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Samwer-Brüder: 400 Millionen Dollar für den Internet-Hype

Lesezeit: 4 min
17.07.2013 02:48
Die deutschen Start-Up Brüder Samwer haben von Investoren 400 Millionen Dollar eingesammelt. Sie brauchen immer mehr Geld, weil ihre Geschäfte nicht nachhaltig sind. Bei dem Geschäftsmodell handelt es sich um ein Schneeballsystem auf Steroid-Niveau. Die Aktivitäten der Brüder sind ein Lehrbeispiel für die zerstörerische Kraft des Internet.
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Alexander, Marc und Oliver Samwer sind extrem effizient: Sie haben zahlreiche Firmen gegründet, die sie innerhalb kurzer Zeit wieder verkauft haben. Sie nennen sich Unternehmer. Tatsächlich errinnert die Methode an das klassisches Schneeballsystem à la Carlo Ponzi: Dieser hatte von immer neuen Investoren immer neues Geld eingesammelt, damit die alten Investoren einen zufriedenstellenden Profit machen konnten.

Den Profit machen bei den Samwers immer die Samwers.

Unter den neuesten Geldgebern von Samwers eCommerce-Aktivitäten ist der russisch-stämmige US-Milliardär Len Blavatnik. Er und andere Investoren haben dem Samwer-Vehikel Rocket Internet 400 Millionen Dollar anvertraut. Damit haben die Samwers in den vergangenen 18 Monaten fast zwei Milliarden Dollar eingesammelt.

Den Samwers wird oft vorgeworfen, dass sie nichts anderes produzieren als Klone: Sie beobachten US-Konzerne. Sie überprüfen, welcher Konzern über eine gut gefüllte Kriegskasse verfügt und ein US-Geschäft aufgebaut hat. Danach gründen die Brüder in Windeseile ein identisches Unternehmen für einen anderen Markt – etwa in Deutschland – und verkaufen das Gebilde dann an den Amerikaner. Das haben sie erfolgreich unter anderem mit Ebay gemacht, denen die Samwers den Klon Alando andrehten. Die Gründer der Wohnungsbörse Airbnb haben sich über die Praktiken der Samwers öffentlich beschwert und die Brüder des „Schneeballsystems“ bezichtigt.

Das Klonen von Geschäftsideen ist moralisch nicht verwerflich. Viele Unternehmen machen das, wobei immer noch ein Unterschied zwischen Kopieren und Klonen besteht. Aber die Brüder haben eben einen guten Instinkt. Die Samwers rühmen sich außerdem, dass sie einfach besser in der Durchführung sind.

Das Problem liegt jedoch tiefer.

Die Samwers sind keine Unternehmer.

Die Samwers wollen keine Unternehmen aufbauen. Wer ein Unternehmen aufbaut, geht ganz anders an das Geschäft heran: Er entwirft einen realistischen Geschäftsplan. Er holt sich qualifizierte Mitarbeiter. Er gibt dem Geschäft die Zeit, die jedes Geschäft braucht, um zu reifen.

Die Samwers wollen mit ihren Unternehmen Geld verdienen – und zwar möglichst rasch möglichst viel. Oliver Samwer hat einmal in einer Email vom „Blitzkrieg“ gesprochen – ein Ausdruck, für den er sich später entschuldigt hat.

Die Samwers wollen Geld verdienen, indem sie die Unternehmen, die sie hochziehen, wieder verkaufen. Sie sind ähnlich tüchtig wie Goldman Sachs oder JP Morgan (einer der Investoren von Samwer). Sie haben erkannt, dass man das meiste Geld nicht mit der Produktion, sondern mit dem Handel von Produkten verdienen kann.

Die Samwers sind Unternehmens-Händler.

Sie gründen Hüllen, die notdürftig mit Geschäftsprozessen versorgt sind und deren Profitabilität immer in der Zukunft liegt.

Für die Unternehmen ist das verheerend.

Ein Unternehmen, das nur hochgezogen wird, um verkauft zu werden, trägt nämlich den Todeskeim in sich: Jeder zu rasch herbeigeführte Unternehmensverkauf zerstört die Prozesse. Ein Unternehmen kann nicht funktionieren, wenn es nicht auf Dauer angelegt ist. In nur für den Verkauf bestimmten Unternehmen kann keine Substanz entstehen. Das Management wird gierig. Die Mitarbeiter sind demotiviert. Die Eigentümer sind kurzatmig.

Unternehmen, die nur dazu dienen, den Gründern schnell viel Geld zu verschaffen, sind sehr gefährdet: Zahlen werden gerne manipuliert. Das Manager Magazin hat neulich berichtet, dass die Samwers mit aberwitzigen Prognosen an die Investoren herantreten. Für den brasilianischen Amazon-Klon Linio versprechen die Samwers eine Rendite von 12 Prozent im Jahr 2017. Das Vorbild Amazon erwirtschaftet 1,1 Prozent.

Diese Renditen sind unrealistisch. Aber die Samwers versuchen, sie wirklich zu erzielen.

