Politik

Zypern: Troika will uns „zu Kolonie der schlimmsten Art machen“

Der Parlaments-Präsident von Zypern fürchtet, dass Zypern unter der Troika keine Zukunft haben werde. Er fordert den Austritt Zyperns aus dem Euro - und einen eigenständigen Weg nach dem Vorbild Islands. Ein solcher wäre in der Tat eine Alternative für die Mittelmeer-Insel.
01.04.2013 01:32
Lesezeit: 4 min

Der zypriotische Parlaments-Präsident Yiannakis Omirou sieht in den Plänen der Troika keine Zukunft für Zypern. Wie die Famagusta Gazette am Sonntag berichtet, fürchtet Omirou, dass die Pläne der Troika für Zypern immer mehr Forderungen enthalten. Die Troika werde Zypern „zu einer Kolonie der schlimmsten Art machen“. Omirou: „Ich möchte die Botschaft an das Volk von Zypern senden, dass es keine Alternativcen dazu gibt, das Land von den Forderungen der Troika zu befreien“. Omirou fordert, dass Zypern das Memorandum mit der EU aufkündigt und aus dem Euro austritt. Auch dieser Weg werde Opfer verlangen, er sei aber geeignet, „ dass wir unsere nationale Unabhängigkeit, unsere staatliche Souveränität, unsere moralische Integrität und unsere wirtschaftliche Unabhängigkeit wiedergewinnen“.

Omirou plädiert, wie andere mittlerweile auch, für einen isländischen Weg in Zypern (hier). Sogar der IWF lobt Island ausdrücklich dafür, die Krise selbständig und auf sozial verträglichem Weise hinter sich gelassen zu haben. Der isländische Präsident hatte kürzlich erst die Europäer aufgefordert, die Banken pleitegehen zu lassen, weil diese keine heiligen Kirchen seien, die unter Artenschutz stehen (hier).

Von allen stark betroffenen Krisen-Staaten war Island der einzige, der seine hochverschuldeten Banken nicht mit Steuergeld rettete, sondern sie unter staatliche Aufsicht stellte. Obwohl der Crash des isländischen Finanzsektors in Relation zur Wirtschaftsleistung des Landes der größte der Geschichte war, steht das Land heute besser da, als alle Eurostaaten, in denen mit Manipulationen interveniert wurde.

In Island zahlten Gläubiger

Drei Gründe waren entscheidend für die geglückte Erholung: Erstens wurden ausländische Investoren für ihre Risikobereitschaft zur Verantwortung gezogen, anstatt die isländischen Steuerzahler die Zeche zahlen zu lassen. Die drei führenden Banken, die zuvor mehr als 85 Prozent des isländischen Finanzmarktes beherrschten, wurden völlig umgekrempelt.

Die einheimischen Guthaben blieben unangetastet, ausländische Gläubiger, in den Jahren zuvor angelockt von fantastisch hohen Renditen, mussten für die Banken haften. Damals wurde dieses Vorgehen vom IWF noch alles andere als gutgeheißen. Der Währungsfonds wollte Hilfskredite für das taumelnde Land davon abhängig machen, dass die vorwiegend britischen und niederländischen Gläubiger zumindest einen Teil ihrer Einlagen zurückbekämen. Gleich zweimal wurden die IWF-Pläne zur Rettung der ausländischen Investoren mittels Volksabstimmungen abgelehnt – beide Male mit überwältigender Mehrheit. Das Unterfangen, sich gegen die IWF-Rettungspläne durchzusetzen, gelang in Irland später übrigens nicht mehr (hier).

Zweitens wurden vorübergehende Einschränkungen des Kapitalverkehrs eingeführt, die noch bis Ende dieses Jahres gelten. Isländer können ihre Kronen nur in andere Währungen tauschen, wenn sie einen Nachweis über die Ausreise, wie etwa ein gültiges Flugticket, vorweisen. Auch damit widersetzte man sich den Vorgaben des IWF. Drittens stützte die starke Abwertung der isländischen Krone die Exportwirtschaft des Inselstaates. Die Währung verlor 50 Prozent ihres Wertes, die Inflation lag im zweistelligen Bereich. 2009 stieg die Arbeitslosenquote auf 9 Prozent, von einem Ausgangsniveau, das nahe an der Vollbeschäftigung lag.

