Deutschland

DIW rät Merkel: Vor Wahl nicht über nächste Griechenland-Rettung sprechen

Das zu einem signifikanten Teil aus Steuergeldern finanzierte Institut für Wirtschaftsforschung rät der Bundesregierung, den unausweichlichen Schuldenschnitt für Griechenland nicht mehr vor der Bundestagswahl zu thematisieren. Die Botschaft ist jedoch klar: Die Griechen haben die Auflagen der Troika nicht erfüllt, also ist jetzt der deutsche Steuerzahler in der Pflicht.
12.08.2013 01:30
Lesezeit: 2 min

Griechenland habe die Auflagen der Troika nicht erfüllen können. Wichtige Reformen seien nicht durchgeführt worden. Es seien viel weniger Privatisierungen durchgeführt worden, als ursprünglich vorgesehen. Auch die Steuereinnahmen fließen nicht so, wie geplant, sagte DIW-Chef Marcel Fratzschner.

Aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive ist es „eindeutig, dass die griechischen Staatsschulden nicht nachhaltig sind“, sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in einem Interview mit DLF. Man solle so etwas aber „nicht vor der Bundestagswahl besprechen“. Danach sei der öffentliche Geldgeber, „also auch die Bundesregierung und der deutsche Staat und damit der deutsche Steuerzahler in der Pflicht“.

Wörtlich sagte Fratzschner:

„Ja, ich denke, das Thema wird früher oder später aufkommen. Natürlich ist kein Appetit da. Man sollte so was auch nicht vor der Bundestagswahl politisch besprechen, aber von der wirtschaftswissenschaftlichen Perspektive ist eindeutig, dass die griechischen Staatsschulden nicht nachhaltig sind.

Griechenland hat die Auflagen, die ihm im Programm gemacht wurden von den Europäern und auch dem Internationalen Währungsfond, nicht erfüllen können. Wichtige Reformen sind nicht durchgeführt. Zum Beispiel auf der Privatisierungsseite wurde viel weniger privatisiert als vorgesehen. Steuereinnahmen fließen nicht so, wie das geplant war.“

Die Konsequenzen müssen nach Ansicht des DIW-Chefs die Deutschen tragen:

„Und das wird konkret auch bedeuten, dass wir darüber nachdenken müssen, einen Schuldenschnitt, einen Schuldenerlass zu geben. Und dann ist der öffentliche Geldgeber, also auch die Bundesregierung und der deutsche Staat und damit der deutsche Steuerzahler in der Pflicht.

Diese Logik hat es in sich: Griechenland hat seine Auflagen nicht erfüllt, also ist der deutsche Steuerzahler in der Pflicht.

Mit dieser Ansicht steht das DIW nicht allein. Auch die Deutsche Bundesbank geht davon aus, dass der Zahltag näher rückt. 

In einem Bericht, über den der Spiegel schreibt, vermutet die Bundesbank spätestens im Frühjahr 2014 einen neuen Schuldenschnitt für Griechenland. Dann kommen neue Kosten auf Banken und Steuerzahler in Deutschland zu.“

Fratzschner warnt vor der „Wahrnehmung“, Deutschland habe alles richtig gemacht:

„Wir wachsen dieses Jahr wahrscheinlich mit 0,4 Prozent, letztes Jahr mit 0,7 Prozent. Wenn Sie sich eine längere Perspektive angucken, wenn Sie bis 2000 zurückgehen, sehen Sie, dass die meisten Deutschen heute ein niedrigeres Einkommen haben, Realeinkommen“, als im Jahr 2000.

Den Hauptgrund sieht das DIW in einer Studie darin, dass Deutschland zu wenig in seine Wirtschaft investiere.

„Wir berechnen, dass es eine Investitionslücke von 75 Milliarden Euro gibt. Das heißt ganz konkret, dass unsere Fähigkeit, in der Zukunft Beschäftigung zu schaffen, Arbeitsplätze zu schaffen, aber vor allem auch Lohnanstiege, dynamische Lohnentwicklung zu ermöglichen, sehr, sehr begrenzt sind.“

Deutschland sei als Wirtschaftsstandort gefährdet. Der Überschuss in der Haushaltskasse solle dazu verwendet werden, diese Investitionslücke im Bereich der Verkehrsinfrastruktur und der Bildung zu schließen. Das soll der Wirtschaft in Deutschland wieder auf die Beine helfen. Am besten noch bevor der nächste Zahltag in Griechenland ansteht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Meloni wird Trumps Brücke nach Europa
24.04.2025

Giorgia Meloni etabliert sich als bevorzugte Gesprächspartnerin Donald Trumps – und verschiebt das diplomatische Gleichgewicht in Europa.

DWN
Politik
Politik Rot-Grüner Koalitionsvertrag für Hamburg steht
24.04.2025

SPD und Grüne wollen in Hamburg weiter gemeinsam regieren – trotz veränderter Mehrheitsverhältnisse. Der neue Koalitionsvertrag steht,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Warum irische Firmen im deutschen Green-Tech-Boom Milliardenwachstum anstreben
24.04.2025

Irlands Green-Tech-Firmen erobern den deutschen Markt – mit strategischem Fokus auf Energie, Infrastruktur und Digitalisierung.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Der Goldpreis fällt – Ist der Gipfel bereits überschritten?
24.04.2025

Nach einem historischen Rekordhoch hat der Goldpreis nun zum zweiten Mal in Folge deutlich nachgegeben – ein möglicher Wendepunkt am...

DWN
Politik
Politik USA und China: Handelsgespräche stehen still – Trump setzt weiter auf Eskalation
24.04.2025

Washington und Peking liefern sich einen erbitterten Handelskrieg – von Verhandlungen fehlt jede Spur. Trumps Strategie setzt weiter auf...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: Trump glaubt an Deal mit Moskau – und kritisiert Selenskyj
24.04.2025

Donald Trump sieht eine Einigung mit Russland zum Greifen nah – und gibt Präsident Selenskyj die Schuld an der Fortdauer des Krieges....

DWN
Technologie
Technologie Das neue Gold der Energiewende: Warum Batteriespeicher zur Überlebensfrage werden
24.04.2025

Während Europas grüne Agenda ins Wanken gerät und geopolitische Schocks die Energielandschaft umkrempeln, kündigt sich eine neue Ära...

DWN
Panorama
Panorama Deutsche Bahn: Warum die Generalsanierung Jahre dauern wird
24.04.2025

Unpünktlich, überlastet, marode: Die Bahn steckt fest. Die Bundesregierung will mit Milliarden gegensteuern – doch selbst optimistische...