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Kabinett beschließt Haftstrafen für Banker
Am Mittwoch soll das Kabinett über einen Gesetzesentwurf entscheiden. Dieser sieht vor, den Hochfrequenzhandel zu regulieren - und erstmals auch die Idee der Haftung von Bank-Managern für ihr Tun in das Rechtssystem der Bankenwelt einzuführen.
Der Bankenverband läuft gegen die Regulierungen Sturm. Zwar lasse sich mit einer „minimalen Börsensteuer“ der Hochfrequenzhandel in Deutschland praktisch ausschalten. Doch der Hochfrequenzhandel sei nicht per se schlecht, sagte der Bankenexperte Wolfgang Gerke den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Dieser stifte erst Schaden, wenn er zur Kursmanipulation eingesetzt werde. „Dies partiell einzudämmen fällt aber schwer“, sagte Gerke. Entsprechend würden Investmentbanken und insbesondere die Börse „die Verbannung des Hochfrequenzhandels aus Deutschland intensiv bekämpfen“.
Tatsächlich ist der Hochfrequenzhandel ganz einfach einzustellen: Es müsste nur eine Vorschrift erlassen werden, die eine Order erst als solche qualifiziert, wenn sie auch tatsächlich abgeschickt wurde. Denn die meisten Manipulationen sind von geradezu schlichter Schönheit: Weil jede Order, wenn sie einmal in die Warteschliefe geschickt ist, auch schon als Order zählt, können die HFTs dazu genutzt werden, die Kurse nach Belieben zu manipulieren. Man treibt einen Preis künstlich in die Höhe, wettet, dass er fallen wird, führt dann die Orders nicht aus - und hat schon sein Geschäft gemacht. Dies könnte die Bundesregierung mit einem Federstrich verbieten, sie bräuchte nicht einmal eine besondere intellektuelle Leistung aufzubringen. Weil aber die Politik sich allgemein mit dem Lebensgefühl abgefunden hat, dass die Finanzwelt so schrecklich kompliziert sei, dass man nichts, aber auch nicht das Einfachste, verstehen kann, sind die Regulatoren gegenüber den Banken immer im Hintertreffen. Denn schon der Hinweis der Banker an die Politiker, dass die zu regulierende Materie die geistigen Fähigkeiten der Mandatare über Gebühr beanspruchen könnte, läßt den Gesetzgeber kapitulieren.
Der ebenfalls mit dem Gesetzesentwurf thematisierte Plan der Bundesregierung, Geschäftsleiter von Banken mit Haft zu bestrafen, wenn sie vorsätzlich gegen konkretisierte Risikomanagement-Vorschriften verstoßen und dies einer Existenzgefährdung seines Unternehmens führe, hält Gerke dagegen für zumindest einen Schritt in die richtige Richtung. „Eine vorsätzliche Existenzgefährdung einer Bank durch verbotene Risikostrategien muss stärker bestraft werden.“ Nach den Erfahrungen der letzten Jahre sei die Zeit reif für eine erfolgreiche Umsetzung von Sanktionen gegen Rechtsverstöße im Kreditgewerbe, sagte Gerke. „Schärfere Sanktionen gegen unrechtmäßige Spekulationen zu Lasten der Allgemeinheit sind unumgänglich.“
Den Banken ist die geplante Regelung jedenfalls unheimlich: Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband und die Deutschen Bank verschanzten sich hinter einer Stellungnahme des Bankenverbandes.
Der Bankenverband setzt in seiner Ablehnung von Strafen für Verbrechen im Finanzsektor auf die Taktik des Zeitschindens. Der Verband warnte vor einem „Zick-Zack-Kurs“ bei der Bankenregulierung. Ein Alleingang der Bundesregierung in dieser wichtigen Frage, bevor die bereits auf den Weg gebrachten EU-rechtliche Rahmenbedingungen feststünden, sei „wenig verständlich. Vor Ende der Beratungen des EU-Rats und der EU-Kommission zu einem entsprechenden Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission sei ein nationales Gesetz verfrüht, so der Bankenverband. Schließlich machten Krisen nicht an Landesgrenzen halt.
