Am Montag überraschte eine Meldung die Öffentlichkeit: Bayern Präsident Uli habe Strafanzeige gegen die Münchner Staatsanwaltschaft gestellt, weil diese im Fall seiner Selbstanzeige das Steuergeheimnis verletzt habe (hier).
Die Deutsche Presse Agentur jedenfalls meldete dies, und viele Medien übernahmen die Meldung.
Knapp zwei Stunden später meldete sich das offizielle Hoeneß-Organ Focus zu Wort. Der Focus schreibt empört:
Wehrt er sich nun juristisch oder wehrt er sich nicht? Bayern-Präsident Uli Hoeneß soll Strafanzeige gegen Beamte der Münchener Staatsanwaltschaft gestellt haben, hieß es. Nun kommt heraus: Die Kanzlei hatte offenbar überhaupt keinen Auftrag dazu.
Die Kanzlei, die im Auftrag des Bayern-Präsidenten Strafanzeige gestellt haben soll, hat kein Mandat von ihm, sondern hat unabhängig von Hoeneß gehandelt. Die Nachrichtenagentur dpa hatte vorher behauptet, dass die Anzeige von einem von Hoeneß beauftragten Anwalt gekommen sei.
Und weiter:
Die anscheinend selbst ernannten Hoeneß-Anwälte wurden nun mit den Worten zitiert: „Wir beobachten schon seit einiger Zeit mit Sorge, dass in manchen Teilen der Staatsanwaltschaften das Selbstverständnis, die objektivste Behörde der Welt zu sein, von dem Wunsch verdrängt zu werden scheint, parteiische Strafverfolgung nach US-amerikanischem Vorbild zu betreiben.“
Und schließlich durchaus wohlwollend gegenüber den „selbst ernannten Hoeneß-Anwälten“:
Dieses Missverständnis korrigierten die Anwälte später und erklärten, die Anzeige sei „allein unsere eigene Initiative“.
Bemerkenswert: Der Focus will nicht sagen, um welche Kanzlei es sich handelt. Auch in der Bild-Zeitung ist nur von „der Kanzlei“ die Rede. Bild und Focus erwecken den Eindruck, als gäbe es nur eine Anwaltskanzlei in München.
Immerhin scheint sich der Focus einmal verplappert zu haben. Denn er nennt in einem anderen Artikel den Namen einer Kanzlei, die Hoeneß vertritt.
Im zweiten Bayern-Skandal dieser Tage schreibt der Focus nämlich:
„Karl-Heinz Rummenigge wurde am 7. Februar 2013 auf dem Münchner Flughafen kontrolliert, als er durch den grünen Ausgang („Nichts zu verzollen“) gehen wollte. Die Beamten fanden in seinem Handgepäck zwei wertvolle Rolex-Uhren. Rummenigge habe angegeben, die gebrauchten Uhren hätte ihm ein Freund in Katar geschenkt. Er kam gerade aus dem Wüstenstaat zurück, wo 2022 die Fußball-Weltmeisterschaften stattfinden sollen. Rummenigge hatte sich begeistert von der WM-Bewerbung Katars gezeigt, die weltweit umstritten ist.“
Und weiter:
„Derartige Fälle würden meist mit einem Strafbefehl geahndet, sagte Staatsanwalt Reiter. Rummenigge wollte sich auf FOCUS-Anfrage nicht zu diesem Vorfall äußern. Sein Anwalt ist Werner Leitner, der auch Uli Hoeneß in dessen Steuer-Verfahren vertritt.“
Die Kanzlei „Leitner & Partner, Rechtsanwälte Wirtschaftsstrafrecht“ hat diesen Focus-Artikel nicht dementiert. Auch gemäß Selbstdarstellung auf der Website würde Hoeneß in das Kundenprofil passen:
Wir beraten, vertreten und verteidigen Personen und Unternehmen. Zu unseren Mandanten gehören Führungskräfte und Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Sport, Politik, Kunst und Gesellschaft. Wir beraten speziell auch Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.
Zu den Unternehmen zählen Banken, multinationale Konzerne, Aktiengesellschaften, mittelständische Unternehmen, Verbände und Gesellschaften aus allen Bereichen des Wirtschaftslebens.
Unsere Mandanten vertrauen auf Kompetenz, Diskretion und Reputation.
Auf der offiziellen Website von der Kanzlei Leitner stehen zwar weder Uli Hoeneß noch der FC Bayern München, aber im Nomos Kanzlei-Handbuch erfahren wir mehr:
Leitner & Partner konzentriert sich auf die Fälle des Wirtschaftsstrafrechts. Innerhalb dieses Spektrums finden sich sehr unterschiedliche Mandate: Unternehmen, Banken und deren Vorstände (Siemens-AG, Landesbank Baden-Württemberg), Immobilien- und Medienfonds, Kommunen und kommunale Betriebe, Verbände und Vereine (regelmäßige Beratung des FC Bayern München), Steuerberater, Ärzte und Politiker, die sich Vorwürfen der Untreue, Korruption, Steuerhinterziehung oder Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ausgesetzt sehen. Oftmals beinhaltet die Mandatsbetreuung nicht oder nicht nur die klassische Strafverteidigung. Zunehmend wird eine Compliance- oder Präventivberatung vor Beginn des Ermittlungsverfahrens (im Gegensatz zur unternehmensinternen Compliance-Abteilung meist zu konkreten Frage- oder Problemstellungen), die Koordination ganzer Verteidigerteams oder die Durchführung der Revision erwünscht.
