Deutschland

ZDF erzählt Märchen über einen „Boom“ in Spanien

Lesezeit: 2 min
24.10.2013 16:58
Das ZDF berichtet: In Spanien boomt die Wirtschaft. Die Tatsachen belegen das Gegenteil. Doch offenbar sollen die Nachrichten, die als Pausenfüller für die sündhaft teure Champions League gepresst werden, den Deutschen nicht die Laune verderben. Das System hat den Begriff der Grundversorgung in sein Gegenteil verkehrt.
ZDF erzählt Märchen über einen „Boom“ in Spanien

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Wer am Mittwoch das ZDF-Heute Journal (hier in der Mediathek, ab 7:40) gesehen hat, konnte staunen: In einer Meldung über Spaniens Wirtschaft wurde freudig verkündet, dass die spanische Wirtschaft boomt. Exporte und Tourismus boomen. Das Land komme mit einem Wirtschaftswachstum von 0,1 Prozent aus der Rezession und wachse damit, wenn auch nur ganz leicht.

Das ist pure Propaganda.

Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache.

Eine ganz andere Sprache.

Im dritten Quartal gibt es zwar insgesamt mehr Jobs. Doch es sind vor allem schlecht bezahlte Teilzeit-Jobs. Die Zahl der Vollzeit-Stellen ist erneut massiv eingebrochen.

Insgesamt hatten im dritten Quartal 16,8 Millionen Spanier einen Job, berichtet die spanische Statistikbehörde INE. Das sind circa eine halbe Million weniger Arbeitslose als noch ein Jahr zuvor. Die Arbeitslosenquote ist auf 26 Prozent gefallen.

Zwar ist die Zahl der Beschäftigten im Vergleich zum zweiten Quartal um 40.000 gestiegen. Doch dieser Anstieg bei der Beschäftigung betrifft vor allem die befristeten Verträge (+170.000). Die Zahl der Festanstellungen fiel in nur einem Quartal um 150.000. Heute gibt es nur noch 10,4 Millionen unbefristete Jobs. Das sind 400.000 weniger als noch vor einem Jahr.

Besonders dramatisch ist der Rückgang bei den Vollzeit-Stellen. Im dritten Quartal arbeiteten nur 14,2 Millionen Spanier in Vollzeit. Das sind 200.000 weniger als im zweiten Quartal. Im dritten Quartal 2012, also nur ein Jahr zuvor hatten noch 14,8 Millionen Spanier einen Vollzeit-Job.

Der Rückgang der Vollzeit-Jobs um 600.000 in nur einem Jahr zeigt die tatsächliche Entwicklung auf dem spanischen Arbeitsmarkt deutlicher als die offiziellen Zahlen, welche die vollen und halben Stellen gleichbehandeln. Dieselbe statistische Verzerrung findet sich auch in den Arbeitslosen-Zahlen der US-Behörden.

Unter dieser Entwicklung leiden vor allem die jungen Leute. Die Zahl der arbeitslosen Spanier im Alter von 16 bis 24 Jahren ist im dritten Quartal auf 943.000 gestiegen. Das ist ein Anstieg um 9.800 in nur einem Quartal.

Während der spanische Arbeitsmarkt sich weiter verschlechtert, steigen die Schulden des Staates. Im kommenden Jahr dürfte der Schuldenberg die eine Billion-Euro-Marke erreichen (mehr hier). Zwar explodiert der spanische Aktienmarkt. Doch die Wirtschaft des Landes hat sich nie vom Platzen der Immobilienblase im Jahr 2007 erholt.

Man fragt sich, warum die Öffentlich-Rechtlichen Sender einen Zwangsbeitrag von 8 Milliarden Euro jährlich einstreifen, wenn sie all diese Fakten in einer einzigen kurzen Meldung ignorieren können.

Die Antwort ist einfach: Das Heute-Journal war an diesem Abend nur in Kurzform zu sehen - als Pausenfüller in der Halbzeitpause des Fußballspiels Bayern München gegen Pilsen.

ZDF und ARD haben für viel, viel Geld die Rechte an der Champions League gekauft, weil Fußball nach Ansicht des Staatsfernsehen zur Grundversorgung zählt.

Dorthin geht das Geld.

Die klassischen Redaktionen müssen sparen.

Information zählt nicht zur Grundversorgung in diesem System.

Sie ist Teil der Unterhaltung.

Und da ist kein Raum für schlechte Nachrichten.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Immobilien
Immobilien Die teuersten deutschen Immobilien in 2024: Welche Städte sind die Spitzenreiter?
27.12.2024

Der deutsche Luxusmarkt scheint wieder gesund und munter zu sein, nachdem das Segment im Jahr 2023 unter Druck geraten ist als Verkäufe...

DWN
Politik
Politik In der deutschen Wirtschaft überwiegt Pessimismus
27.12.2024

Wohin steuert die deutsche Wirtschaft nach dem zweiten Rezessionsjahr in Folge? Viele Verbände blicken mit Sorgen nach vorn. Die Gründe...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Clean Industrial Deal: Warum die EU jetzt handeln muss
26.12.2024

Vor fünf Jahren setzte die EU mit dem Europäischen Green Deal neue Maßstäbe im globalen Klimaschutz. Heute, angesichts wachsender...

DWN
Politik
Politik „Atomkraft? Nein Danke“: Habeck-Ministerium manipulierte wohl AKW-Studie für Atomausstieg
26.12.2024

Manipulation im Wirtschaftsministerium? Wie interne Unterlagen jetzt aufdecken, soll das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck gezielt...

DWN
Politik
Politik Papst eröffnet Heiliges Jahr mit Hoffnungsbotschaft
26.12.2024

Ein strammes Programm hatte der gesundheitlich angeschlagene Papst an Weihnachten zu stemmen: Er eröffnete das Heilige Jahr der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland schafft Gasspeicherumlage ab: Entlastung für Nachbarländer, Mehrkosten für Verbraucher
26.12.2024

Deutschland verabschiedet sich von der umstrittenen Gasspeicherumlage an Grenzübergangspunkten zu Nachbarländern. Mit einer Änderung des...

DWN
Immobilien
Immobilien Sechs Jahre Mietenstopp: Können Mietpreiserhöhungen gesetzlich verboten werden?
26.12.2024

Der aktuelle Wohnmarkt bereitet Volk wie Bundesregierung Kopfzerbrechen. Laut Umfragen glauben immer weniger Deutsche daran, sich den Traum...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Überstunden steuerfrei: Ab 2025 wird es Realität?
26.12.2024

Überstunden ab 2025 steuerfrei? Wenn diese Pläne Wirklichkeit werden, könnten Arbeitnehmer von einer höheren Auszahlung ihrer...