Politik

Brüssel entscheidet über Zulassung für riskanten Gen-Mais von Monsanto

Die EU-Kommission will eine umstrittene genmanipulierte Mais-Sorte für den Import in die EU zulassen. Doch SmartStax, so der Name der Pflanze, wurde nie einer korrekten Risiko-Untersuchung unterzogen. Hersteller Monsanto setzt trotz gegenteiliger Behauptungen alles daran, den europäischen Markt für seine Gen-Produkte zu öffnen.
11.06.2013 01:02
Lesezeit: 2 min

Die EU-Kommission und die Repräsentanten der EU-Mitgliedsländer berieten am Montag über die Zulassung von SmartStax, einem gentechnisch veränderten Mais für Futter- und Lebensmittel. Bei einer Abstimmung darüber fand sich weder eine ausreichende Mehrheit für noch gegen die Erlaubnis, den Genmais zur Verarbeitung in Lebens- und Futtermitteln in die Europäische Union zu importieren. Kommt bei einem weiteren Votum in einigen Wochen ebenfalls keine qualifizierte Mehrheit gegen die Einführung des Saatgutes zustande, wird die Kommission selbständig eine Zulassung beschließen.

Der gentechnisch veränderte Mais SmartStax der Firmen Monsanto und Dow AgroSciences produziert sechs verschiedene Insektengifte. Einer der sechs Giftstoffe ist künstlich aus verschiedenen Insektengiften synthetisiert. In der Natur finden sich keine entsprechenden Varianten des Gifts. Außerdem ist das Saatgut gegen zwei Unkrautvernichtungsmittel resistent. Um diese Eigenschaften zu entwickeln wurden insgesamt vier andere genmanipulierte Mais-Sorten miteinander gekreuzt. SmartStax ist das Ergebnis dieser Kreuzungen. Christop Then von der Gentechnik-kritischen Organisation TestBiotech bezeichnet die Pflanze deshalb ironisch als „Krone der Schöpfung“. Die ständige Steigerung der Giftstoff-Intensität bei genveränderten Organismen (GVOs) sei nichts anderes als ein „Wettrüsten auf den Äckern“.

Im Jahr 2010 hatte die zuständige Europäische Lebensmittelbehörde EFSA ein positives Urteil für die Marktzulassung von SmartStax gegeben. Die damalige Risikobewertung sei jedoch mangelhaft gewesen und stützte sich in erster Linie auf die Dossiers des Herstellers Monsanto, so Then. Diese genügten nicht den üblichen wissenschaftlichen Standards. Auch wurden keine Untersuchungen über mögliche Kombinationswirkungen der Insektengifte mit den Rückständen der Unkrautvernichtungsmittel durchgeführt.

In der Folge wurde der Mais zwar nicht zugelassen. Testbiotech machte im Dezember 2012 aber auf Hinweise aufmerksam, wonach der Mais illegal auf den EU-Markt gelangt. Angebaut wird er vorwiegend in den USA, weil sich dort die Schädlinge zunehmend an den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen anpassen, die lediglich einzelne Giftstoffe produzieren. „Statt die illegalen Importe zu stoppen, will die Kommission jetzt offensichtlich die Flucht nach vorn antreten und den Mais legalisieren“, sagt Then. „Das ist ein gravierender Verstoß gegen die Interessen der Verbraucher. EU-Kommissar Tonio Borg sollte sich Gedanken darüber machen, vor welchen Karren er sich da spannen lässt“, so Then weiter.

Bundes-Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat sich in Brüssel bei der Abstimmung über die Zulassung des Gentechnik-Mais enthalten. Angeblich will sie damit die Zulassung von Gentechnik-Pflanzen bremsen. Tatsächlich kommt dies im Zuge des Gesetzgebungsprozesses in der EU aber einer Ja-Stimme gleich. Da die gestrige Abstimmung nämlich kein Ergebnis brachte, kommt es in etwa einem Monat erneut zu einem Votum. Wenn sich neuerlich keine qualifizierte Mehrheit ergibt, dann darf die Kommission selbständig entscheiden. Und die wird sich kaum gegen ihren eigenen Vorschlag richten, wonach SmartStax zugelassen werden soll. Denn die Kommission stützt sich bei ihrer Entscheidung auf eben jene Bewertung der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA, in der keine Bedenken gegen die Maissorten geäußert wurden.

„Mir ist kein Fall bekannt, bei dem die Kommission die Zulassung einer genveränderten Sorte verhindert hätte“, so Testbiotech-Geschäftsführer Then dazu im Gespräch mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Derzeit seien mehr als 50 genmanipulierte Pflanzen zum Import in die EU zugelassen. GVOs finden ihren Weg in europäisches Essen also auch dann, wenn wie momentan nur sehr geringe Mengen in der EU selbst angebaut werden.

Auf eine Zulassung für den Anbau in Europa wartet trotzdem ein ganzes Dutzend neuer GVO-Sorten. Was wir erleben ist also alles andere als eine Änderung der Firmenpolitik von Monsanto (mehr hier). Den Kampf um die öffentliche Meinung in den europäischen Ländern hat das Unternehmen vielleicht verloren. Der Kampf um die Zulassung gentechnisch veränderter Lebensmittel geht jedoch weiter – und verlagert sich zusehends in bürokratische Hinterzimmer.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Babyboomer verlassen die Bühne: Jetzt kommt das große Chaos am Arbeitsmarkt
29.06.2025

Die Babyboomer verabschieden sich in Scharen – und mit ihnen verschwinden Loyalität, Erfahrung und Arbeitsdisziplin. Zurück bleibt ein...

DWN
Panorama
Panorama Ersatzpflege: Was sich für pflegende Angehörige ab dem 1. Juli ändert
29.06.2025

Pflegende Angehörige stemmen den Großteil der häuslichen Pflege in Deutschland – oft bis zur Erschöpfung. Doch was passiert, wenn sie...

DWN
Immobilien
Immobilien Heizkosten: Vergleich der Kosten für verschiedene Heizungslösungen - Tipps
29.06.2025

Heizöl, Pellets, Gasheizung oder Wärmepumpe: Wer 2025 neu heizt, muss weiterhin hohe Kosten einpreisen. Doch welche Heizungslösung ist...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Elon Musks X wird zur Bank: Der Angriff auf das Finanzsystem
29.06.2025

Elon Musks Plattform X will mehr sein als ein soziales Netzwerk. Mit eigenen Finanzdiensten und digitaler Geldbörse kündigt sich eine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Pandora und Amazon decken globales Fälschernetzwerk auf
29.06.2025

Pandora und Amazon decken ein globales Netzwerk von Produktpiraten auf. Die Drahtzieher in China sitzen nun im Gefängnis – doch die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Verteidigungsbranche boomt: Diese fünf Aktien setzen Analysten jetzt auf die Watchlist
29.06.2025

Der globale Rüstungsboom bietet Anlegern neue Chancen. Fünf Aktien stehen bei Analysten hoch im Kurs – von Hightech-Zulieferern bis zu...

DWN
Panorama
Panorama Unwetterwarnungen: Was sie können und was nicht
29.06.2025

Unwetterwarnungen sollen Leben retten – und das möglichst rechtzeitig. Doch nicht immer klappt das. Warum ist es trotz modernster...

DWN
Politik
Politik Bundeswehr: Rüstung auf dem Papier – Defizite auf dem Feld
29.06.2025

Die Bundeswehr bleibt trotz 100-Milliarden-Sondervermögen kaum einsatzfähig. Es fehlt an Ausrüstung, Personal und Struktur. Ist das...