Fast genau fünf Jahre nach seinem ersten Besuch in Berlin ist Obama wieder in Berlin. Doch es ist ein ganz anderer Obama, den die staunende Öffentlichkeit erlebt. Obama ist in seiner zweiten Legislaturperiode als Präsident der Vereinigten Staaten. Für etwas mehr als 24 Stunden gilt die höchste Sicherheitsstufe in der deutschen Hauptstadt, das Protokoll Obamas ist minutiös durchgeplant. Die Stadt ist abgeriegelt, wer sein Fahrrad an der falschen Stelle abstellt - was man natürlich vorher nicht weiß - kann das Gerät hinterher suchen. Die S-Bahnen werden willkürlich unterbrochen. Niemand kann sich frei bewegen.
Und doch bekommen die mürrischen Berliner den Präsidenten nicht zu sehen.
Denn die Rede vor dem Brandenburger Tor wird er nicht, wie vor acht Jahren, vor leicht hysterischen 200.000 Schaulustigen an der Siegessäule halten, sondern vor 4.000 geladenen Gästen. Während seiner Rede wird er übrigens hinter einer kugelsicheren Scheibe stehen.
Handverlesen und sicherheitsgecheckt.
Obama ist nicht gekommen, um vor den Deutschen eine richtungweisende Rede zu halten. Er ist gekommen, um sich mit Bundeskanzlerin Merkel zu treffen.
Er soll Merkel die Freihandelszone schmackhaft machen. Die Freihandelszone zwischen den USA und der EU ist ein wichtiges Projekt der Finanz-Eliten. Es soll den Handel ankurbeln, ist die offizielle Version. Tatsächlich dient die Freihandelszone US-Interessen. Angela Merkel wird sich diesen Interessen nicht in den Weg stellen. Sie hat Wichtigeres zu tun, muss im September eine Bundestagswahl schlagen.
Auch darauf nimmt das Protokoll Rücksicht: Ein paar Minuten seiner kostbaren Zeit erhält auch der SPD-Kanzlerkandidat Steinberg Steinbrück.
Das Volk wird den Präsidenten nicht zu Gesicht bekommen.
Denn Obama ist kein Präsident des Volkes, sondern eine Erfindung der Eliten, wie das der oberste Richter der USA, Clarence Thomas neulich erklärt hat (mehr hier).
Immerhin ein paar Kinder aus der 6. Jahrgangsstufe der Berliner JFK-Schule wurden ausgelost, um im Bellevue-Park deutsche und amerikanische Plastikfähnchen zu schwenken und Obama und Gauck einmal die Hand zu schütteln - ein Bild für Medien, ganz und gar ohne Bedeutung. Reine Routine.
Selten konnten man bei einem Politiker so deutlich sehen, was passiert, wenn der Lack ab ist. Der Prism-Skandal, die Weiterführung von Guantanamo und auch die Unsicherheit bezüglich der Entwicklungen in Syrien tragen dazu bei. Schon vor Obamas Anreise am Dienstagabend demonstrierten zahlreiche Menschen in Berlin und machten ihren Unmut über Obamas Politik Luft.
Waren es vor fünf Jahren noch die Fans, die für Obama auf die Straße gingen, sind es heute die Gegner: Seit Mittwochmorgen sind wieder Demonstranten auf dem Potsdamer Platz unterwegs. Unweit des Regierungsviertels sollen am Mittwochmittag außerdem mehrere Mitglieder der Femen-Aktivisten verhaftet worden sein.
Diese Proteste interessieren Obama nicht. Er ist kein Präsident des Volkes – weder des amerikanischen, und schon gar nicht ein Freund der Deutschen. Die Deutschen sind ihm völlig gleichgültig. Der US-Botschafter in Berlin ist ein ehemaliger Goldman Sachs-Banker. Der redet über Geld und Investments. Nicht über die Leute (mehr über das Goldman Sachs-Netzwerk in der Politik - hier).
Goldman Sachs ist wichtig für Obama und Merkel: Die Investment-Bank sagt den Politikern, wie man mit Milliarden umgeht.
Mit Milliarden Schulden.
Die Obama und Merkel für ihrer Völker bei den Banken haben auflaufen lassen. Und die, wie alle Investoren, ihr Geld irgendwann wieder haben wollen.
Barack Obama ist der Präsident der Finanzeliten, die ihm gerade viel Druck bereiten, weil seine Performance nicht stimmt (mehr zu den gespenstischenHintergründen – hier).
Obamas Besuch in Berlin ist eine Arbeits-Mission.
Daher wird die ganze deutsche Hauptstadt zu seinem Büro degradiert, in Beschlag genommen, in einer beispiellosen bürokratischen Arroganz. Obama hat das Oval Office ans Brandenburger Tor verlegt. Geheimniskrämerei, Sicherheit, ein wenig Show. That's it for Berlin.
Merkel und Obama können mit ihren Völkern nichts anfangen. Sie verstehen "die Menschen da draußen" nicht, wollen sich die Leute vom Leib halten.
So sieht dann auch ihre Politik aus.
Es ist eine Politik für die Eliten, nicht für das Volk.
In Nordirland wurden für den G8-Gipfel die Schaufenster von leeren Läden angeblich mit Foto-Attrappen geschmückt, die, wie ein potemkinsches Dorf, den Eindruck von Leben und Vitalität erwecken sollte.
Das wenigstens hat man von den Berlinern nicht verlangt.