Ein Anruf der Deutschen Wirtschafts Nachrichten bei der Kanzlei Leitner ergibt zwar keine klare Auskunft, aber immerhin: Es gibt eine indirekte Bestätigung, dass eine solche Strafanzeige existieren muss - und dass die Kanzlei Leitner von dieser Anzeige weiß.
DWN: Guten Abend!
Kanzlei Leitner (Frauenstimme, Name der Redaktion bekannt): Guten Abend!
DWN: Ich habe in diversen Medien gelesen, dass Uli Hoeneß eine Strafanzeige gestellt hat, und ich würde gerne wissen, wo ich diese Mitteilung finden kann?
Kanzlei Leitner: Die ist nicht veröffentlicht.
DWN: Aber die muss doch veröffentlicht worden sein, sonst würden die Medien doch nicht daraus zitieren...
Kanzlei Leitner: (kurze Stille)
DWN: Hallo?
Kanzlei Leitner: Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Schönen Abend!
Besetzt-Zeichen.
DWN: Schönen Abend!
Ein Dementi klingt anders. Eine engagierte Auskunft auch. Vielleicht hat die freundliche Dame aus der Kanzlei Leitner von der Strafanzeige ja auch nur aus den Medien erfahren.
Im Zeitalter des Internet sprechen sich die Sachen ja rasch herum.
Der Spiegel schreibt, dass die Strafanzeige von der Münchener Kanzlei Wolfsteiner Roberts & Partner gestellt wurde. Diese Kanzlei habe jedoch kein Mandat, Hoeneß zu vertreten.
Immerhin: Auch diese Kanzlei würde gut zu Uli Hoeneß passen. Die Selbstdarstellung könnte von Uli Hoeneß formuliert sein: „Bei uns kocht der Chef selbst: Unsere Mandanten sehen sich dabei keiner wechselnden Masse unbekannter Gesichter gegenüber.“
Der Chef der Boutique, Hans Wolfsteiner, ist in Bayern gut vernetzt: Er war unter anderem von 1974 bis 1988 Vorsitzender des Landesschiedsgerichts der Christlich-Sozialen Union in Bayern. Sein Partner, Julian Roberts, ist eine intellektuelle Persönlichkeit.
Die Website der Kanzlei nennt folgende Publikationen von Roberts:
Beiträge zum Handelsvertreterecht, Strafrecht, und zum Arzneimittelrecht sowie zahlreiche philosophische Beiträge. Monographien: Walter Benjamin (Macmillan Press, 1982), German Philosophy (Polity Press, 1988), The Logic of Reflection (Yale University Press, 1992).
Speziell der letztgenannte Titel würde gut zum Fall Hoeneß passen, und erklärt, warum sich ein gänzlich unbeteiligte Kanzlei so sehr über die mangelnde Diskretion der Staatsanwaltschaft ärgern könnte.
Roberts ist aber nicht nur ein Schöngeist, der sich mit deutsche Philosophie auskennt. Er hat erst 2011 zu Themen geschrieben, die auch Uli Hoeneß vermutlich sehr interessiert haben:
Julian Roberts, "Beratungsbedarf bei Finanzderivaten im Lichte neuerer Rechtsentwicklungen", Deutsches Steuerrecht 2011, Heft 26
Julian Roberts, "Financial derivatives: investments or bets?", Journal of International Banking and Finance Law 2011, Heft 6
In ihrem Kundeprofil schreibt die Kanzlei:
Zu unseren Mandanten gehören vermögende Privatpersonen und Vermögensverwaltende Gesellschaften und deren Teilhaber aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Guernsey, Isle of Man, Curaçao, USA, Kanada und Argentinien.
Wieviele Kanzleien beschäftigt Uli Hoeneß eigentlich? Oder aber ist der Präsident des FC Bayern so beliebt, dass ihm unaufgefordert mehrere Kanzleien zur Verteidigung beispringen?
Eine Aufklärung wäre schon deswegen interessant, weil Hoeneß angekündigt hatte, gegen exzessive Berichterstattung in seinem Fall mit schweren juristischen Geschützen aufzufahren (mehr hier).
Wie sehr die Medien die Hoeneß-Anwälte fürchten, zeigt ein Hinweis des Spiegel am Ende seines Berichts über die Strafanzeige. Das schreibt der Spiegel, der sonst an Forschheit nicht zu überbieten ist und nur höchst widerwillig Fehler einräumt:
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Hoeneß selbst habe über seine Anwälte die Strafanzeige gestellt. Die betreffende Kanzlei hat jedoch unabhängig gehandelt, sie hat kein Mandat vom Bayern-Präsidenten. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
Das Versteckspiel und die unsaubere Berichterstattung zeigen, dass der Fall Hoeneß weite Kreise zieht: Der Herausgeber des Focus, Helmut Markwort, ist Mitglied im Verwaltungsbeirat des FC Bayern München.
Die beiden Kanzleien lassen erahnen, dass die Affäre Hoeneß offenbar eine deutlich größere Dimension hat als gedacht: Die Kanzlei Leitner ist auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisiert. Die Kanzlei Wolfsteiner kennt sich offenbar mit Offshore-Investments aus.
Hängen die beiden zusammen? Arbeiten die beiden gar im Fall Hoeneß zusammen? Müssen sie gar zusammenarbeiten - weil wir erst am Anfang der Affäre stehen? Wer ist noch betroffen? Warum wollen die Medien den Namen der Kanzlei aus der Öffentlichkeit halten?
Der Fall Hoeneß droht aus dem Ruder zu laufen. Man hat den Eindruck, dass dem Sieggewohnten die Dinge entgleiten.
Es wird ein bayrisches System sichtbar, das für Deutschland nicht als Vorbild taugt.
Das ist nicht Champions League.
Das ist Abstiegskampf pur.