Trotz robuster Konjunktur mit steigenden Steuereinnahmen droht immer mehr Städten einer Studie zufolge die Zahlungsunfähigkeit. „De facto sind viele deutsche Städte längst bankrott“, sagte Hans-Peter Busson von der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY), die die Finanzlage von Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern untersucht hat, am Dienstag.
„Und wir sind nach wie vor weit von einer nachhaltigen und strukturellen Lösung des kommunalen Schuldenproblems entfernt.“ Die im Grundgesetz festgeschriebene Schuldenbremse zwinge viele Bundesländer dazu, ihre Zahlungen an die Kommunen zu kürzen (mehr hier). Das drohe deren Finanznot zu verschärfen.
Die Zahl der Städte mit sehr hoher Pro-Kopf-Verschuldung von über 4.000 Euro nahm demnach zwischen 2010 und 2012 von 14 auf 21 zu. An der Spitze liegen Oberhausen, Offenbach, Ludwigshafen, Hagen und Saarbrücken.
Gleichzeitig stieg aber auch die Zahl der Großstädte mit einer geringen Pro-Kopf-Verschuldung von unter 1.000 Euro von 15 auf 19. Stuttgart, Heilbronn und Jena wiesen die niedrigsten Quoten auf, während Dresden und Wolfsburg sogar schuldenfrei sind.
In Ostdeutschland sei die Situation deutlich besser als im Westen: Von den neun Großstädten dort konnten sieben ihre Verschuldung von 2010 bis 2012 senken oder bei null halten. Im Westen hingegen wuchsen die Verbindlichkeiten bei 42 von 63 Großstädten, besonders in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen.
Städte in strukturschwachen Regionen könnten vom Aufschwung kaum profitieren, sagte EY-Experte Busson. „Die sprudelnden Steuereinnahmen kommen vielmehr vor allem bei denen an, die ohnehin über eine solide Finanzlage verfügen.“
Die Kluft zwischen reichen und armen Großstädten wachse daher noch. „Die wohlhabenden Städte können mit attraktiven Angeboten um Unternehmensansiedlungen und Zuzügler werben - und dafür auch Investitionen tätigen“, sagte Busson. Gleichzeitig wachse die Zahl finanzschwacher Städte, die ihre Leistungen immer weiter reduzieren müssen und im Standortwettbewerb an Boden verlieren.
Als mögliche Geldquelle schlägt Ernst & Young vor, die kommunalen Beteiligungen besser zu nutzen. „Die kommunalen Unternehmen könnten vielfach deutlich mehr Geld an die Rathäuser überweisen, wenn sie besser aufgestellt wären“, sagte Busson.
Nach wie vor stünden bei vielen kommunalen Unternehmen wie etwa Stadtwerken und Verkehrsbetrieben die politischen Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten für die Städte im Vordergrund. Auf wirtschaftliche Effizienz und damit größtmöglichen Ertrag für die Kommunen komme es da vielfach weniger an. Auch der Verkauf von Unternehmensbeteiligungen, Grundstücken oder Immobilien zur Sanierung der städtischen Finanzen dürfe kein Tabu sein.