Deutschland

Falsche Statistiken der Regierung führen zu höheren Steuern

Die Bundesregierung liefert am laufenden Band falsche Wirtschafts-Prognosen. Dadurch können Steuersenkungen verhindert werden - die vor allem den kleinen und mittleren Einkommen zugute kämen. Der Finanzminister hat also ein vitales Interesse daran, dass die Lage schlechter dargestellt wird, als sie tatsächlich ist.
29.10.2013 01:17
Lesezeit: 3 min

Die Steuereinnahmen sprudeln. Die Zahl der Beschäftigung ist so hoch wie niemals zuvor. Dies spreche für ein Wirtschafts-Wachstum in diesem Jahr von 2,5 Prozent, sagt der Chef von Kiel Economics. Die negativen Prognosen seiner Kollegen beruhten auf den unzuverlässigen Daten des Statistischen Bundesamtes.

Die Bundesregierung, die EU-Kommission, die OECD, der IWF, der Sachverständigenrat, die Bundesbank und alle großen Wirtschafts-Institute erwarten für Deutschland 2013 ein Wirtschaftswachstum um 0,5 Prozent. Doch Carsten-Patrick Meier, Geschäftsführer und Inhaber von Kiel Economics, hält diese Prognosen für zu negativ. Die deutsche Wirtschaft werde unterschätzt.

„Ich erwarte für dieses Jahr eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um circa 2,5 Prozent“, sagte Meier den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Er wisse, dass seine Position „extrem“ ist. Der Optimismus des Ökonomen beruht auf der Feststellung, dass einige Wirtschafts-Indikatoren des Statistischen Bundesamtes die Realität nicht korrekt widerspiegeln.

„Das veröffentlichte BIP ist nur eine Schätzung, die immer wieder revidiert wird“, sagt Meier. So beruhten etwa die Daten zur Produktion im Dienstleistungsbereich und bei den kleineren Betrieben in den ersten 18 Monaten auf groben Schätzung.

Eine Ausnahme bildeten die Steuerdaten und die Arbeitsmarkt-Daten. Auf die könne man sich verlassen, die müssten kaum revidiert werden, so Meier. Und bei diesen beiden Indikatoren gebe es – anders als bei den relativ unsicheren Indikatoren – einen „Boom“.

Die Zahl der Erwerbstätigen liegt derzeit saisonbereinigt bei 41,8 Millionen, berichtet Destatis. Noch nie war die Beschäftigung in Deutschland so hoch wie heute. Die Erwerbslosenquote liegt bei nur 5 Prozent. Allerdings sind viele Beschäftigte im Niedriglohn-Segment beschäftigt.

Das stört den Staat nicht weiter: Er holt sich seine Steuern einfach bei denen, die auch nur gering über den Mindestsätzen liegen. Im Fachjargon spricht Schäuble dann von der kalten Progression - deren Abschaffung immer wieder versprochen wird. Abgeschafft ist sie immer noch nicht - obwohl damit Millionen Deutschen mehr Geld zum Leben bliebe.

Die Steuereinnahmen sprudeln. Von Januar bis September haben Bund, Länder, Gemeinden und EU den Deutschen 416 Milliarden Euro Steuern abgenommen. Das sind 3,2 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, berichtet Wolfgang Schäuble.

Der Boom bei den Einnahmen des Staates hat offenbar mit der hohen Beschäftigung zu tun. Denn diese geht mit höheren Einnahmen aus der Lohnsteuer und den Sozialabgaben einher. Doch Meier belegt, dass der Staat auch bei den anderen Steuern viel mehr einnimmt.

„Dies zeigt sich, wenn man aus den gesamten Steuereinnahmen die Einnahmen aus der Lohnsteuer heraus rechnet und diese übrigen Steuereinnahmen in Relation zum derzeit ausgewiesenen Bruttoinlandsprodukt setzt. Die so gebildete Quote war 2012 auf dem höchsten Stand seit 1980, was eine Unterschätzung des Produktionsniveaus nahe legen könnte.“

Neben diesen „harten“ Daten sprechen auch die Stimmungsindikatoren für ein stärkeres Wachstum. Der ifo-Geschäftsklima-Index, die DIHK-Umfrage, die Allensbach-Umfrage und der GfK-Index zum Konsumklima befinden sich zwar nicht mehr auf den im Jahr 2011 erreichten Höchstständen. Doch sie liegen im langjährigen Vergleich immer noch hoch. Keinesfalls zeigen sie eine Stagnation oder gar Rezession an.

In den vergangenen Jahren sei das Wachstum in Deutschland vom Export getrieben worden. Doch jetzt komme es vor allem aus dem Inland, so der Ökonom. Während die Daten über Exporte und Importe relativ zeitnah vorliegen, sind die Daten zur Binnennachfrage weniger leicht verfügbar.

