Großbritannien und die Niederlande beschweren sich massiv über den zunehmenden Einfluss der EU-Institutionen. Für Angela Merkel gehen die Befugnisse der EU jedoch nicht weit genug. Sie fordert eine noch größere Aufgabe der nationalen Souveränität. „Wir scheinen nur gemeinsame Lösungen zu finden, wenn wir in den Abgrund starren“, so Angela Merkel bei einer Veranstaltung der Deutschen Bank am Montag. „Aber sobald der Druck nachlasse, würden sich die Länder wieder nur ihren eigenen Weg gehen wollen.“ „Wir müssen bereit sein, zu akzeptieren, dass Europa in einigen Bereichen das letzte Wort hat“, zitiert Reuters Merkel. Dies müsse geschehen, um das Vertrauen der internationalen Investoren zurückzugewinnen, soll Merkel laut Reuters gesagt haben. Andernfalls werde man nicht in der Lage sein, weiter ein gemeinsames Europa aufzubauen.
Merkel sagte:
„Wir müssen nicht immer die nationalen Praktiken aufgeben, aber wir müssen sie kompatibel machen. Im Moment herrscht Chaos. Wir müssen darauf vorbereitet sein, mit der Vergangenheit zu brechen, damit wir vorankommen. Ich bin bereit, das zu tun.“
Deutsche-Chef Anshu Jain war offenbar in anderen Weltgegenden unterwegs, denn er pries Merkel in den höchsten Tönen und sieht das Gegenteil von Chaos in Europa:
„Wenn ich heute durch Europa und die USA reise, dann erkennen sogar die skeptischsten Investoren an, dass die Euro-Zone nicht mehr länger von ernster Gefahr bedroht wird. Und das ist eine sehr gute Sache.“
Der polnische Premier Donald Tusk sieht die Lage nicht so entspannt. Er sagte, dass es „gefährlich“ sei, wenn andere europäische Länder das Gefühl hätten, Deutschland würde sein eigenes wirtschaftliches Modell dem ganzen Block aufdrängen.
Merkels Aussagen sind schwer einzuordnen, dürften jedoch vor allem den Zweck verfolgen, den Bond-Markt ruhig zu stellen.
Merkel weiß genau, dass die Entwicklung in Europa in eine andere Richtung läuft: Immer mehr Staaten wollen sich einem, wie sie meinen, deutschen Diktat entziehen - auch und erste recht, wenn es über Bande via Brüssel gespielt wird.
Es ist gut möglich, dass Merkel das Euro-Thema weiter so behandeln möchte, dass es auf eine Entscheidung hinausläuft, bei der Deutschland den Absprung aus dem Euro so schaffen kann, dass die anderen schuld sind (hier). Das Aufkommen der Anti-Euro-Partei AfD könnte Merkel dabei sehr nützlich sein. Einer aktuellen Handelsblatt-Umfrage zufolge sollen 19 Prozent der Deutschen bereit sein, die Anti-Euro-Partei zu wählen.