Einer der Gründe, warum Zypern nun in die Knie gewungen werden müsse, sei das gigantische Problem der Geldwäsche. Die Klage über die Mißstände wird von allen geführt, vor allem von den Rettern: EU, EZB und IWF werden nicht müde zu betonen, dass es nicht gegen die kleinen Leute gehen, sondern gegen die großen Geldwäscher. Im europäischen Volksmund werden sie russische Oligarchen genannt.
Eine Überraschung?
Mitnichten. Denn nun stellt sich heraus: Die Europäische Zentralbank war über das Geldwäsche-Problem seit langem im Bilde. Im Grunde wussten die Währungshüter alles - und zwar schon vor dem EU-Beitritt der Mittelmeer-Insel.
Die EZB habe gewusst, dass Russisches Geld nach Zypern fließt, sagt Yasen Iliev, Investmentbanker des Beratungsunternehmens New Europe Corporate Advisory, in Sofia. 2007 erwähnt der Konvergenzbericht der EZB großen Kapitalzustrom nach Zypern. „In den Jahren 2004 bis 2006 kamen viele der Gelder, die das zypriotische Leistungsbilanzdefizit finanzierten, aus Kapitalzuströmen, bestehend aus ausländischen Einlagen und Krediten“, so der Report. Diese „fremden Investitionen“ betrugen beträchtliche 11,3 Prozent des BIP im Jahr 2006. Diese Kapitalzuflüsse hätten das Leistungsbilanzdefizit zwischen 2004 und 2006 sogar überstiegen, so dass Zypern in dieser Zeit weitere Währungsreserven anhäufen konnte.
Eine auf der EZB-Website veröffentlichte Datentabelle zeigt, dass 2011 ausländische Einlagen in Zypern mit 19,2 Milliarden Euro einen Höchststand erreichten (siehe Grafik). Die ausländischen Gelder überstiegen sogar die Wirtschaftskraft Zyperns um eine Milliarde Euro.
Technisch wäre es unmöglich, dass es man es nicht gewusst hätte. „Große Ungleichheiten innerhalb des BIP, zum Beispiel der überdimensionierte Bankensektor, waren eine Zeitbombe die von Studenten der Makroökonomie leicht zu erkennen waren, geschweige denn von Bankern der Zentralbank“, sagte Iliev dem EUObserver. Die Zyprioten hätten wohl gedacht, die Party würde unendlich weitergehen. „Die Faustregel in Brüssel und Frankfurt war ‚lasst sie’, wahrscheinlich wegen Zyperns Streit mit der Türkei oder weil die Wirtschaft der Insel zu klein war, um sich darum zu kümmern.“ Die Konsequenz sei, dass die Zyprioten wie Kinder aufwuchsen, die wussten, dass ihre Eltern manchmal wütend auf sie seien, sie aber nie aus dem Haus werfen würden, so Iliev.
Zypern in die Eurozone zu lassen, hätte weniger mit Wirtschaftslehre als Politik zu tun, argumentiert Peter De Keyzer, Chef-Ökonom der Bank BNP Paribas in Brüssel. De Keyzer ist erstaunt, dass nach dem Fiasko in Zypern nächstes Jahr auch Lettland der Eurozone beitreten soll. „Bei allem nötigen Respekt für was sie erleben mussten und erreicht haben – das ist erneut eine politische Entscheidung die nichts mit Wirtschaftslehre zu tun hat.“
Warum aber haben EZB und EU den Beitritt dann nicht verhindert? Warum haben sie nicht viel früher reagiert?
Die Erklärung liegt in der Natur der Sache: Das internationale Finanzsystem ist zu einem globalen Schneeball-System entartet. Zu einem solchen System gehört wesentlich, dass immer neue Gelder in den Topf fließen, damit die alten Spieler ausbezahlt werden können.
Je mehr neue Mitgieder, desto unübersichtlicher und damit unkontrollierbarer wird das Spiel. Die Komplexität steigt mit jedem neuen Mitglied im selben Maß, wie die Transparenz geringer wird.
Es ist wesentlich für das Euro-System , dass es immer weiter wächst. Wenn es zu wuchern beginnt wie ein Krebs-Geschwür, haben die Spieler vom Finanz-Kasino längst kassiert.
Es mag ja durchaus sein, dass es in der EU auch einige Gutgläubige gibt, die tatsählich der Meinung sind, dass ein EU-Beitritt für jeden Kandidaten den Himmel auf der Erde bedeutet.
Paradiesische Zustände bedeutet das unkontrollierbare Wachsen allerdings nur für die Finanzindustrie. Sie können Schrottpapiere erzeugen verbiefen, was das Zeug hält. Sie bekommen immer neue Assets in die Hände, um neue Asset Backed Securities (ABS) auf den Markt zu werfen. Jörg Asmussen, heute EZB-Außenminister, ist der Meister der ABS. Er ist der Mann, nach dessen Pfeife Europa tanzt (hier).
Ob die Assets nun serbische Stahlwerke, slowenische Bauernhöfe oder lettische Banken sind, ist gleichgültig.
Am Ende des Spiels steht dann der Bailout, oder, wie in Zypern, der Bail-In: Die Steuerzahler in Europa zahlen die End-Abrechnung.
Damit wenigstens die Endabrechnung nicht zu kompliziert wird, hat das Kasino eine einheitliche Währung ausgegeben: Der Euro ist für die einen das Spielgeld. Für die kleinen Leute wird er dagegen immer mehr zum Alptraum.