Politik

Schweiz: Zuwanderung steigt stärker als erwartet

Lesezeit: 2 min
13.12.2013 00:57
Im laufenden Jahr ist die Zuwanderung wieder gestiegen. Am 9. Februar 2014 wird über die Initiative „Gegen Einwanderung“ in der Schweiz entschieden. Die neuen Zahlen könnten der Initiative Rückenwind verleihen. Das Problem: Ohne die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte hat die Schweiz keine Chance.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Entgegen der Behauptung der Wirtschaftsverbände hat sich die Zuwanderung in die Schweiz im laufenden Jahr beschleunigt. Dem monatlichen Zuwanderungsmonitor des Bundesamts für Migration (BFM) zufolge sind fast jeden Monat mehr Menschen in die Schweiz eingewandert als in 2012.

In den ersten neun Monaten dieses Jahres sind knapp 60.000 Menschen mehr eingewandert als noch im Jahr zuvor. Das entspricht einem Zuwachs von 13,6 Prozent. Die meisten kommen aus EU-Staaten (45.778 Personen). Für das gesamte Jahr rechnet das BFM mit 80.000 Zuwanderern. Das sind rund 10 Prozent mehr als im Vorjahr (73.300).

Auf Nachfrage der Schweiz am Sonntag veröffentlichte das BFM die Nationalitäten der Einwanderer in die Schweiz: „Die grösste Gruppe sind die Portugiesen, gefolgt von den Deutschen“. In den vergangenen drei Jahren erhielten aber auch 731 Personen aus den neuen EU-Staaten Rumänien und Bulgarien Einreisebewilligungen, obwohl die volle Personenfreizügigkeit in diesen Ländern noch nicht gilt.

Am neunten Februar 2014 wird die Volksabstimmung „Gegen Masseneinwanderung“ abgehalten. Dann können die Schweizer bestimmen, ob die Zuwanderung in Zukunft begrenzt wird. Wird die Initiative angenommen, werden jährliche Höchstzahlen bestimmt, die nicht überschritten werden dürfen.

Vor der Abstimmung werden neue Einwanderungszahlen veröffentlicht. Werden diese wieder ansteigen, kann das den Befürwortern der Initiative mehr Zustimmung verschaffen.

Der Bundesrat selbst empfiehlt die Ablehnung der Initiative. Die gegenwärtige Zuwanderungspolitik der Schweiz, die auf dem freien Personenverkehr und einem beschränkten Zugang aus Drittstaaten basiert, habe sich „bewährt“, heißt es in einer Mitteilung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Sie trage „in hohem Masse zum Wohlstand der Schweiz bei“, denn die Schweizer Industrie, das Bau- und das Gesundheitswesen, Lehre und Forschung, die Gastronomie oder die Landwirtschaft „sind auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Ausland angewiesen“.

Die Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände sehen das ähnlich. „Es gibt keine Masseneinwanderung“, sagte Valentin Vogt, Präsident des Arbeitgeberverbands. Der Wanderungssaldo habe 2012 „nur noch 45.200“ Personen betragen, sagte Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer vergangene Woche in der „Schweiz am Sonntag“.

Der Wirtschaftsverband operiere „bewusst mit niedrigeren Zahlen“, so das Magazin. Economiesuisse lehnt die Initiative in einem Dossier ab, denn sie „zerstört den bilateralen Weg“, auf den die Schweiz angewiesen sei. 2002 traten die Bilateralen Verträge I in Kraft und damit auch die Personenfrei­zügigkeit. Dieses Abkommen habe die Einwanderung in die Schweiz qualitativ po­sitiv beeinflusst:

„Die neuen Zuwanderer kommen mehrheitlich aus Westeuropa, und von diesen bringen 86 Prozent mindestens eine abgeschlossene Berufsaus-bildung oder Matura mit, 53 Prozent sogar einen Hochschulabschluss. Sie ste­hen den Schweizerinnen und Schweizern auch kulturell näher als frühere Migrantinnen und Migranten: Weil sehr viele bereits eine der Schweizer Lan­dessprachen beherrschen, fällt ihnen und ihren Familien die Integration deut­lich leichter.“

Wenn man in den Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) nachschaut, dann stellt man fest, dass die Einwanderung niedriger ausfällt, als beim Bundesamt für Migration (BFM). Personen, die nicht zur ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz zählen, weil sie eine Aufenthaltsdauer von 12 Monaten nicht überschreiten, werden außen vor gelassen. Asylbewerbe und Personen, deren Aufenthaltsstatus unklar ist, fallen raus.

