Politik

Russland plant die totale Überwachung im Internet

Während der Westen noch über Edward Snowden diskutiert, macht Russlands Präsident Wladimir Putin ernst: Ab 2014 soll der gesamte Internet-Verkehr in Russland überwacht werden. Ein Gesetzes-Entwurf zeigt: Der Datenschutz genießt in Russland etwa denselben Stellenwert wie das Briefgeheimnis in der UdSSR.
21.10.2013 22:16
Lesezeit: 2 min

Der russische Präsident Wladimir Putin will seine Bürger nicht nur auf den Straßen, sondern auch im Internet vollständig kontrollieren. Hierfür soll der russische Inlandsgeheimdienst FSB mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet werden. Winkt die Staatsduma einen entsprechenden Gesetzesentwurf durch, wird der Behörde ein kompletter Zugriff auf die Online- und Telefon-Kommunikation gestattet. Der Entwurf aus dem Ministerium für Kommunikation und Massenmedien soll dem Parlament bereits vorliegen. Eine umfassende Datenspeicherung ohne Gerichtsbeschluss wäre dann plötzlich völlig legal.

Bereits zum 1. Juli 2014 könnte die totale Internetüberwachung der russischen Bürger Realität werden. Ab diesem Zeitpunkt könnte die Nachfolgeorganisation des KGB auf alle IP- und Telefonnummern zugreifen, alle Email-Adressen kontrollieren und außerdem sämtliche Daten aus den Sozialen Netzwerken, Internet-Telefonaten und Chats einsehen.

Die russische Zeitung Kommersant beschreibt, wie umfangreich die Überwachung sein wird:

Die Internet Service Provider (ISP) müssen ihre Dienste an spezielle Geräte anschließen. Durch diese Geräte besteht die Möglichkeit, den gesamten Internet-Datenverkehr sowie alle Datenpakete aufzuzeichnen. Die ISP müssen die Daten mindestens 12 Stunden speichern. Das Dokument enthält auch Angaben, welche Informationen über die Nutzer des Internets über die speziellen Dienstleister übertragen werden. Dies sind: Online Telefonnummer, IP-Adresse, Account-Name, E-Mail-Adresse der Dienste mail.ru, yandex.ru, rambler.ru, gmail.com, yahoo.com, etc.; eine eindeutige Identifikationsnummer Chat ICQ, International Mobile Equipment Identity (IMEI), Identifikatoren und Aufruf Abonnenten aus der Internet-Telefonie. Der Entwurf legt auch fest, dass Anbieter die nachrichtendienstlichen Informationen über den Standort der Teilnehmer-Endgeräte Nutzer von Internet-Telefonie-Dienste (Google Talk, Skype, etc.) übermitteln muss.

Dem Gesetzesentwurf zufolge sind die Internet-Anbieter künftig verpflichtet, eine einheitlich verordnete Überwachungstechnik auf ihren Servern zu installieren. Für mindestens zwölf Stunden wird so sämtlicher aufgezeichneter Internetverkehr gespeichert. Der Zugriff auf die Daten durch den Inlandsgeheimdienst soll mit einem Spähprogramm namens Sorm erfolgen. Bisher wurden solche Daten nur auf Anfrage herausgegeben.

Juristen sprechen davon, dass das Gesetz mehrere russische Gesetze verletzt und verfassungswidrig ist. Auch der Internet-Anbieter Vimpelcom sieht das so. Sorgen bereitet dem Telekommunikationsgigant nicht nur die Datenspeicherung. Auch das Recht der russischen Bürger auf Privatsphäre bliebe auf der Strecke. Der Inlandsgeheimdienst begründet die Maßnahmen mit dem „Kampf gegen den Terror“. Nur so könne man effektiv nach Organisatoren von Cyberattacken fahnden oder terroristische oder extremistische Gruppen im Netz aufspüren.

