Bis etwa Mitte vergangenen Jahres hatte die EZB im Rahmen ihres sogenannten „Stabilitätsprogramms“ Staatsanleihen (Bonds) der Peripherieländer im Wert von 218 Milliarden Euro aufgekauft, darunter von Irland mit 14,2 Milliarden, Portugal mit 22,8 Milliarden, Griechenland mit 33,9 Milliarden, Spanien mit 44,3 Milliarden und Italien mit 102,8 Milliarden Euro. Das Programm war ins Kreuzfeuer scharfer Kritik geraten, zumal die Anleihenaufkäufe der EZB erst sehr viel später in der Öffentlichkeit bekannt wurden.
Zudem wurde die Rechtmäßigkeit des Programms infrage gestellt, heißt es doch im Artikel 123 (1) im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der sich auf Artikel 104 (1) des Maastricht-Vertrages bezieht: „Der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln der Regierungen durch die Europäische Zentralbank ist verboten“. Das Verbot bezieht sich klar auf die Untersagung von monetärer Staatsfinanzierung durch die EZB. Die EZB wiederum argumentierte trickreich, die Ankäufe dienten keineswegs der monetären Staatsfinanzierung, sondern seien „außergewöhnliche geldpolitische Maßnahmen“.
Die EZB stellte die Anleiheaufkäufe im Mai 2012 ein, nur um kurze Zeit später – im September 2012 – das OMT-Programm (Outright Monetary Transactions) zu verkünden. Dies sollte Bondskäufe in unbegrenzter Höhe der Krisenstaaten sowohl auf dem Primär- wie auf dem Sekundärmarkt beinhalten (Mario Draghi: „Whatever it takes to preserve the Euro“). Allerdings nur für ein- bis dreijährige Staatsanleihen und unter der Voraussetzung, dass sich der jeweilige Staat vorher unter den „Rettungsschirm“ EFSF bzw. ESM begibt und entsprechende Auflagen erfüllt.
Der erste Effekt war, dass die Zinsen für Staatsanleihen der Krisenländer sanken. Der zweite Effekt bestand darin, dass die Kritiker des Programms und 37.000 Bürger mit verschiedenen Eilanträgen vor das Bundesverfassungsgericht zogen. Im Urteil des Gerichts im September 2012 wurden die Bondskäufe zur Haushaltsfinanzierung durch die EZB auf dem Sekundärmarkt untersagt.
Im mündlichen Hauptsacheverfahren – ESM/EZB – wird nun kommenden Dienstag und Mittwoch verhandelt. Offenkundig bekommt die EZB jetzt eiskalte Füße. Vorab stellte sie dem höchsten bundesdeutschen Gericht ein juristisches Gutachten zu, in dem sie ihr OMT-Programm freiwillig am Primärmarkt begrenzt.
Dies soll sich nun auf ein Volumen von maximal 524 Milliarden Euro für Bonds von Spanien, Italien, Irland und Portugal belaufen. Sozusagen als Vorwegnahme einer möglichen Begrenzung von Anleihenaufkäufe durch das Gericht. Womit die EZB mehr als nur ihr Gesicht verlieren würde.
Denn die Anleihen aller genannten Länder, mitsamt fünf- und zehnjährigen Laufzeiten hätten ein Volumen von mehr als 2,2 Billionen Euro betragen.
Die Beschränkung, die sich die EZB nun in diesem Gutachten selbst gibt, bezieht sich wiederum auf die Voraussetzung, dass ein Staat sich vorher unter den „Rettungsschirm“ ESM begibt, mitsamt noch zu verhandelnden Auflagen durch die EU, sowie die Begrenzung auf Bondskäufe durch die EZB auf Bonds mit ein- bis dreijährigen Laufzeiten.
Auch sollen diese Anleihen durch die EZB nur dann angekauft werden, wenn sie eine gewisse Zeitspanne (die nicht definiert ist) bereits auf dem Markt platziert sind.
Allerdings ist damit keineswegs ausgeschlossen, dass Krisenstaaten künftig statt Staatsanleihen mit fünf- oder zehnjährigen Laufzeiten nur noch Bonds mit ein- bis dreijährigen Laufzeiten auf dem Anleihemarkt platzieren und somit das Ankaufprogramm der EZB nach Billigung durch das Bundesverfassungsgericht wiederum weitaus größere Volumina erreichen werden.
Ebenfalls dürfte klar sei, dass die Auflagen, die nach Inanspruchnahme des ESM parallel zu den Bondskäufen der EZB mit der EU ausgehandelt werden sollen, dem bekannten Weichspülprogramm unterzogen werden.