Der Bankenverband ist hier sicher eine komptente Auskunfts-Adresse. Denn der Geschäftsführer der obersten deutschen Banken-Lobby ist ein gewisser Michael Kemmer. Als Chef der Bayrischen Landesbank hatte er eine marode Bank jenseits der bayrischen Landesgrenzen gekauft. Kemmer, der kurz zuvor noch mit der Entlassung von 5.600 Mitarbeitern versucht hatte, seinen Kopf zu retten, musste auf Druck der bayrischen Landesregierung als Vorstandschef der BayernLB zurücktreten. Über ihn schreibt der bayrische MdL Sepp Dürr: „Kemmer ist der, der als Vorstandsvorsitzender der Bayerischen Landesbank in hohem Bogen rausgeschmissen wurde, weil er, so wurde eilfertig erklärt, sich nichts zu Schulden hatte kommen lassen. Deshalb gab es noch einen Goldenem Handschlag, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die BayernLB unter seiner Mitwirkung in dubiosen „Wert“-Papier-Geschäften mindestens 10 Milliarden € Steuergelder verbrannt und auch noch eine bankrotte Bank gekauft hatte. Auf der Straße hat ihn dann sofort der Bundesverband deutscher Banken aufgeklaubt und zum Hauptgeschäftsführer und Vorstandsmitglied gemacht. Das war zu einem Zeitpunkt, als sein früherer Arbeitgeber Landesbank, der Bayerische Landtag und die Staatsanwaltschaft bereits wegen schweren Pflichtverstößen gegen ihn ermittelten. Das sagt schon viel über die deutschen Banken.“
Dürr, der auch im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum BayernLB-Skandal saß, beschreibt, wie Kemmer genau jene Taktik angewandt habe, mit denen die Banken den Politikern einreden, dass sie zu dumm seien, um auf dem Diskussions-Niveau der globalen Finanz-Elite mithalten zu können: „Ich hab Kemmer in zwei Landesbank-Untersuchungsausschüssen gegenübergesessen. Das erste Mal, 2008, vor der Landtagswahl, ging es um sogenannte Subprime- bzw. ABS-Papiere, also um 36 Milliarden €, die Kemmer und seine Kollegen in billige Häuser-, Handy-, Gebrauchtwaren- und andere Konsumkredite vor allem in den USA gesteckt hatten. Ein Teil der Milliarden ist dann ja auch dort geblieben, so dass nach der Landtagswahl Landesbank und CSU plötzlich eingeräumt haben, dass die BayernLB sofort mit 10 Milliarden € Steuergeldern und nochmal 10 Milliarden öffentlicher Bürgschaften gestützt werden musste. Davor aber, im Untersuchungsausschuss haben Kemmer und Kollegen noch erklärt, dass sie alles richtig gemacht haben, dass es alle so gemacht hätten – und dass wir als politische Laien im Unterschied zu ihnen, den Weltwirtschaftsexperten, keine Ahnung hätten.“
Im einen zweiten Untersuchungsausschuss 2010 waren Kemmer und seine Kollegen dann deutlich schweigsamer. Dürr: „Der Untersuchungsausschuss befasste sich mit dem Kauf der Kärntner HGAA durch die Bayerische Landesbank. Dabei hatte die Bank 3,75 Milliarden € in den Sand gesetzt und noch weitere gut 3 Milliarden als Dauerdarlehen ausstehen – Milliarden, die die Republik Österreich als heutige Eigentümerin als verkapptes Eigenkapital einbehalten will. Da waren also allerhand Fragen offen. Aber obwohl Kemmer eingangs noch ausführlich darlegte, er sei „daran interessiert, hier zur Transparenz beizutragen“, hat er dann nicht mal die banalsten Fragen beantwortet wie: „Wer hat bei Verwaltungsratssitzungen Protokoll geführt?“ „Waren Sie Aufsichtsratsmitglied der Hypo Group Alpe Adria?“ Wie alle anderen hat er die Aussage verweigert – um sich nicht angesichts des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens möglicherweise selber zu belasten.“
Fazit: Zu der Frage, ob Banker, die jedes Augenmaß über ihre Risiko-Spielräume verlieren, spricht für die deutschen Banken ein Mann, der den Steuerzahler um mindestes 10 Milliarden Euro erleichtert hat. Wenn man die Hypo Alpe Adria dazu nimmt, sind es sogar 17 Milliarden Euro. Michael Kemmer erklärt nun als offizieller Sprecher der Banken-Lobby, dass Krisen nicht national zu lösen seien und daher Bankenregulierungen besser warten sollten, bis die EU-Gremien eine für alle befriedigende Lösung gefunden hätten.
Das sagt nicht nur viel über die deutschen Banken, sondern auch über die deutsche Gesellschaft, in der es offenbar leichter ist, Vergebung für ein Milliarden-Debakel zu erlangen als für ein ungeschickt bezahltes Wochenende auf Sylt.
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