Unabhängig davon, welche Zahlen man in Betracht zieht, kann man die Einwanderung in die Schweiz relativieren: „Der Platz ist kein Problem. In New York leben ziemlich genau gleich viele Menschen wie in der Schweiz auf nicht einmal einem Viertel unserer Siedlungsfläche“, sagte Arbeitsmarktchef Boris Zürcher. Auch von einem Lohndruck sei nichts zu spüren: „Die Löhne am unteren Rand sind fast genauso schnell gewachsen wie im oberen Segment.“

Befürworter der Initiative befürchten, dass durch unkontrollierte Zuwanderung in die Sozialsysteme der Schweiz belastet werden. Die Regierung versicherte indes, arbeitslose EU-Bürger dürften nicht einreisen. Nur, wer einen gültigen Arbeitsvertrag vorweise, dem werde die Einreise erlaubt. Allerdings haben sich 2012 über 4.000 Stellensuchende mit einer befristeten Bewilligung in der Schweiz aufgehalten.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Finanzen
Finanzen Größere Summe anlegen: Wie investiert man 100.000 Euro in Aktien?
15.09.2024

Trotz der Bedeutung von Aktien für den langfristigen Vermögensaufbau investieren die meisten Deutschen immer noch nicht in Einzelaktien...

DWN
Panorama
Panorama Virtuelle Wiesn: Ohne Bier, aber mit Karussell-Gefühl - mehr als ein Spiel
15.09.2024

Am 21. September startet in München wieder das Oktoberfest. Viele möchten gern dorthin, können es aber nicht schaffen. Für diese...

DWN
Politik
Politik Fahrlässige Sicherheitspolitik? Aufrüstung der Bundeswehr laut Experten viel zu langsam
15.09.2024

Die Bestände der Bundeswehr sind bis 2021 stetig gesunken und steigen seitdem nur sehr langsam. Deutschland steht vor großen...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Weniger Verkäufe, zu wenig Innovation: Demontiert sich Deutschlands Automobilbranche selbst?
15.09.2024

Werksschließungen, Stellenabbau und die Angst vor China: Deutschlands Autobauer scheinen in der Krise zu stecken. Doch warum hat die einst...

DWN
Immobilien
Immobilien Mehr Druck auf den Büromarkt: Firmen reduzieren Flächen wegen Homeoffice
15.09.2024

Keine Entlastung für den ohnehin schon sehr angespannten Büroimmobilienmarkt: Unternehmen verkleinern ihre Büroflächen aufgrund des...

DWN
Politik
Politik OECD: Deutschland überzeugt bei Investitionen in frühkindliche Bildung
15.09.2024

Jährlich vergleicht eine OECD-Studie die Bildungssysteme der Industriestaaten. Deutschland ist bei frühkindlicher Bildlung vorne mit...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Vier-Tage-Woche: Revolution der Arbeitszeit oder Risiko für die Wirtschaft?
15.09.2024

Im zweiten Quartal dieses Jahres erlaubten 11 % der deutschen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern kürzere (Vier-Tage-)Arbeitszeiten, so eine...

DWN
Politik
Politik Bundestag berät über Haushaltspläne: Steuerzahlerbund zerreißt Finanzplanung
14.09.2024

Trotz wachsender Staatsverschuldung plant die Ampel-Koalition milliardenschwere Mehrausgaben. Der Steuerzahlerbund warnt vor fehlenden...