Politik

Schweizer Industrie: Skepsis und Stellenabbau

Die Produzierende Industrie blickt skeptisch in die Zukunft. Ein Konjunkturumschwung ist noch nicht in Sicht. Der Stellenabbau in der Schweizer Industrie ist nicht zu stoppen. Führungskräfte fordern einen Abbau staatlicher Regulierungen und ein vereinfachtes Steuersystem.
03.11.2013 02:10
Lesezeit: 3 min

Die Branchen Handel, Produzierende Industrie und Verkehr/Logistik/Tourismus haben eine pessimistische Einstellung in Bezug auf die Geschäftsentwicklung für nächstes Jahr. Eine leichte Verbesserung der Konjunktur in der Eurozone sei zwar zu erkennen, „ein Umschwung ist jedoch auch in 2014 nicht in Sicht“, sagt die Mehrheit der Befragten einer von Roland Berger Strategy Consultants durchgeführten Umfrage.

Der Stellenabbau in der Industrie geht weiter voran. Der Metallverarbeiter BOA legt sein Werk in Rothenburg/Luzern still. Konsolidierungsversuche sind gescheitert. Die Produktion der Metallschläuche werde Ende Dezember eingestellt und nach Nordfrankreich verlagert. Die Fertigung von Kompensatoren und Metallbälgen werde an den Hauptsitz in Stutensee (Deutschland) und nach Osteuropa transferiert, berichtet der Tagesanzeiger. 146 Angestellte verlieren zum Ende des Jahres ihren Job.

Der französische Kabelhersteller Nexans baut 80 Stellen in der Schweiz ab. Zwei Fabriken, in Cossonay in der Waadt und im solothurnischen Breitenbach, sollen geschlossen werden. In Zukunft werde hauptsächlich in Cortailod im Kanton Neuenburg produziert, berichtet das Online-Magazin Blick.ch. Der Umsatz von Nexans Schweiz ist in den vergangenen fünf Jahren deutlich zurückgegangen. Die ausländische Konkurrenz hat im Wettbewerb aufgeholt, die starke Schweizer Währung sorgt für höhere Preise im Inland, die von außerhalb unterboten werden können. Durch die Stellenstreichung in der Schweiz will Nexans die Betriebskosten senken und die Produktivität erhöhen. Konzernweit werden 468 Arbeitnehmer ihre Jobs verlieren.

Der Industriekonzern Sulzer will in der Verwaltung in Winterthur 100 Stellen streichen. Grund sind Zentralisierungsmaßnahmen: Personal-, Finanz- und IT-Abteilungen sollen zusammengelegt werden, um jährlich 25 Millionen Franken zu sparen. Ein Teil des Stellenabbaus hängt auch damit zusammen, dass das zum Verkauf stehende Beschichtungsgeschäft Sulzer Metco bald nicht mehr zum Konzern gehört. Der dadurch sinkende Personalbedarf auf Konzernebene sei in der Reorganisation bereits berücksichtigt, sagte Sulzer-Sprecherin Verena Gölkel.

Die Schweizer Uhrenindustrie ist wird von einem Technologiewandel erfasst und vor neue Herausforderungen gestellt. Die Branche droht den Einzug von Smartwatches zu verschlafen. „Ich bin mir nicht so sicher, dass das große Folgen für klassische Uhren mit sich bringen wird”, sagt Johann Rupert einem Bericht von Format zufolge, der den Schweizer Luxusriesen Cie. Financiere Richemont kontrolliert. Dieser verkauft Uhren von 13 Luxusmarken. Schweizer Uhren sind Statussymbole. Die heutigen hochpreisigen Uhren aus der Schweiz seien aber auf einem so niedrigen Technologieniveau, dass sie vom praktischen Standpunkt aus betrachtet nicht mehr existieren sollten.

In großen Industriesektoren, wie der Rüstungsindustrie, zeigt sich ein Rückgang der Verkäufe. Die Schweizer Waffenindustrie verkaufte im laufenden Jahr bislang deutlich weniger Kriegsmaterial als im Vorjahr. „Schweizer Firmen exportierten Waffen, Munition und weiteres Gerät im Wert von rund 300 Millionen Franken. Im Vorjahr waren es noch 573 Millionen Franken gewesen“, heißt es einem Bericht der Internetzeitung Nachrichten.ch zufolge.

Zwar äußert sich dieser Einbruch noch nicht in Stellenabbau, dennoch gibt es nicht mehr genügend Abnehmer aus Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten, um die starken Absatzzahlen aus dem Vorjahr halten zu können. Aus Deutschland, dem wichtigsten und größten Abnehmer für Rüstungsmaterial, sind die Verkäufe im Vergleich zum Vorjahr um mehr als zwei Drittel eingebrochen (-143 Millionen Schweizer Franken).

Trotz der schlechten Zahlen aus der Produzierenden Industrie schätzt die große Mehrheit der 155 befragten Führungskräfte (73%) die aktuelle Wirtschaftslage positiv ein. Chemie-, Pharmaunternehmen und Finanzdienstleister sehen dem kommenden Jahr gelassen entgegen. Die Lebensqualität und der Schweiz werden als überdurchschnittlich gut bewertet.

Das hohe Preisniveau und die steigenden Mieten in der Schweiz werden von den Befragten als „problematisch“ angesehen. Die Führungskräfte fordern weniger staatliche Regulierung und ein vereinfachtes Steuersystem.

Der Schweiz gehe es außerhalb der Industrie trotz anhaltender Krisenstimmung in der Eurozone „erfreulicherweise gut“, Unternehmen sollten aber „kontinuierlich an nachhaltiger strategischer Positionierung und Optimierung der Kosten“ arbeiten, sagte Beatrix Morath, Managing Partner von Roland Berger in Zürich. Die Wirtschaftswelt sei immer noch von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit (VUCA) gekennzeichnet.

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