Deutschland

Europa wird zum Seniorenheim

Die Bundesregierung ist nicht ausreichend auf die demographischen Veränderungen in Deutschland und Europa vorbereitet. Die Sozialsysteme sind nicht dauerhaft zu finanzieren. Die Entwicklung ist unumkehrbar - sie kann bestenfalls abgemildert werden.
15.08.2013 03:48
Lesezeit: 1 min

Deutschland braucht eine neue Demografie-Strategie. Die Überalterung der Gesellschaft betrifft fast alle Staaten in Europa. Nach Angaben von Eurostat wird der Anteil der 60-Jährigen bis 2050 von 24 auf 38 Prozent steigen. Die Zahl der 20- bis 40-Jährigen wird von 40 auf 29 Prozent sinken. Das Renteneintrittsalter müsse daher an die Lebenserwartung gekoppelt werden, fordert das Berliner Institut für Bevölkerung und Entwicklung (BI).

Im Diskussionspapier des Berliner Instituts wird eine „Anleitung zum Wenigersein“ präsentiert. Gemeint ist der richtige Umgang mit dem Rückgang der Bevölkerung. Der Trend ist unvermeidbar. Trotzdem müsse die Politik in den Bereichen Familienpolitik, Fachkräftesicherung, Sozialsysteme und Regionalpolitik gegensteuern. Der bisherige Entwurf der Bundesregierung lasse sich selbst mit Rekordsteuern und Wirtschaftsboom nicht finanzieren.

Die Familienpolitik der Bundesregierung sei „teuer, ineffizient und ohne klares Ziel“. Einige Elemente widersprechen sich. Insgesamt gibt es 160 verschiedene ehe- und familienbezogene Leistungen – ein bürokratischer Djungel. Familienpolitik sollte nur diejenigen unterstützen, „die auch durch Kindererziehung und Pflege Verantwortung übernehmen – und zwar unabhängig von Ehestand und Verwandtschaftsgrad“, fordert das BI. Die Infrastruktur für kindliche Betreuung muss weiterhin ausgebaut werden.

Deutschland brauche mehr Fachkräfte aus dem Ausland. Die Aktivierung der Arbeitslosen, Frauen und Älteren in Deutschland hat „noch immer“ Vorrang vor der Anwerbung von Menschen aus anderen Ländern. Nach Ansicht des BI muss Deutschland für ausländische Fachkräfte attraktiver werden, „etwa durch Sprachangebote im Ausland oder Starthilfen für Neuankömmlinge“.

Die Rente mit 67 steht ebenso auf dem Prüfstand. Das Renteneintrittsalter müsse an die Lebenserwartung gekoppelt werden, lautet die Maxime. Das ist den Deutschen sehr wohl bewusst. Viele stellen sich bereits auf eine Rente ab 70 ein (mehr hier). Bereits in zehn Jahren könnte es so weit sein. Dann geht nämlich die Generation der Baby-Boomer in Rente. Die zukünftigen Reformen sind bereits absehbar. Die Kosten entwickeln sich dramatisch (siehe Grafik links).

Die Regionalentwicklung muss reformiert werden. In ländlichen Gebieten bedroht der Bevölkerungsrückgang die Versorgungsstruktur am meisten. Die Politik müsse „vom Primat gleichwertiger Lebensverhältnisse Abschied nehmen“. Das bedeutet: Kommunen, die die eigene Bevölkerung halten können, sollen unterstützt werden. Gebiete, die trotz Unterstützung nicht auf die Beine kommen, sollen „beim Rückbau und Rückzug unterstützt werden“.

Ganze Gemeinden könnten zu Geisterstädten verkommen. Die Verwaltung soll „das Schrumpfen organisieren und einen Ordnungsrahmen für das Kleinerwerden aufstellen.“ Deutschland ist an der Front des demografischen Wandels und muss Pionierarbeit leisten. Für die Deutschen heißt das: Augen zu und durch, und dabei hoffen, dass das Experiment beim ersten Mal gelingt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...

DWN
Panorama
Panorama Umfrage: Vielen Bädern fehlt das Personal
31.05.2025

Viele Bäder in Deutschland haben laut einer Umfrage mit Personalengpässen zu kämpfen. So hatten 38 Prozent der befragten Hallen- und...

DWN
Finanzen
Finanzen Trump plant Milliardeninvestition in Bitcoin und andere Kryptowährungen
31.05.2025

Donald Trump will Bitcoin zur Staatsangelegenheit machen – mit Milliarden-Investitionen seiner Mediengruppe. Während der Markt jubelt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Monopol auf Seltene Erden wankt – doch der Westen zahlt den Preis
31.05.2025

China kontrolliert die Welt der Seltenen Erden – und lässt Konkurrenz nur zu ihren Bedingungen zu. Neue Minen entstehen, doch ihre...