Dies geht nur, wenn so billig als möglich produziert wird. Wie das aussieht, beschreibt Marco Kitzmann auf seinem Blog in einem wirklich lesenswerten Beitrag. Er hatte bei der Samwer-Firma Möbel-Profi.de eine Matratze bestellt. Es dauerte zwei Monate, bis er die richtige Matratze endlich hatte. Ein Kommentator, der offenbar über gute Informationen aus dem Samwer-Reich verfügt, schreibt: Bei den Samwers arbeiten vor allem „Praktikanten die irgendwie rein gerutscht sind in dieses Thema oder Werkstudenten“. Diese Gruppe „macht ca. 90% der Belegschaft aus und wechselt alle 6-12 Monate komplett durch. An dieser Schicht hängt nahezu der komplett operative Bereich.“ Der Grund für die Billigarbeiter ist klar: „Das gesamte Konzept ist darauf ausgelegt möglichst hohen Cashflow zu haben, nicht aber um den Kunden bestmöglich zufrieden zu stellen.“

Tatsächlich geht es den Samwers um eine Art Hybrid aus Start-Up und Investment-Banking. Sie gründen etwas, weil es darüber mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Hype geben wird. Dann verkaufen sie das Gebilde an andere Player, die ebenfalls im internationalen Schneeball-Business tätig sind. Der Gründer Mark Cuban hat treffend beschrieben, wie das an der Börse geht, und dieselben Regeln gelten auch im Start-Up-Business: Man muss eine Nummer erfinden, die redet man den stets ahnungslosen und komplett uninformierten Investoren ein; diese reagieren wie  und kaufen (mehr dazu - hier). Wenn sich das Geschäft am Ende als nicht nachhaltig herausstellt, sind die Samwers schon längst über alle Berge beim nächsten Hype zugange.

Und hier liegt das Kern-Problem der Samwers: Unternehmen können nicht mit dem wahnwitzigen Zeitdruck gegründet werden, den die Samwers verlangen. Unternehmen brauchen ein Mindestmaß an Kontinuität. Unternehmen brauchen Leute, die etwas vom Geschäft verstehen. Entwickeln ist etwas anderes als Aufblasen.

Die Samwers stellen die besten Leute von McKinsey und BCG an, damit diese ihnen die richtigen Zahlen liefern. Erfahrungsgemäß sind die Leute von den großen Unternehmensberatungen für die praktische Arbeit überhaupt nicht zu gebrauchen: Sie können Zahlen gestalten, aber kein Unternehmen aufbauen. Dasselbe gilt für Hochschulabgänger: Die sind willfährig, haben aber noch nie Personalführung betrieben.

Unternehmen haben einen anderen Rhythmus als Investment-Banken. Das Problem der Samwers: Ihr Zeitdruck kommt daher, dass sie aufbauen und verkaufen müssen, solange der Hype anhält. Das kann nicht gutgehen.

In einem Interview mit der FT sagt Oliver Samwer nun, dass es den Brüdern seit neuestem gar nicht mehr um den raschen Verkauf gehe. Er könne sich vorstellen, dass die Samwer-Unternehmen auch an die Börse gebracht werden.

Dieser Schritt ist logisch.

Denn viele gehypte Internet-Unternehmen kämpfen jetzt schon ums Überleben wie die Rabatt-Maschine Groupon, die eine Art Heuschrecken-Zuchtanlage für hemmungslose Schnorrer ist. Beobachter berichten, dass die Groupon-Schnäppchenjäger immer nur dorthin gehen, wo ihnen ein Produkt so billig serviert wird, dass der Hersteller damit einen Verlust einfährt.

An der Börse können die Samwers neue Investoren finden. Das Schneeball-System öffnet sich dann für die Kleinanleger, die man in den Investment-Kreisen für besonders dumm hält.

Immerhin sind die bisher eher öffentlichkeitsscheuen Samwers heute schon etwas berechenbarer. Sie halten sich nämlich ihr eigenes Medium - man kann ja nie wissen, wozu das gut ist.

Auf der Website Deutsche Startups, die laut Gründerszene mehrheitlich dem Samwer-Vehikel European Founders Fund gehört, wird über die neue Finanzierungsrunde der Samwer gejubelt wie früher im Neuen Deutschland über eine Rede von Erich Honecker. Natürlich steht nirgends, dass die Website den Samwers gehört. Hier lesen wir: „…Zahlen (zum schwindelig (sic) werden) aus dem Hause Rocket Internet…ein Satz zum Durchatmen…noch spektakulärer… Rocket Internet selbst (!!!)…Ober-Dagobert-Duck Oliver Samwer…noch obendrauf… Milliardenmarke…längst geknackt…“

Die Samwers haben mit dem Investment von Len Blavatnik ein gutes Geschäft gemacht. Der FT sagt Samwer, Rocket Internet erwirtschafte „mehrere Milliarden Dollar Umsatz“. Genaue Zahlen gibt die Gruppe nicht bekannt.

In einem Interview mit der britischen Ausgabe von Wired nannte Oliver Samwer den damaligen CEO von Groupon als Zeugen für die Qualität der Brüder: „Mason sagte öffentlich…, dass die Samwers zu den besten Entrepreneurs gehören, die er je getroffen hat.“

Mason wurde kürzlich gefeuert, weil Groupon aus dem Ruder läuft.

Rocket Internet dagegen ist weiter auf Kurs. Einigen wird schwindlig.

Die Samwers haben dazu keine Zeit.

Der nächste Hype ruft.


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