Deutschland

Studie: Deutsche Top-Journalisten sind in US- und Nato-Strukturen eingebunden

Lesezeit: 2 min
16.02.2013 01:35
Eine neue Studie belegt die Nähe der Journalisten zur politischen und wirtschaftlichen Elite. Die Netzwerkanalyse verdeutlicht auch enge Kontakte zu US- und Nato-Strukturen. Der Hauptvorwurf des Studienleiters: Die Journalisten weigern sich, ihre Netzwerke den Lesern offenzulegen.
Studie: Deutsche Top-Journalisten sind in US- und Nato-Strukturen eingebunden

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Aktuell:

Blohm + Voss: Papst-Banker kommt aus der Rüstungsbranche

Nähe und Verbundenheit zwischen Journalisten, Politikern und Wirtschaftsvertretern sind notwendig für die Informationsbeschaffung. Wenn jedoch diese Verbundenheit in die Berichterstattung nicht transparent gemacht wird, dann ist die Unabhängigkeit der Medien nicht mehr gewährleistet. Uwe Krüger, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig, hat in seiner Studie die Netzwerkverbindungen deutscher Top-Journalisten untersucht.

Journalisten bräuchten Distanz zu den Eliten, um fundierte Kritik üben zu können. Nur so könnten die Medien ihre Funktion als Kontrollinstanz der Mächtigen aufrecht erhalten, sagte Krüger in einem Interview mit Telepolis. Die Ergebnisse seiner Studie deuten darauf hin, dass diese notwendige Distanz in vertraulichen Runden mit Entscheidungsträgern aufgehoben wird.

Krügers Methode besteht darin, Netzwerk-Effekte aufzuzeigen: In seiner Netzwerkanalyse erstellte er eine „Landkarte“ aus 82 politischen Ereignissen und Organisationen, wie dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos oder der Münchner Sicherheitskonferenz. Bei diesen Ereignissen waren 64 Journalisten unterwegs – und zwar „außerhalb ihrer direkten beruflichen Pflichten wie Recherchen oder Interviews“, so Krüger.

Vier leitende Journalisten „der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Welt und der Zeit seien darüber hinaus „stark in US- und Nato-affinen Strukturen eingebunden“, lautet die wichtigste Erkenntnis aus Krügers Studie. Auffällig erscheint Krüger, dass keiner der vier Journalisten dazu bereit war, zu diesem Fakt Stellung zu beziehen.

Krüger, selbst Journalist, kritisiert seine Kollegen weiterhin heftig: Alle vier hätten an der Münchner Sicherheitskonferenz teilgenommen und die Gegner dieser Konferenz entweder „entweder verschwiegen, marginalisiert oder delegitimiert“. Es sei auch auffällig, dass „der Außenpolitik-Chef der Süddeutschen Zeitung, Stefan Kornelius, ständig Wolfgang Ischinger über den Weg lief, dem Cheflobbyisten des Versicherungskonzerns Allianz, der auch die Münchner Sicherheitskonferenz veranstaltet“, so Krüger weiter.

Peter Struck definierte zu seiner Zeit als Verteidigungsminister den Sicherheitsbegriff sehr weitreichend: „Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt." Viele Journalisten würden nach der Meinung Uwe Krügers diesen erweiterten Sicherheitsbegriff der Politiker unreflektiert übernehmen und ihre Berichterstattung über die Auslandseinsätze der Bundeswehr „ohne jegliche kritische Reflexion“ bis hin zur „Panikmache“ aufbauschen. So ein Journalismus hielte den Bürger in „Unmündigkeit“.

Krüger will in seiner Kritik jedoch nicht so weit gehen und seinen Kollegen unterstellen, sich direkt von sicherheitspolitischen Eliten beeinflussen zu lassen. Vielmehr sei es denkbar, dass Journalisten, die ohnehin ähnlich denken wie das politische und wirtschaftliche Establishment, zuerst in solche Elitekreise berufen würden. Die Affinität zum politischen Mainstream würde dann durch weitere Gespräche und Verbundenheit weiter gestärkt. „Journalisten mit Eliten-kompatiblen Meinungen haben bessere Chancen, Karriere zu machen, denn sie können im eigenen Haus und in der Branche mit exklusiven Informationen und hochrangigen Interviewpartnern punkten.“

Die Karriereleiter von Top-Journalisten beschert den Medienakteuren manchmal sogar ein Ehrenamt in einer politischen oder wirtschaftlichen Organisation. Krüger lehnt das strikt ab: In seinen Untersuchungen gäbe es beispielsweise einen „Außenpolitik-Ressortleiter und einen ZDF-Hauptstadtstudioleiter“, die durch ein solches Amt „die Bundesregierung in Sicherheitsfragen berieten“. Die Ergebnisse seiner Studie sind in dem Buch „Meinungsmacht“ zusammengefasst.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft OWZE-Prognose 2024: Minimales Wirtschaftswachstum für Deutschland erwartet
02.05.2024

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OWZE) geht von einem minimalen Wirtschaftswachstum für Deutschland...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck
02.05.2024

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf die...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Technologie
Technologie Infineon vor herausforderndem Quartal: Augenmerk auf Zukunftsaussichten
02.05.2024

Der Chiphersteller Infineon sieht schwieriges Quartal voraus, mit moderaten Rückgängen und angespanntem Automobilmarkt. Wie geht es...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin als Geldanlage: „Das ist gleichzusetzen mit einem Besuch im Casino“
02.05.2024

Bitcoin entzweit trotz neuer Kursrekorde die Anlegergemeinschaft. Die einen halten große Stücke auf den Coin, die anderen sind kritisch....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...