Finanzen

Freiwillige Selbstkontrolle: Draghi will Karlsruhe milde stimmen

Lesezeit: 2 min
10.06.2013 02:46
Im Vorfeld der Verhandlungen des Bundesverfassungsgerichts am Dienstag und Mittwoch dieser Woche hat die EZB mittels eines juristischen Gutachtens, das inzwischen dem Gericht vorliegt, eine Begrenzung ihres OMT-Programms auf 524 Milliarden Euro vorgenommen. Offenbar, um das Programm der EZB in der Beurteilung des Gerichts juristisch weniger anfechtbar darzustellen.
Freiwillige Selbstkontrolle: Draghi will Karlsruhe milde stimmen

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Bis etwa Mitte vergangenen Jahres hatte die EZB im Rahmen ihres sogenannten „Stabilitätsprogramms“ Staatsanleihen (Bonds) der Peripherieländer im Wert von 218 Milliarden Euro aufgekauft, darunter von Irland mit 14,2 Milliarden, Portugal mit 22,8 Milliarden, Griechenland mit 33,9 Milliarden, Spanien mit 44,3 Milliarden und Italien mit 102,8 Milliarden Euro. Das Programm war ins Kreuzfeuer scharfer Kritik geraten, zumal die Anleihenaufkäufe der EZB erst sehr viel später in der Öffentlichkeit bekannt wurden.

Zudem wurde die Rechtmäßigkeit des Programms infrage gestellt, heißt es doch im Artikel 123 (1) im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der sich auf Artikel 104 (1) des Maastricht-Vertrages bezieht: „Der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln der Regierungen durch die Europäische Zentralbank ist verboten“. Das Verbot bezieht sich klar auf die Untersagung von monetärer Staatsfinanzierung durch die EZB. Die EZB wiederum argumentierte trickreich, die Ankäufe dienten keineswegs der monetären Staatsfinanzierung, sondern seien „außergewöhnliche geldpolitische Maßnahmen“.

Die EZB stellte die Anleiheaufkäufe im Mai 2012 ein, nur um kurze Zeit später – im September 2012 – das OMT-Programm (Outright Monetary Transactions) zu verkünden. Dies sollte Bondskäufe in unbegrenzter Höhe der Krisenstaaten sowohl auf dem Primär- wie auf dem Sekundärmarkt beinhalten (Mario Draghi: „Whatever it takes to preserve the Euro“). Allerdings nur für ein- bis dreijährige Staatsanleihen und unter der Voraussetzung, dass sich der jeweilige Staat vorher unter den „Rettungsschirm“ EFSF bzw. ESM begibt und entsprechende Auflagen erfüllt.

Der erste Effekt war, dass die Zinsen für Staatsanleihen der Krisenländer sanken. Der zweite Effekt bestand darin, dass die Kritiker des Programms und 37.000 Bürger mit verschiedenen Eilanträgen vor das Bundesverfassungsgericht zogen. Im Urteil des Gerichts im September 2012 wurden die Bondskäufe zur Haushaltsfinanzierung durch die EZB auf dem Sekundärmarkt untersagt.

Im mündlichen Hauptsacheverfahren – ESM/EZB – wird nun kommenden Dienstag und Mittwoch verhandelt. Offenkundig bekommt die EZB jetzt eiskalte Füße. Vorab stellte sie dem höchsten bundesdeutschen Gericht ein juristisches Gutachten zu, in dem sie ihr OMT-Programm freiwillig am Primärmarkt begrenzt.

Dies soll sich nun auf ein Volumen von maximal 524 Milliarden Euro für Bonds von Spanien, Italien, Irland und Portugal belaufen. Sozusagen als Vorwegnahme einer möglichen Begrenzung von Anleihenaufkäufe durch das Gericht. Womit die EZB mehr als nur ihr Gesicht verlieren würde.

Denn die Anleihen aller genannten Länder, mitsamt fünf- und zehnjährigen Laufzeiten hätten ein Volumen von mehr als 2,2 Billionen Euro betragen.

Die Beschränkung, die sich die EZB nun in diesem Gutachten selbst gibt, bezieht sich wiederum auf die Voraussetzung, dass ein Staat sich vorher unter den „Rettungsschirm“ ESM begibt, mitsamt noch zu verhandelnden Auflagen durch die EU, sowie die Begrenzung auf Bondskäufe durch die EZB auf Bonds mit ein- bis dreijährigen Laufzeiten.

Auch sollen diese Anleihen durch die EZB nur dann angekauft werden, wenn sie eine gewisse Zeitspanne (die nicht definiert ist) bereits auf dem Markt platziert sind.

Allerdings ist damit keineswegs ausgeschlossen, dass Krisenstaaten künftig statt Staatsanleihen mit fünf- oder zehnjährigen Laufzeiten nur noch Bonds mit ein- bis dreijährigen Laufzeiten auf dem Anleihemarkt platzieren und somit das Ankaufprogramm der EZB nach Billigung durch das Bundesverfassungsgericht wiederum weitaus größere Volumina erreichen werden.

Ebenfalls dürfte klar sei, dass die Auflagen, die nach Inanspruchnahme des ESM parallel zu den Bondskäufen der EZB mit der EU ausgehandelt werden sollen, dem bekannten Weichspülprogramm unterzogen werden.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Politik
Politik Neue EU-Kommission: Nach heftigen Streit auf „umstrittenes“ Personal geeinigt
21.11.2024

Nach erbittertem Streit haben sich die Fraktionen im EU-Parlament auf die künftige Besetzung der Europäischen Kommission geeinigt. Warum...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit neuem Rekordhoch - geht es jetzt Richtung 100.000 US-Dollar?
21.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch - und am Donnerstag legt die wichtigste Kryptowährung direkt nach. Seit dem Sieg von Donald Trump bei...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Wirecard-Zivilprozess: Ein Musterkläger für 8500 Aktionäre - Kommt eine Entschädigung für Aktionäre?
21.11.2024

Holen sich Wirecard-Aktionäre jetzt eine Milliarden-Entschädigung von EY? Viereinhalb Jahre nach der Wirecard-Pleite geht es vor dem...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ifo-Umfrage: Industrie bewertet Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit miserabel
21.11.2024

Seit 1994 hat die Industrie ihre Lage nicht mehr so schlecht eingeschätzt, sagt das ifo Institut. Im EU-Vergleich stehen deutsche...

DWN
Panorama
Panorama Finnland startet Ermittlungen zum Kabelschaden in der Ostsee
21.11.2024

Nachdem die schwedischen Behörden bereits tätig wurden, hat nun auch die finnische Kriminalpolizei Ermittlungen zu einem Kabelschaden in...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Nach vier Jahren: Castor-Transport erreicht Deutschland
20.11.2024

Nach vier Jahren hat erstmals wieder ein Castor-Transport mit hochradioaktiven Abfällen aus dem Ausland Deutschland durchquert. Der Zug,...