Nach Meiers Ansicht wird die Auswertung der Umsatzsteuer-Statistiken ergeben, dass die Leistungen kleinerer, binnenmarkt-orientierter Firmen höher liegen, als heute von vielen angenommen wird. Vor allem in der boomenden Bauwirtschaft seien viele kleinere Firmen tätig.

Ob der Konjunktur-Forscher mit seiner optimistischen Einschätzung Recht hat, wird sich erst in knapp zwei Jahren zeigen. Denn die erste umfassende Berechnung des BIP für 2013, in die auch die Umsatzsteuer-Statistik eingeht, wird erst im August 2015 vorgelegt. Doch die bisherigen BIP-Schätzungen des Ökonomen waren stets recht präzise.

Die Aussagekraft des BIP über den Zustand der Wirtschaft ist unter Ökonomen umstritten. Einerseits wird er entscheidender Indikator für die Leistungskraft eines Staates angesehen, der als Grundlage etwa bei der Berechnung der Schuldenquote oder der Produktivität dient.

Andererseits wird darauf hingewiesen, dass das BIP kein guter Indikator für den Wohlstand eines Staates ist. Wenn etwa in Brüssel ein EU-Palast für 350 Millionen Euro gebaut wird (mehr hier), dann fließen die Kosten ins BIP ein, selbst dann wenn niemand einen solchen Palast braucht.

Wenn das BIP in diesem Jahr tatsächlich um 2,5 Prozent wächst, dann hat dies Konsequenzen für Wolfgang Schäuble. Nach der Wirtschaftslehre von John Maynard Keynes müsste der deutsche Finanzminister das Schuldenmachen beenden und die Rekord-Steuereinnahmen in der Wachstumsphase zum Abbau der Staatsschulden nutzen. Doch die Finanzminister halten sich meist nur an den Teil der keynesianschen Lehre, der das massive Schuldenmachen in Zeiten der Rezession rechtfertigen soll.

Schäubles gewaltige Steuereinnahmen werden voraussichtlich nicht für einen Abbau der deutschen Staatsschulden genutzt werden. Das Geld wird zur Euro-Rettung gebraucht. Das Schuldenmachen in Berlin wird weitergehen.

Auch wenn die Deutschen noch so hart arbeiten: Das Geld kommt nicht ihnen zugute.

Es wird für eine Ideologie gebraucht.

Und das noch ziemlich lange.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Russland verstärkt Angriffe auf Ukraine vor Treffen zu Waffenruhe
21.03.2025

In der kommenden Woche sind in Saudi-Arabien Gespräche über eine mögliche Waffenruhe zwischen Russland und der Ukraine geplant. Doch in...

DWN
Politik
Politik Bundesrat-Abstimmung: Heute entscheiden die Länder über das Schuldenpaket – was passiert als Nächstes?
21.03.2025

Kommt jetzt eine gigantische Schuldenaufnahme? So einfach ist es nicht, auch wenn die Zustimmung im Bundesrat als wahrscheinlich gilt.

DWN
Finanzen
Finanzen Fuchs-Aktie unter Druck: Wachstum trotz starker Zahlen zu wenig für Anleger
21.03.2025

Die Fuchs-Aktie ist am Freitagvormittag unter Druck geraten, obwohl der Schmierstoffhersteller Fuchs SE mit starken Zahlen und einer...

DWN
Politik
Politik Zu teuer oder längst überfällig? Debatte um Ausweitung der Mütterrente hält an
21.03.2025

Die geplante Ausweitung der Mütterrente sorgt weiterhin für Diskussionen. Während Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Autoexporte 2024: USA wichtigster Absatzmarkt - jeder dritte Porsche ging nach Übersee
21.03.2025

Trotz der aktuellen Krise hat die deutsche Autoindustrie im Jahr 2024 mehr Neuwagen exportiert. Besonders bemerkenswert: Die USA sind der...

DWN
Finanzen
Finanzen Spar- und Investitionsunion (SIU): Enteignung durch die EU oder Chance für europäische Sparer?
21.03.2025

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ein neues Projekt angekündigt: die Spar- und Investitionsunion (SIU). Ziel sei es,...

DWN
Immobilien
Immobilien Comeback des Büros: Vom Homeoffice zurück in die Firma?
20.03.2025

Seit der Corona-Pandemie hat sich das Homeoffice in vielen deutschen Unternehmen etabliert. Seit 2023 setzen viele Firmen auf ein hybrides...

DWN
Politik
Politik Whiskey, Harley & Co gerettet? EU verschiebt Zölle auf US-Waren
20.03.2025

Die USA haben neue Zölle eingeführt, die auch Deutschland und die EU belasten. Die Europäische Kommission plante zunächst eine schnelle...