Seit der frühere NSA-Agent Edward Snowden enthüllt hat, dass der US-Geheimdienst Zugriff auf die Server der großen Internetunternehmen hat, speichern immer mehr Unternehmen ihre Daten in der Schweiz. Sie hoffen, dass die Geheimhaltung hier eher gesichert ist.
„Allein in den letzten drei Wochen ist unser Mail-Bereich um 30 Prozent gewachsen“, zitiert 20min Franz Grüter, den CEO des Datenzentrums Green.ch. Die Anfragen für Speichervolumen hätten sich im letzten Quartal verdoppelt.
Auch im Zürcher Rechenzentrum Artmotion spürt man die Nachfrage. Geschäftsführer Mateo Meier sagt: „Seit Eward Snowden die dubiosen Spionage-Praktiken publik gemacht hat, ist das Misstrauen gegenüber amerikanischen Servern groß.“ Und weil die USA dank eines Abkommens mit der EU auf dortige Server Zugriff haben, seien europäische Rechenzentren weniger gefragt.
Durch die Enthüllungen der Praktiken des US-Geheimdienstes NSA sind US-kontrollierte Cloud-Dienste wie Dropbox oder Office365 in Verruf geraten. Unternehmen aus der ganzen Welt verlagern ihre Daten daher in die Schweiz. Am meisten wächst die Nachfrage beim Rechenzentrum Artmotion jedoch in der Schweiz selbst. „Unternehmer wollen ihre Daten jetzt wieder im eigenen Land haben, wo die Gesetze klar und bekannt sind“, sagt Meier.
Doch die Sicherheit hat ihren Preis. Denn Schweizer Rechenzentren sind rund 25 Prozent teurer als in den USA oder in der EU. Der Preis ist in diesem Sektor allerdings zweitrangig. „Geld kann man ersetzen, Daten nicht“, so Meier. Das wüssten die Kunden.
Die politische Stabilität in der Schweiz, das technische Niveau und die Infrastruktur bieten ideale Rahmenbedingungen für die Datenlagerung. Doch Bruno Baeriswyl, Datenschutzbeauftragter des Kantons Zürich, warnt, es gebe keine hundertprozentige Sicherheit: „Auch ein Datacenter in der Schweiz bietet keine Sicherheit gegen die NSA.“ Im Gegensatz zu anderen Ländern braucht man in der Schweiz allerdings einen richterlichen Beschluss, um auf Server zugreifen zu können.
Doch auch der Schweizer Datenschutz ist in Gefahr. Denn das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement verfasste unter der Leitung der damaligen Vorsteherin Eveline Widmer-Schlumpf eine Gesetzesänderung, nach der mutmaßliche Straftäter über das Internet überwacht werden und Daten länger aufbewahrt werden können. Damit könnten Daten künftig auch hierzulande auf einen bloßen Verdacht hin eingesehen werden.
Den Schweizer Rechenzentren könnte dies den Wettbewerbsvorteil gegenüber USA und EU nehmen. Daher lehnen sie das Vorhaben ab. „Wird die Gesetzesänderung angenommen, werde ich auf jeden Fall das Referendum ergreifen“, sagt Franz Grüter von Green.ch. Das Parlament wird voraussichtlich im Herbst über die Gesetzesänderung bestimmen.
Die Menge gespeicherter Daten erhöht sich jährlich um 45 Prozent. Daher gebe es im Geschäft mit den Daten-Tresoren ein großes Zukunftspotential, so Economiesuisse. Der Wirtschaftsdachverband rechnet damit, dass der Bereich jährlich um 10 Prozent wachsen wird. So baut die Swisscom derzeit für circa 100 Millionen Franken ein neues Rechenzentrum in Bern-Wankdorf. Und auch Green.ch hat bereits Investitionen in Höhe von 120 Millionen Franken geplant.