Wirtschaft

Einer der einflussreichsten Manager Europas warnt: „China ist gefährlicher als Trump“

China ist längst mehr als nur Werkbank – es ist der größte Stresstest für Europas Wirtschaft. Ex-Mærsk-Chef Nils Smedegaard Andersen warnt: Wer sich nur über Trump empört, verkennt die eigentliche Bedrohung.
29.05.2025 06:11
Lesezeit: 3 min
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Einer der einflussreichsten Manager Europas warnt: „China ist gefährlicher als Trump“
China könnte weitaus schneller und weitaus gefährlicher werden, als Trump es jemals sein wollte. (Foto: dpa) Foto: Andy Wong

Nicht Trump, gefährlicher ist China

Nils Smedegaard Andersen zählt zu den Schwergewichten der europäischen Wirtschaft. Der ehemalige CEO von Carlsberg und Mærsk steht heute dem Aufsichtsrat des niederländischen Chip-Maschinenbauers ASML vor – Europas fünftwertvollstem Unternehmen. Doch wenn das Gespräch auf Donald Trump kommt, winkt Andersen ab. Nicht aus Angst. Sondern weil es Wichtigeres gibt. „Trump macht das Geschäft schwieriger, keine Frage. Aber man darf nicht in Panik verfallen“, sagt Andersen. Für ihn sind es nicht die impulsiven Zolleskapaden des US-Präsidenten, die langfristig zählen, sondern die tektonischen Verschiebungen in der Weltwirtschaft, die Trumps Politik lediglich offenlegt.

Vor allem ein Akteur bereitet ihm Sorge: China.

In nur zwei Jahrzehnten ist China von einem Billigproduktionsstandort zu einem globalen Industrie- und Exportgiganten aufgestiegen. Doch anstelle eines fairen Wettbewerbs erlebt der Westen auf seinen Heimatmärkten zunehmenden Druck durch chinesische Unternehmen – gestützt durch Staatsbanken und massive Subventionen. „China hat sich von einer harmlosen Outsourcing-Gelegenheit zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten entwickelt – unter unfairen Bedingungen“, so Andersen. Der Markt sei für ausländische Firmen weitgehend verschlossen, während Peking ungehindert die Freihandelsstrukturen ausnutze.

Staatswirtschaft mit globalem Machtanspruch

Die chinesische Regierung verfolge einen strategischen Plan: Schlüsselindustrien – etwa Solar, Windkraft und Elektromobilität – gezielt zu dominieren. Europäische Produzenten werden dadurch massiv unter Druck gesetzt. Hinzu kommt die zunehmende Monopolisierung kritischer Rohstoffe wie seltener Erden – ein Thema, das Andersen als „unangenehm und bedrohlich“ beschreibt.

„Die zentrale Frage lautet: Wie weit kann eine staatskapitalistische Wirtschaft in die Weltwirtschaft integriert werden, ohne die Regeln des offenen Marktes zu gefährden?“, fragt Andersen. Dass Trump dies thematisiert – wenn auch populistisch – sei Ausdruck eines realen Problems.

Handelskrieg: Folgen ja, aber keine Panik

ASML selbst ist nur indirekt betroffen. Das Unternehmen liefert Hochtechnologie an die globale Chipindustrie, die von US-Sanktionen teilweise ausgenommen ist. Doch auch ASML darf seine modernsten Maschinen aufgrund amerikanischer Exportbeschränkungen nicht mehr nach China liefern – eine Folge von Maßnahmen unter Joe Biden, der Trumps restriktive Linie fortgesetzt und verschärft hat.

In anderen Branchen sind die Auswirkungen gravierender. Mærsk-CEO Vincent Clerc meldete jüngst einen Rückgang des Containerverkehrs zwischen China und den USA um 30–40 Prozent. Zwar wurde zuletzt ein Teil der Strafzölle gelockert, doch die Unsicherheit bleibt. „Es mag Insolvenzen geben. Ja, das kann kurzfristig Wohlstand kosten“, sagt Andersen. Aber er warnt davor, die Debatte um die Handelszölle zu überhöhen: „Viele der Probleme sind lösbar.“

Versorgungsketten lassen sich nicht verlagern – und auch nicht politisch steuern

Wer glaube, man könne globale Lieferketten per Dekret verlagern, verkenne die Realität, so Andersen. „Es ist wie Wasser den Berg hinaufzuschieben – sobald man loslässt, fließt es wieder nach unten.“ Der Aufbau funktionierender Liefernetzwerke dauere Jahre. Niemand ersetze 30 europäische Zulieferer über Nacht durch 30 neue in den USA.

Ein massiver Rückzug aus China sei daher unwahrscheinlich – zu teuer, zu komplex. Und auch Trumps Strategie, Zölle als Verhandlungsdruck zu nutzen, werde langfristig nicht zu grundsätzlichen Veränderungen führen.

Der Westen muss China gemeinsam entgegentreten

Andersen warnt vor der Illusion, Europa könne im Alleingang Regeln gegen Chinas Industriestrategie aufstellen. „Die Bedrohung unserer Schlüsselindustrien durch chinesische Überkapazitäten betrifft uns genauso wie die USA.“

Eine koordinierte Antwort sei nötig. Subventionen wie in China hält Andersen nur in Ausnahmefällen für sinnvoll. Vielmehr müsse Europa seinen Unternehmen bessere Rahmenbedingungen bieten – etwa durch weniger Bürokratie und mehr Innovationsförderung.

China ist nicht mehr nur Markt – es ist Herausforderung

Andersen betont: China bleibt ein wichtiges Markt- und Technologieland. Aber die geopolitische Realität hat sich verändert. „Früher war China der große Absatzmarkt und die verlängerte Werkbank. Heute ist es genauso eine Bedrohung wie eine Chance.“

Deshalb sei es auch schwer, als Unternehmenschef heute große Investitionen in China zu rechtfertigen. „Die Lage ist angespannt. Und es ist schwer, diesen Schritt noch öffentlich zu verkaufen.“

Strategiewechsel überfällig – Europa darf sich nicht naiv zeigen

Der Wandel in der Wahrnehmung ist deutlich: China wird nicht mehr nur als Partner gesehen, sondern zunehmend als systemischer Rivale. Wer in Europa noch an die alten Gewissheiten glaubt, sei laut Andersen auf dem Holzweg. „Ich hoffe, dass wir weiterhin mit China handeln können. Aber wir brauchen neue Spielregeln – und wir brauchen sie gemeinsam mit den USA.“

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