Erst kürzlich hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit Stolz darauf verwiesen, dass Deutschland von keinem anderen Land mehr verlange als von sich selbst. Auch Deutschland habe seine Banken-Probleme gehabt – und habe sich von maroden Instituten rasch und schmerzhaft getrennt. Daher könne man solches auch von Zypern und anderen verlangen, meinte Schäuble.
Beim genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass die Banken-Restrukturierung im Fall des größten bisherigen Desasters, der WestLB, äußerst originell abgelaufen ist.
Die WestLB verschwand zwar als Banken-Name. Sie wurde im Sommer 2012 zerschlagen. 2.600 Mitarbeiter kommen aber immer noch jeden Morgen ins Büro im Hauptquartier in Düsseldorf, erledigen die Post, beantworten Emails, telefonieren. So, als wäre nichts geschehen.
Allerdings melden sich die treuen Angestellten nicht mehr mit „WestLB!“, sollte das Telefon einmal klingeln, sondern mit „Portigon!“
Portigon. So heißt die WestLB heute. Sie unterscheidet sich durch nichts von der WestLB, außer dem Namen.
Die Portigon ist eine Art Beschäftigungsgesellschaft: Eine solche kann errichtet werden, wenn ein Unternehmen in die Insolvenz geht und der Staat möchte, dass die Arbeitslosen-Statistik nicht gleich nach der Pleite viel schlechter aussieht. Manchmal sind solche Gesellschaften sinnvoll. Meistens haben sie keine andere Funktion, als die Mitarbeiter irgendwo zu parken, bis man wenigstens einen Teil anderswohin vermittelt hat. Die Kosten übernimmt der Steuerzahler.
Eine ähnliche Geisterfirma ist die Portigon AG, wenn dies auch von der Firma selbst natürlich ganz anders gesehen wird. Immerhin: Der Vorstandsvorsitzende selbst hatte neulich eingeräumt, dass es Probleme mit dem Personal gäbe: Die besten Leute hätten das Haus verlassen, die weniger Besten seien geblieben. Dietrich Voigtländer hatte bei einer Landtagssitzung im Dezember 2012 gesagt: „Wir müssen leider feststellen, dass zum Teil die falschen Mitarbeiter gegangen sind und teilweise die falschen Mitarbeiter noch da sind.“
Die Portigon hat einen Großteil der Beschäftigten der WestLB übernommen und kümmert sich um Finanzdienstleistungen sowie um die Verwaltung der Schrottpapiere aus der WestLB, die nun in der Bad Bank, der Ersten Abwicklungsanstalt (EAA) gelagert sind. Wenn man die Pressemitteilung der Portigon liest, findet man vor allem Abschieds-Telegramme. Immerhin, alle Manager sind im besten Einvernehmen mit der Bank geschieden. Der Aufsichtsrat wurde dramatisch verschlankt: Von 20 auf 12 Mitglieder.
Aber was die Bank genau machen soll, weiß niemand. Portigon ist ein international tätiger Dienstleister im Service- und Portfoliomanagement für Finanzdienstleister - so lautet die Selbstdefinition. Wenn man eine offene Stelle sucht, begegnet einem gähnende Leere. Allerdings bietet die Portigon Ausbildungsplätze an: In den Segmenten Fachrichtung Banken, Koch/Köchin und Restaurantfachfrau/-mann.
Was lernen die bei der Portigon, dem international tätigen Dienstleister? Im Englischen gibt es die Redewendung: „to cook the books“, was soviel heißt wie: die Bilanzen fälschen. Das kann ja nicht gemeint sein.
Das Problem der Portigon: Sie hat kein Geschäftsmodell. Daher hat der Eigentümer der Portigon AG, das Land NRW, das Unternehmens-Beratungsunternehmen Roland Berger beauftragt, für die Portigon ein Geschäftsmodell zu finden. Ein lukrativer Auftrag für Roland Berger, und, wie die Deutschen Wirtschafts Nachrichten erfahren haben, einer ohne Erfolgs-Prämie. Roland Berger hat sich nicht nach Leistung bezahlen lassen, weil man schnell sah: Hier kann es keine Leistung geben.
Trotz zahlreicher kluger Papiere mit schönen Grafiken: Roland Berger konnte auch kein tragfähiges Geschäftmodell finden oder erfinden.
Roland Berger wollte den DWN nichts bestätigen, weil man sich „nicht zu einzelnen Unternehmen äußern“ könne.