Auch für die russischen Streitkräfte hat der Cyberspace oberste Priorität. Das teilte Andrei Grigoryew, Leiter der im vergangenen Oktober ins Leben gerufenen Stiftung für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten beim russischen Militär, mit. Gegründet wurde die Stiftung als Anwort auf die so genannte Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA).  Eine Behörde des US-Verteidigungsministeriums, die Forschungs-Projekte für die Streitkräfte der Vereinigten Staaten durchführt. Das russische Militär, so berichtet Forbes, habe bereits versucht, Computer-Programmierer zu rekrutieren. Nach Angaben von Grigoryev habe die Stiftung schon jetzt 700 innovative Projekte bewertet. Futuristische Waffen, Ausrüstung für Soldaten und Cyberwar sind die drei wichtigsten Bereiche der Stiftungsforschung.

Auch Großbritannien plant eine weitgehende Überwachung des Internet. Ab 2014 müssen sich Interessenten von bestimmten Themen-Seiten wie Erotik-Seiten oder Esoterik aktiv für solche Seiten anmelden (mehr hier). Die britische Armee überlegt sogar Präventivschläge über das Internet (hier).

Für die russischen Bürger ist die Freiheit im Internet bereits längst vorbei: Bereits im Sommer 2012 hat die russische Staatsduma einen diesbezüglichen Gesetzesentwurf verabschiedet. Dieser ermöglicht die Sperrung von Webseiten ohne richterlichen Beschluss. Die offizielle Argumentation zur Erstellung so genannter Schwarzer Listen umfasst den Schutz vor Kinderpornographie, die Gefahren durch Verharmlosung von Drogen sowie Anleitungen zum Selbstmord, die User bisher ungehindert im Internet finden könnten.

Damit ist der Weg frei für die totale Kontrolle von kritischen Websites und Blogs, die in Russland seit dem Ende des sowjetischen Imperiums eine große Rolle bei der freien Meinungsäußerung gespielt haben. Die neuen Methoden gehen jedoch weiter und werden den Staat in die Lage versetzen, kritische Kommentatoren auf Social Media Plattformen aufzuspüren und zu verfolgen.

Wir erleben die nächste Welle der von Michail Gorbatschow angekündigten Glasnost.

Allerdings andersrum als urspünglich gedacht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Nach Corona: Aufwärtstrend bei Amateurmusik - Deutsche musizieren wieder
18.04.2025

Den Flohwalzer klimpern, ein Liebeslied singen, auf der Gitarre schrammeln – Hobbymusik hat viele Facetten. Doch wie viele Menschen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Blick aus China: Die USA haben an Bedeutung verloren, Zölle beeinträchtigen die Lieferketten nicht
18.04.2025

Die Bedeutung des US-Marktes für China habe in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen und mache heute nur noch 14 Prozent der...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliardärsmanager fliehen aus US-Aktien: Der stille Countdown zur Rezession hat begonnen
17.04.2025

Eine neue Erhebung der Bank of America zeigt: Die Stimmung unter den großen Vermögensverwaltern kippt dramatisch. Während die Finanzwelt...

DWN
Politik
Politik Merz und EU offen für Tauruslieferung an Ukraine: Kreml warnt vor direkter Kriegsbeteiligung
17.04.2025

In der Opposition war Merz offen für eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Als voraussichtlicher Kanzler ist er das...

DWN
Panorama
Panorama Die Macht der WHO: Internationaler Pandemievertrag kommt
17.04.2025

Fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie haben sich die WHO-Mitgliedstaaten auf ein Pandemieabkommen geeinigt. „Ich habe keinen...

DWN
Technologie
Technologie Mechanische Speicher als geopolitische Alternative: Lithium-Batterien geraten unter Druck
17.04.2025

Angesichts wachsender Abhängigkeit von China bei Lithium-Batterien rücken mechanische Energiespeicher in den Fokus. Eine...

DWN
Technologie
Technologie Japanisches Genie revolutioniert Energiewende – Supermagnet jetzt 20 Milliarden Euro wert
17.04.2025

Im globalen Wettrennen um Energiesouveränität und technologische Vorherrschaft hat sich ein unscheinbares Element als strategischer...

DWN
Politik
Politik Taiwan, Sanktionen und Respekt - China stellt klare Bedingungen für Handelsgespräche mit den USA
17.04.2025

China fordert mehr Respekt und klare Signale der USA, bevor Handelsgespräche beginnen – eine Einigung ist entscheidend für die...