Politik

Jeder zweite junge Franzose würde am liebsten auswandern

Die französische Bevölkerung verliert den Glauben an ihr Land und ihre Regierung. Zwei Drittel der Franzosen denken, ihr Land befindet sich im Niedergang. Besonders die jungen Franzosen sind desillusioniert: 50 Prozent von Ihnen würden ihr Land verlassen, wenn sie könnten.
12.05.2013 02:40
Lesezeit: 2 min

Die aktuelle Situation in Frankreich lässt die Unzufriedenheit unter der jungen Bevölkerung immer größer werden. Nur ein Drittel der jungen Franzosen hat noch Vertrauen in die Zukunft ihres Landes und knapp die Hälfte würde sofort auswandern, wenn sie die Möglichkeiten dazu hätten.

Ein Jahr nach Amtsantritt Francois Hollandes ist seine Beliebtheit auf dem Tiefpunkt. Korruptionsskandale, steigende Arbeitslosigkeit und die anhaltende Rezession zehren an den Nerven der französischen Bevölkerung und an der Regierung selbst. Hollande hat aus diesem Grund bereits eine massive Umbildung der Regierung in Erwägung gezogen (hier).

Wie stark sich die Entwicklung Frankreichs der vergangenen 15 Monate auf die Stimmung im Land ausgewirkt hat, zeigt eine aktuelle Umfrage. Nur 36 Prozent der jungen Franzosen haben noch Vertrauen in die Zukunft ihres Landes, wohingegen 75 Prozent an eine positive Zukunft für Deutschland glauben, zitiert LeFigaro.fr die Umfrage. Das geht sogar so weit, dass 50 Prozent der Befragten 18 bis 24-Jährigen und 51 Prozent der 25 bis 34-Jährigen angeben, dass sie ihre Heimat Frankreich verlassen würden, wenn sie könnten. Beschränkt man sich nicht nur auf die jüngeren Franzosen, sondern schaut auf alle für die Studie befragten Franzosen, gehen zudem 66 Prozent davon aus, dass sich ihr Land gerade im Niedergang befindet.

Den Unmut der jungen Franzosen über die aktuelle Politik des Landes brachte kürzlich eine junge 20-jährige Studentin zum Ausdruck. In einem offenen Brief an Francois Hollande schreibt Clara G., dass sie Hollande gerne mitteilen möchte, warum sie ihr Land verlassen will:

Weil ich nicht mein ganzes Leben lang arbeiten will, um Steuern zu bezahlen. Steuern, die nur dazu dienen, die 1,9 Billionen Milliarden Euro Schulden zu bezahlen, die Ihre Generation uns freundlicherweise vermacht hat. Wenn diese Kredite wenigstens dazu gedient hätten, Investitionen zu tätigen und für die Zukunft des Landes zu planen, wenn ich auch nur einen kleinen Nutzen davon hätte, wäre es für mich kein Problem bei der Rückzahlung dieser Schulden zu helfen.

„Meine Arbeit und meine Steuern“, so Clara G., würden „für die Rente Ihrer Generation herangezogen, um die Sie sich selbst nicht gekümmert haben“. Aber „was wird dann für mich übrig bleiben, um weiter zu leben und meine Kinder großzuziehen?“ Das Deprimierende sei vor allem, zu wissen, wie ihr Leben weitergehen würde, wenn sie in Frankreich bliebe. Als Absolvent werde sie ein „schönes, nutzloses“ Diplom haben und erst einmal sinnlose Praktika und Aushilfsjobs machen.

Und wenn ich durch ein Wunder eine Menge Geld verdienen würde, weiß ich bereits, dass ich nicht nur das Meiste davon in Form von Steuern abgeben müsste. Sondern ich würde auch die allgemeinen Vorwürfe meiner Landsleute und Ihre ganz persönliche Verachtung ertragen müssen.

Die Regierung sollte sich deshalb lieber weniger Sorgen über die die Gefahren von Einwanderung machen, so die Studentin, und stattdessen mehr über die Bedrohung der Jugend-Emigration.

Wo soll ich hingehen? Vielleicht nach Deutschland, ein Land, das Sie häufig verunglimpfen, aber das wie ein zuversichtliches Land aussieht. Oder vielleicht weiter, nach Kanada oder Australien. Oder in ein Entwicklungsland. Nach Afrika, warum nicht? (...) Ja, ich möchte in ein Land gehen, wo es Wachstum gibt, wo die Löhne steigen, wo Reichsein keine Todessünde ist. Um es kurz zu sagen, ein Land, in dem das Individuum und die Gesellschaft das Vertrauen haben, dass es morgen heller sein wird als heute.

Das Problem, dass die Menschen ihr Land verlassen, zeigt sich auch in Spanien und Griechenland, wo die Jugendarbeitslosigkeit teilweise bei über 60 Prozent liegt (hier). Der Zustrom nach Deutschland aus diesen Ländern hat sich innerhalb nur eines Jahres nahezu verdoppelt (mehr hier).

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Finanzen
Finanzen Immobilieninvestoren: Ist es sinnvoll, ein Aktienportfolio zu hebeln?
12.03.2025

Immobilieninvestoren nutzen häufig Fremdkapital, um die Rendite zu steigern. Macht der Einsatz eines Hebels auch bei Aktien Sinn?

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Batteriehersteller Northvolt pleite: Tausende Arbeitsplätze in Gefahr
12.03.2025

Der schwedische Batteriehersteller Northvolt hat Insolvenz angemeldet – mit unklaren Folgen für sein Milliardenprojekt in...

DWN
Immobilien
Immobilien SOS Energetische Sanierung: Bei Wohnimmobilien geht zu viel Energie verloren
12.03.2025

Es gibt einen massiven Sanierungsbedarf im deutschen Wohnmarkt: Der „Sanierungsstau“ wird durch die stark gestiegenen Baukosten und dem...

DWN
Politik
Politik Feuerpause Ukraine: Moskau am Zug
12.03.2025

Die Ukraine stimmt einer Waffenruhe zu – unter Druck der USA. Präsident Trump will mit Putin verhandeln, doch Moskau schweigt. Während...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Porsche: Gewinn bricht um 30 Prozent ein
12.03.2025

Porsche steckt in der Krise: Der Gewinn bricht um über 30 Prozent ein, die Auslieferungen sinken, und die Profitabilität leidet....

DWN
Politik
Politik US-Zölle: EU kündigt Gegenzölle an
12.03.2025

Die USA erheben neue Zölle auf Stahl und Aluminium – die EU schlägt zurück. Brüssel plant milliardenschwere Gegenzölle auf...

DWN
Politik
Politik Der Papst ist krank - wie geht es weiter?
12.03.2025

An diesem Donnerstag ist Papst Franziskus genau zwölf Jahre im Amt. Derzeit liegt er im Krankenhaus. Sein Zustand hat sich zuletzt...

DWN
Politik
Politik Trumps Wunschinsel Grönland vor Regierungswechsel
12.03.2025

In Grönland möchte kaum jemand, dass die Insel ein US-Territorium wird, auch die allermeisten Politiker nicht. Dafür wird die Wahlsieger...