Das Problem der Portigon wird nun – wie schon die WestLB – zum Problem der Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen: Die Portigon macht Verluste. Es gibt keine Kunden. Stellen können nicht abgebaut werden, weil die Mitarbeiter zu hohe Gehälter haben und die Verträge noch jahrelang laufen.
430 Mitarbeiter sind de facto unkündbar. Sie besitzen Doppelverträge und sind sowohl bei Portigon als auch bei der landeseigenen Förderbank, der NRW-Bank, angestellt. Werden sie bei der WestLB-Nachfolgerin entlassen, greift der Arbeitsvertrag mit der NRW-Bank und die Betroffenen können sich dort einklagen. Auch bei der NRW-Bank bezahlt der Steuerzahler die Zeche.
„Der Steuerzahler wird noch lange Zeit für die Abwicklung der WestLB aufkommen müssen, sagte Ralf Witzel von der FDP-Landtagsfraktion in NRW den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. „Der Finanzminister beziffert die Aufwendungen mit 18 Milliarden Euro.“ Es sei gut denkbar, dass die Belastungen die nächsten Jahre weiter anwachsen werden. Insbesondere stehe das Land noch lange Jahre in der Pensionsverpflichtung für frühere WestLB-Banker.
Witzel sieht in der Portigon eine Zeitbombe für NRW: „Unternehmen und Finanzminister haben zuletzt verschiedentlich einräumen müssen, dass das angedachte Geschäftsmodell bislang nicht trägt. Es fehlen die erwarteten Kunden, und Portigon macht einen Jahresverlust von rund 500 Millionen Euro. Das verstärkt den Druck auf einen möglicherweise noch gegenüber bisherigen Planungen beschleunigten Personalabbaubedarf. “
Dass es dazu kommt, ist jedoch unwahrscheinlich. Vorher müssen noch einige arbeitsrechtliche Hürden genommen werden. Den Mitarbeitern kann nämlich nicht einfach gekündigt werden. Und von den noch übrigen 2.600 Mitarbeitern hätten bislang nur wenige eine Abfindung in Anspruch genommen: „Bisherige Abfindungsangebote von bis zu einer Viertelmillion Euro pro Person sind von zu wenigen Beschäftigten angenommen worden. Für Landesbankbeamte mit Versorgungsvertrag, die oft noch zehn bis fünfzehn Arbeitsjahre vor sich liegen haben, sind die durchschnittlich 86.000 Euro Jahresverdienst offensichtlich attraktiver“, sagt Witzel.
Auch wenn sie dafür keine sinnvolle Arbeit zu erledigen haben, weil ihrem Unternehmen leider das Geschäfstmodell fehlt.
Durch den Auftragsmangel der Portigon ist die Belegschaft nicht ausgelastet. Etwa jeder vierte Arbeitsplatz ist überflüssig. Daher versucht die FDP-Fraktion für eine Verschiebung der Portigon-Angestellten in den öffentlichen Dienst zu werben. Im Einzelfall sei das schon geschehen. Witzel genügen die Vermittlungsanstrengungen jedoch noch nicht: „Dabei könnten viele verwandte Bereiche, beispielsweise die Finanzverwaltung, frühere WestLB-Banker gut einsetzen.“
Der Fall der WestLB und ihrer Nachfolge, der Portigon AG, zeigt: Banken-Restrukturierungen in Deutschland finden aus politischer Opportunität in der Form statt, dass der Staat den Namen der insolventen Firma ändert – und dann weitermacht wie bisher.
Bezahlt wird der Irrsinn vom Steuerzahler, weil tausende Mitarbeiter im Staatsdienst zu solch hohen Gehältern und Pensionsansprüchen gelangt sind, dass sie verrückt wären, diese aufzugeben. Selbst eine Abfindung von einer Viertelmillion Euro kann diesen Staatsbediensteten nur ein müdes Lächeln entlocken.
Allerdings macht das Land einige Anstrengungen, um das Nichtstun wenigstens so effizient als möglich zu gestalten. Bis 2016 soll die Zahl der Mitarbeiter auf unter 1.000 sinken.
Auch wenn der Name WestLB längst dem Vergessen anheimgefallen ist, wird der Steuerzahler immer noch zahlen. Jahr für Jahr, Milliarden für eine Bank ohne Geschäftsmodell.
Es könnte allerdings sein, dass wir schon früher von der guten alten WestLB hören werden. Erfreulich dürfte das nicht sein, denn es gibt da noch ein paar kleine Leichen im Keller der WestLB.
Darüber werden wir demnächst auf den Deutschen Wirtschafts Nachrichten berichten.