Deutschland

„Die Kleinen werden gehängt“: Kredit-Betrüger vor Gericht

Ein 52-jähriger Mann hat sich mit gefälschten Unterlagen Kredite von mehreren Banken in Höhe von zwei Millionen Euro erschwindelt und baute so sein individuelles Schneeball-System auf. Im Gegensatz zu den internationalen Großbankern droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe.
17.01.2013 00:05
Lesezeit: 2 min

Seit Jahren besteht ein wesentlicher Teil des Geschäftsmodells der Finanzindustrie darin, mit Manipulationen, Schrottpapieren und undurchschaubaren Derivaten Milliarden-Profite zu machen (wie etwa beim Libor-Skandal – hier) und damit tausende Kleinanleger in den Ruin zu trieben, indem sie diesen die risikoreiche Papiere andrehen. Nun hat sich der Spieß einmal umgedreht. Derzeit muss sich ein 52-jähriger Mann vor Gericht verantworten, weil er sich bei mehreren Banken Kredite in Höhe von insgesamt etwa zwei Millionen Euro erschwindelt hat. Kredite, die er weder hätte erhalten dürfen noch hätte zurückzahlen können.

Wie die Saarbrücker Zeitung berichtet, wird dem Mann vorgeworfen, in elf Fällen Kreditbetrug verübt zu haben. In nur neun Monaten soll er bundesweit bei elf Banken – von der Dresdner Bank bis hinzu Sparkassen und Volksbanken – mit gefälschten Papieren an die Kredite gekommen sein. Davon habe der Mann aus Saarbrücken 20 Wohnungen und ein Mehrfamilienhaus gekauft.

Zum Zeitpunkt der Tat arbeitete der gelernte Industriekaufmann im Vertrieb eines Autohauses, wo er bis zum Ausscheiden im Jahr 2007 etwa 84.000 Euro verdiente, sagte der Angeklagte vor Gericht. Als er beispielsweise im Februar aber bei einer Bank einen Kredit in Höhe von 230.000 Euro für den Kauf von zwei Wohnungen beantragt hatte, gab er beispielsweise zum Nachweis seiner Zahlungsfähigkeit einen gefälschten Beleg über Jahreseinkünfte in Höhe von 131.000 Euro für 2003 ab. Nach dem Kauf der zwei Wohnungen wurde die Bank zur Sicherheit ins Grundbuch eingetragen. Bei anderen Banken soll der Beschuldigte ähnlich vorgegangen sein.

Wollte eine der Banken neben der Immobilie, die mit ihren ausgegeben Kredit gekauft wurde, eine weitere Sicherheit haben, habe er auf eine Lebensversicherung verwiesen, so die Saarbrücker Zeitung. Die Raten für die Versicherung wurden jedoch genauso wenig bezahlt wie für die Kredite. Darlehen in Höhe von ca. 2,1 Millionen Euro soll er sich so erschlichen haben.

Der Einsatz von Schrottpapieren erinnert frappierend an die Methoden der Investment-Banken bei der US-Immobilienkrise, wo im Grunde ebenfalls nicht vorhandene (= schöngefärbte) Sicherheiten zum Aufbau eines gigantischen Schneeball-Systems dienten. Außer einigen Symbolverurteilungen ist weltweit kaum ein Banker für diese Methoden belangt worden, im Gegenteil: Durch staatliche Bailouts ging das Schneeball-Spielen (auch Ponzi-Schema genannt, nach dem Erfinder der Derivate, dem Italiener Carlo Ponzi) weiter und bescherte den Verursachern nach der Krise satte Boni.

Im Februar 2006 seien die verschiedenen Kreditfinanzierungen dann nacheinander geplatzt. Aber die Banken konnten ihren dadurch entstandenen Schaden nicht über die von dem Mann gekauften Immobilien ausgleichen. Diese waren letztlich weniger wert als der Preis, zu dem der Angeklagte diese gekauft hatte. So blieben die Finanzinstitute auf einem Schaden in Höhe von 1,2 Millionen Euro sitzen.

Dass der Angeklagte im Falle einer Verurteilung jedoch für die Verluste der Banken aufkommen kann, ist unwahrscheinlich. Er hat Privatinsolvenz angemeldet, seinen Arbeitsplatz verloren und lebt von Hartz IV. Mit einem Urteil wird frühestens im März gerechnet, bei einer Verurteilung droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe.

Fazit: Too small to fail gibt es eben doch nicht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Wie wähle ich bei der Bundestagswahl? Deutschland verweigert wahlberechtigten Auslandsdeutschen ihre Stimme abzugeben
22.02.2025

Mehrere Auslandsdeutsche berichten, zu spät oder bislang noch gar keine Wahlunterlagen erhalten zu haben. Nun drohen die Stimmen dieser...

DWN
Politik
Politik Rente mit 63: Wer wirklich von der abschlagsfreien Rente profitiert
22.02.2025

Die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren ist für Menschen gedacht, die beruflich sehr stark belastet sind. Doch aktuelle DIW-Zahlen...

DWN
Politik
Politik Alternativen zu Trumps Appeasement-Politik gegenüber Russland
22.02.2025

US-Präsident Donald Trump sagt, er wolle der Ukraine Frieden bringen. Aber sein Ansatz kann nicht funktionieren, weil er das Problem der...

DWN
Panorama
Panorama Deutschland "kaputt": Münchaus düstere Prognose für die Wirtschaft
22.02.2025

Deutschland steckt in der Krise – und es gibt kaum Hoffnung auf Besserung. Der deutsch-britische Autor Wolfgang Münchau sieht das Land...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kündigung rechtssicher zustellen: So vermeiden Sie teure Fehler
22.02.2025

Wie Sie eine Kündigung korrekt übermitteln – von der persönlichen Übergabe bis zum Gerichtsvollzieher. Welche Methoden wirklich...

DWN
Panorama
Panorama Kaffee bald Luxus? Wie durch ein EU-Gesetz, Abholzung und das Wetter die Preise explodieren
22.02.2025

Der Preis für Kaffee ist an den Börsen in den letzten fünf Jahren um das Vierfache gestiegen. Die Ursachen für die Rekordpreise, die...

DWN
Technologie
Technologie Mobilfunk Bahn: Empfang unterwegs verbessert sich endlich
22.02.2025

Wer im Zug telefoniert oder surft, stößt oft auf Funklöcher und langsames Internet. Jetzt verbessert eine neue Technik die Verbindung...

DWN
Politik
Politik 630 Sitze, 29 Parteien, 4.506 Kandidaten: Zahlen zur Wahl
22.02.2025

Die Bundestagswahl 2025 bringt große Veränderungen mit sich: weniger Kandidaten, ein neues Wahlrecht und eine alternde Wählerschaft. Wer...