Islands Wirtschaft hat sich erholt

Heute sprechen die isländischen Wirtschaftsdaten, auch wegen dem durch die Abwertung hervorgerufenen Handelsüberschuss, eine ganz andere Sprache: Mitte 2012 lag die Arbeitslosigkeit bereits wieder bei moderaten 4,8 Prozent. Schon im vergangenen Frühjahr konnte mit der vorzeitigen Rückzahlung der Hilfskredite von IWF und skandinavischen Partnerstaaten begonnen werden. Für das Jahr 2013 werden ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent und sogar ein Überschuss im Staatshaushalt prognostiziert. Und dass, nachdem die staatlichen Gesamtkosten für die Übernahme aller inländischen Guthaben und die Neuordnung des Bankensektors sich nach Angaben von Statistics Iceland auf 22,5 Prozent des BIP beliefen.

Gänzlich andere Zahlen liegen für jene Staaten vor, die bisher in den Genuss der Errettung durch EZB, IWF und EU gekommen sind. Es ist also keine Frage der Ideologie, die an den Programmen der Technokraten der großen finanzpolitischen Player zweifeln lässt. Die Ineffizienz der Sparpolitik der letzten Jahre ist vielmehr ein Faktum. Wäre das Land in der EU, hätte Island wohl das gleiche Szenario gedroht, wie es die ersten Opfer der systemischen Krise in Südeuropa heute durchlaufen. Islands amtierender Präsident, Olafur Ragnar Grimsson, hat also Recht, wenn er das in seinem Land umgesetzte Modell auch den anderen europäischen Ländern empfiehlt, die von der Schuldenkrise betroffen sind, insbesondere Zypern.

Island und Zypern

Die Vergleiche zwischen den Staaten sind durchaus nachvollziehbar. Die Bilanzen der isländischen Banken wiesen vor deren Kollaps das Zehnfache des BIP des Landes auf. Mit dem Achtfachen seines BIP war der Finanzsektor in Zypern ähnlich überdimensioniert. Beide Länder haben in etwa eine gleich große Wirtschaftsleistung, und beide Bankensysteme sind ähnlich stark mit anderen Ländern verstrickt. Weder Island noch Zypern waren und sind groß genug, um die Gesamtstabilität der Eurozone zu gefährden.

Auch die Mitgliedschaft Zyperns in der Europäischen Währungsunion stellt kein grundsätzliches Hindernis dar, sich im Falle Zyperns an den rigorosen Maßnahmen der Isländer zu orientieren. Während die Abwertung der inländischen Währung beim Eurostaat Zypern tatsächlich nur bei einem Austritt aus der Währungszone möglich wäre – freilich mit weitreichenden Folgen auf vielen Ebenen – so ließen sich jene Lehren aus der isländischen Krisenbewältigung, die mit der Ausgestaltung des Wohlfahrtsstaates zu tun haben, auch in der EU problemlos umsetzen. Island zeigt: Starke Ausgabenkürzungen und Einschnitte bei Löhnen und Sozialversicherungen sind weder notwendig noch zielführend.

EU-Sparkurs ist der falsche Ansatz

Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman spricht diese Woche in seiner Kolumne für die New York Times denn auch von Anzeichen einer löblichen „Islandisierung“ der Zypern-Krise – und meint damit den Versuch, ausländische Risiko-Investoren zur Kasse zu bitten. Wenn die betroffenen Steuerflüchtlinge ihr Geld nicht längst woanders geparkt hätten (hier), könnte man vielleicht wirklich davon sprechen. Auch die bisher als in der Eurozone undenkbar gehaltenen Kapitalverkehrskontrollen sind nun offensichtlich doch möglich. Der Fall Zypern zeigt aber auch: Eine Änderung der auf Sparzwang und Sozialabbau basierenden Rettungspolitik der Troika aus IWF, EZB und EU-Kommission ist in weitere Ferne gerückt denn je. Und damit auch eine Umstellung auf eine zukunftsfähige Gestaltung der Wirtschaftssysteme à la Island.

Der Widerstand, der der Troika nun in Zypern entgegenschlägt, wird von dieser mit immer neuen Horror-Szenarien gekontert.

Möglicherweise ist Zypern wegen seiner durch und durch korrupten Politik nicht in der Lage, einen Weg wie die Isländer zu gehen.

Der Appell des Parlaments-Präsidenten, sich aus dem Euro zu verabschieden und sich nicht dem Diktat der Troika zu unterwerfen, zeigt jedoch: Europa beginnt, zumindest im Zerfall, über Alternativen nachzu denken.

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