Politik

Geheim-Operation: Draghi erteilt Frankreich Lizenz zum Gelddrucken

Lesezeit: 3 min
14.04.2013 13:46
Frankreich hat von der EZB die Erlaubnis erhalten, über ein spezielles Anleihen Programm faktisch unbegrenzt Geld zu drucken. Das Geschäft läuft über Schattenbanken und ist eine Milliarden-Blase. Die EZB will verhindern, dass Deutschland sich in die Rettung Frankreichs einmischt.
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In Zypern herrscht helle Aufregung, weil die EZB die zypriotische Nationalbank entmachtet hat (hier). In Frankreich läuft es, unbemerkt von der Öffentlichkeit, genau anders rum: Die EZB hat Frankreich eine unbegrenzte Lizenz zum Gelddrucken erteilt.

Die Aktion soll verhindern, dass eine französische Bank kollabiert. Denn das dürfte schon einmal erst im allerletzten Augenblick verhindert worden sein.

Ende 2011 gab es eine gemeinsame konzertierte Aktion der mächtigsten Zentralbanken der Welt, darunter die FED, die BOE (Bank of England) und die EZB. Mit einem noch nie dagewesenen Volumen startete die EZB das Longer-term Refinancing Operations (LTRO) und stellte dem Bankensystem in den Euroländern etwa 500 Milliarden Euro zur Verfügung. Wenige Monate später wurden den Banken nochmals etwa die gleiche Summe zum „Anzapfen“ zur Verfügung gestellt.

Hintergrund war die Sorge, dass den Banken in der Euro-Zone, die den überwiegenden Teil der eigenen Staatsanleihen besitzen, bei einem Zusammenbruch eines Landes die Puste ausgeht und die gesamte Währungsunion ins Trudeln gerät. Dabei ging es auch um eine französische Bank, die kurz vor einem Kollaps stand. Es wurde nie bekannt, um welche Bank es sich konkret handelte.

Seit langem stehen die französischen Großbanken wie Société Générale, Crédit Agricole oder BNP Paribas im Fokus der Bondmärkte. Wie Bloomberg berichtete, musste allein die Crédit Agricole im vergangenen Jahr Vermögenswerte in Höhe von 3,5 Milliarden Euro verkaufen (hier).

Inzwischen ist bekannt, dass neben diesem beinahe unendlichen dreijährigen Liquiditätsstrom der LTRO den französischen Banken eine zweite, nahezu unerschöpfliche Finanzierungsquelle zur Verfügung steht, der sogenannte STEP-Markt.

Darunter ist ein quasi nicht regulierter Handelsmarkt zu verstehen, auf dem kurzläufige Unternehmens- und Bankanleihen platziert werden. Hier werden Schuldscheine im Volumen von etwa 440 Milliarden Euro gehandelt. Sprich: die französische Bankenwelt hat sich inzwischen äußerst kreativ weiterentwickelt und leistet sich über den STEP-Markt (Short Term European Papers) ein völlig neuartiges, wenn auch kurzfristiges, Kreditschöpfungsprogramm oder auch eine ganz spezifische Lizenz zum Gelddrucken.

Der Clou bei dem astreinen Schneeball-Geschäft:

1. Der STEP-Markt befindet sich außerhalb der Börse. Damit gibt es keinerlei Transparenz.

2. Der STEP-Markt ist beinahe ausschließlich auf den französischen Bankensektor ausgerichtet.

3. Französische Banken reichen STEP-Anleihen als Sicherheit bei der Banque de France (französische Nationalbank; Pendant zur Deutschen Bundesbank) ein.

4. Eine sogenannte „Euroclear“-Bank (als Schaltstelle bzw. Buchungszentrale zwischen Banque de France und französischen Banken) hinterlegt ebenfalls STEP-Papiere als „Sicherheit“ bei der EZB.

5. Die Banque de France (französische Nationalbank) wiederum reicht Ausfallrisiken der als Sicherheit hinterlegten STEP-Anleihen bei der EZB ein.

Dabei darf es sich selbstverständlich auch um minderwertigere Papiere handeln. Solange die französische Nationalbank schützend ihre Hand darüber hält, spielen solche Machenschaften eine untergeordnete Rolle. Denn offenbar werden auch Papiere mit der Note BBB angenommen und bei der EZB hinterlegt.

Draghis Stück aus dem Tollhaus

Die EZB wiederum, die in Zukunft die Kontrolle über sämtliche Euro-Banken erhalten soll, kann selbst keinerlei Daten über den STEP-Markt erheben und bekommt die Daten nur auf Umwegen über die französische Nationalbank (Banque de France). Wobei letztere wiederum auf Quellen Dritter angewiesen ist, die selbst Player am Markt sind.

Das bedeutet im Umkehrschluss: Es findet Geldschöpfung für französische Banken unter Schirmherrschaft der Banque de France ohne Kontrolle der EZB statt. Ein Stück aus dem Tollhaus.

Mit geschätzten 445 Milliarden Euro kontrollieren die französischen Banken über den STEP-Markt einen beträchtlichen Teil des Schattenmarkts für Zentralbankfinanzmittel.

Dabei sind die kurzfristigen Geldbeschaffungsmaßnahmen nicht ausschließlich auf französische Banken beschränkt. Die Banken im Euroraum handeln untereinander mit STEP-Papieren und können sie ebenfalls bei der EZB zur Liquiditätsschöpfung hinterlegen. Jenseits eines regulierten Markts ist dies eine der Möglichkeiten, an billige Kredite der EZB zu kommen.

Interessant in diesem Zusammenhang: Den oftmals heftig diskutierten Ankäufen von Staatsanleihen durch die EZB im bisherigen Umfang von etwa 200 Milliarden Euro –wofür sich die EZB bereits den Titel „Bad-Bank“ eingehandelt hat – türmen sich Kreditschulden der europäischen Banken bei der EZB in Höhe von etwa 1.300 Milliarden Euro.

Mario Draghi ist sich bewusst, dass diese Aktion nicht ganz koscher ist. Er sprach in der Vergangenheit davon, dass „mehr Transparenz“ nötig sei und dass man „die Sache (STEP-Markt) sehr ernst nehmen“ müsse. Dagegen unternommen hat er nichts.

Aus gutem Grund.

Die EZB hat Frankreich mit dem STEP-Programm eine Möglichkeit gegeben, die eigenen Banken zu stabilisieren, ohne dass Deutschland etwas dagegen unternehmen kann.

Das Programm soll offensichtlich dazu dienen, den Franzosen Zeit zu kaufen, bis es zur Banken-Union kommt. Diese war ursprünglich 2018 geplant, jetzt will die EU die Einführung auf 2015 vorziehen. Danach kann die Banken-Rettung in Europa künftig über die Sparer und Aktionäre erfolgen.

Bis es dazu kommt, entsteht in Frankreich unterhalb des Radars eine neue, gigantische Finanzblase. Deutschland muss ohnmächtig zusehen, wie das geschieht. Bundesbank-Chef Jens Weidmann darf Sonntagsreden halten - mehr nicht.

Die Aktion zeigt, dass die Süd-Fraktion in der EZB im Hintergrund bereits weitgehend die Kontrolle über die Gestaltung Europas übernommen hat.


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