Finanzen

Weidmann warnt Tarifpartner: Inflations-Gefahr bei 5 Prozent Lohnerhöhung

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat die Tarifpartner vor zu hohen Lohnabschlüssen gewarnt. Solche Abschlüsse würden nicht dazu beitragen, das Ungleichgewicht in der Euro-Zone abzubauen. Sie wären ein Strohfeuer, das die Inflation anfacht. Die EZB müsste dann mit höheren Zinsen gegensteuern.
30.01.2013 19:48
Lesezeit: 2 min

Vor dem Verband der Automobil-Hersteller (VDA) befasste sich Bundesbank-Präsident Jens Weidmann mit der Frage, ob die Euro-Zone die von ihr mit großem Pomp beschlossenen Maßnahmen auch tatsächlich lebt. Einer zu üppigen Lohnrunden bei den kommenden Tarifverhandlungen hat Weidmann nichts abgewinnen. Die Arbeiter werden also nicht in den Genuss der Auswirkungen der Geldschwemme der EZB kommen. Denn ihre Wertschöpfung findet im realen Leben statt. Die Finanzindustrie hat den Vorteil, im Nirwana zu operieren. Die Boni, die die Banker bekommen, werden von den Manager-Frauen auch nicht gleich in den Supermarkt getragen, wo sie die Preise in die Höhe treiben. Luxus-Gegenstände oder Vermögensanlagen sind in keinem Warenkorb der Statistik-Behörde zu finden.

Aus der Rede Weidmanns im Wortlaut:

"Als Reaktion auf die Krise wurden unter anderem Änderungen am Stabilitäts- und Wachstumspakt, der Fiskalpakt und der dauerhafte Rettungsschirm ESM verabschiedet. So soll die Haushaltsdisziplin zusätzlich gestärkt und akute Gefahren für die Finanzstabilität der gesamten Währungsunion sollen wirksamer bekämpft werden. Diese Neuerungen sind richtige, wenn auch nicht ausreichende Schritte, um die Währungsunion als Stabilitätsunion zu erhalten.

Es muss sich nun aber zeigen, ob die neuen Regeln auch gelebt werden. Weicht man die Regeln gleich bei der ersten Anwendung auf, beschädigt dies am Ende Solidität und Solidarität in der Währungsunion gleichermaßen.

Derzeit sehen wir ein Patt: Eine umfassende explizite Gemeinschaftshaftung steht vorerst nicht mehr auf der Agenda, allerdings haben die – hoffentlich nur vorübergehenden – vergemeinschafteten Risiken aus den Finanzhilfen und den Sondermaßnahmen der Notenbanken beträchtliche Höhen erreicht. Bleiben diese Risiken bestehen oder steigen sie sogar noch weiter, könnten sie im gegenwärtigen Rahmen der Währungsunion die Stabilitätskultur aber in ähnlicher Weise aushöhlen wie bei einer expliziten Gemeinschaftshaftung.

In gewisser Weise ist auch die Diskussion um die gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Währungsunion davon geprägt, wie viel Gewicht auf eine gleichmäßigere Verteilung der Anpassungslasten im Unterschied zu letztlich wettbewerbsfähigeren, solider aufgestellten Volkswirtschaften gelegt wird.

Häufig wird gefordert, dass Deutschland als Land mit einem hohen Leistungsbilanzüberschuss durch überproportionale Lohnsteigerungen einen größeren Beitrag zum Abbau der Leistungsbilanzungleichgewichte im Euro-Raum leisten soll. So soll sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft künstlich verringern und damit die relative Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer erhöhen. Im Ergebnis würde also ein Teil der Anpassungslasten von den Krisenländern zu Ländern wie Deutschland umverteilt.

Kürzlich wurde vorgeschlagen, in der kommenden Tarifrunde die Löhne durchschnittlich um 5 % anzuheben. Davon sollen zwei Prozentpunkte dem Euro-Raum zu Gute kommen. Wir haben diesen Vorschlag mit unseren Modellen durchgerechnet: Die Reaktion auf das BIP der Krisenländer wäre nahezu gleich null. Deutschland hingegen würde dadurch ärmer: Je nach Berechnungsverfahren wäre die Beschäftigung langfristig um 1 % und das BIP um ¾ % niedriger. Es gäbe zwar ein Strohfeuer bei Einkommen und Konsum, aber die Unternehmen würden auch weniger investieren und zudem Beschäftigte entlassen. Außerdem stiege die Inflation, so dass eine stabilitätsorientierte Geldpolitik gegensteuern müsste, was das BIP zusätzlich dämpfen würde.

Letztlich trüge die gesamte Währungsunion den Schaden davon, denn relativ wettbewerbsfähiger würden die Krisenländer primär im Verhältnis zu Deutschland, nicht aber gegenüber Ländern außerhalb der Währungsunion.

Die EWU ist eben keine Insel, sondern Teil einer überaus dynamischen Weltwirtschaft. Um dort zu bestehen und Wohlstand zu sichern, das zeigen das Beispiel Deutschlands und seiner Industrie, kommen die EWU insgesamt und die Krisenländer allen voran nicht daran vorbei, ihre eigentlichen, tiefer liegenden Probleme zu beseitigen."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Pharmazeutische Abwanderung: Wie Europa seine Innovationskraft verloren hat – und sie zurückgewinnen kann
25.04.2025

Europas einst führende Rolle in der Pharmaforschung schwindet – während andere Regionen aufholen, drohen Abhängigkeit und...

DWN
Politik
Politik Trump deutet historischen Kompromiss an: Russland will Ukraine nicht vollständig besetzen
25.04.2025

Moskau signalisiert Rückzugsbereitschaft – wenn der Westen zentrale Forderungen erfüllt.

DWN
Finanzen
Finanzen Sozialleistungen belasten Haushalt: Staatsquote steigt erneut
25.04.2025

Höhere Ausgaben des Staates für Sozialleistungen wie Renten, Pflege- und Bürgergeld haben den Anteil der Staatsausgaben im Verhältnis...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Hat Trump mit seiner Einschätzung des deutschen Überschusses recht?
25.04.2025

Trumps Zollpolitik trifft auf deutsche Überschüsse – doch die wahren Ursachen für das Handelsungleichgewicht liegen tiefer.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Crash-Gefahr an den US-Börsen: Fondsmanager warnt vor historischem Einbruch von bis zu 50 Prozent
25.04.2025

Die Unsicherheit an den globalen Finanzmärkten nimmt spürbar zu. Ein renommierter Fondsmanager schlägt nun Alarm: Der US-Aktienmarkt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lyft attackiert Uber: Neuer Mobilitäts-Gigant übernimmt FreeNow und greift Europa an
25.04.2025

Der Mobilitätskampf in Europa geht in eine neue Runde – und diesmal kommt die Herausforderung von der anderen Seite des Atlantiks: Lyft,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Der offene Konflikt zwischen Big Tech und der EU eskaliert
24.04.2025

Meta hat den diplomatischen Kurs verlassen und mit scharfen Vorwürfen auf die jüngsten Strafen der EU-Kommission reagiert. Der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lego rüstet auf: Wie der Spielzeugriese mit Industrie 4.0 zum globalen Produktionsvorbild werden will
24.04.2025

Mit KI, Robotik und strategischer Fertigung wird Lego zum heimlichen Vorbild europäischer Industrie – und setzt neue Standards in...