoch einen Denkfehler: Er hält an dem Keynesianischen Prinzip vom schuldenfinanzierten Wachstum fest. Er erwähnt Keynes ausdrücklich, und sagt, dass die Eurobonds den Traum von Keynes verwirklichen würden, dass es zu einem stabilen Gleichgewicht zwischen Schuldnern und Gläubigern in einer Währungsunion kommen kann.
Tatsache ist jedoch, dass sechzig Jahre Keynes die Weltwirtschaft an eben den Abgrund getrieben haben, in den sie heute starrt. Denn Keynes hatte viele Faktoren nicht auf seiner Rechnung: etwa die gnadenlos alles und jedes manipulierenden Zentralbanken, die niemandem verantwortlich sind und heute außerdem in hohem Maß von ehemaligen Investment-Bankern, vor allem von Goldman Sachs unterwandert sind.
Diese Zentralbanker machen keine unabhängige Geldpolitik, sondern interessengesteuerte Klientel-Politik. Ihre Klientel sind nicht die Bürger in einem Staatenbund, sondern die Feudal-Clique der internationalen Finanzwirtschaft. Die Rettung der europäischen Banken aus Zypern und die gleichzeitige Verschiebung der Lasten auf die Bürger und Unternehmen Zyperns ist solch ein Meisterwerk der „unsichtbaren Hand“ der Zentralbanken und des IWF (mehr zu dieser bitteren Wahrheit - hier).
Außerdem lebt die Wirtschaft nicht von einem monokausalen Verschieben von Geldern, sondern von der Kraft der Unternehmer (Entrepreneure), die mit Kreativität und auf eigenes Risiko Innovation und damit Wachstum bringen. Diese kreativen Unternehmer sitzen nicht in den Groß-Konzernen, die ihrerseits wieder Teil der Feudal-Clique sind. Dort sitzen wiederum die Freude der Investment-Banker, die den Managern helfen, alles so lang zu schönen, bis es für den Bonus reicht. Wie wir am Skandal der KPMG in den USA wird hier auch gleich unter tätiger Mitwirkung der Kontrolleure, also der Wirtschaftsprüfer manipuliert.
Solche Fehlentwicklungen haben dazu geführt, dass etwa Frankreich als besonderer Hort einer traditionellen Feudal-Elite heute so gut wie überhaupt keiner schöpferischen Unternehmer mehr hervorbringt – und daher mit oder ohne Euro in die Depression schlittert (hier).
Hätte man das Keynes als Vorgabe für seine Theorie auf den Tisch gelegt – er hätte sie vermutlich anders formuliert.
Für Soros gilt: Der Kern seiner Ausführung ist es wert, dass man darüber nachdenkt. Deutschland könnte es ohne den Euro schaffen, den anderen europäischen Staaten würden Euro-Bonds vielleicht wirklich helfen, um aus der Misere herauszukommen.
Für alle jedoch gilt: Wenn der Schuldenwahnsinn nicht beendet wird, ist es egal, wie viele Mitglieder der Euro hat. Dann kann das Endspiel nur in einem gnadenlosen Währungskrieg bestehen, dessen Vorboten wir heute schon in Japan sehen (hier).
Und das kann niemand wünschen: Deutschland nicht, Europa nicht, die Amerikaner erst recht nicht. Und auch für Soros und die weltweite Gilde der Finanzspekulanten wäre es besser, sie könnten ihre Wetten auf realen Werten aufbauen und würden sich im Endspiel nicht wie die Aasgeier am Kasino-Tisch von Derivaten, Schrottpapieren und Insider-Geschäften gegenseitig die Augen aushacken.