Bis zum 15. Juli acht Uhr morgens muss die AfD in Bayern 2.000 Unterschriften sammeln. Doch die Stimmung in der Partei ist gezeichnet von Streitigkeiten und deutlicher Kritik an der Demokratiefähigkeit der Partei. Keine besonders gute Voraussetzung, um damit in der bayerischen Öffentlichkeit für die AfD zu werben.
Erst wenige Monate vor der Bundestagswahl im September wurde der Landesverband Bayern gegründet. Wenig Zeit, um sich zu organisieren, Kreis- und Bezirksverbände aufzubauen und einen Landesvorstand zu wählen. Genau das ist Waltraud Berle zufolge auch das Problem. Es „führt ganz offenbar dazu, dass sich unqualifizierte Leute angezogen fühlen, die aus Gründen einer persönlichen Midlife-Crisis oder auch aus Gründen persönlicher wirtschaftlicher Misserfolge schnell noch an die Altersversorgungstöpfe der Parlamente eilen wollen“.
Gerade die schwierige Wahl des Landesvorstands hat in der AfD Bayern unter einigen Mitgliedern zu großem Unmut geführt (hier). Doch die Kritik über Teile des Vorstands und den Ablauf der Wahl wurde nicht überall in der Partei akzeptiert.
„Wahlmanipulation, Tricksereien“, aber auch „üble Nachrede, Parteiausschlüsse von Kritikern und sogar mafiose Kampagnen gegen unbotmäßige Personen“ habe es gegeben, sagte Waltraud Berle den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Sie war bis zu diesen Ereignissen stellvertretende Vorsitzende des Ortsverbandes München-West-Mitte.
Alexander Sproete machte vor allem im Social-Media-Bereich seine Erfahrungen mit diversen Vorgehensweisen im Landesverband. Er wurde nach kritischen Äußerungen bezüglich der Vorstandswahl in Nürnberg als User auf der AfD Bayernseite und der deutschlandweiten Seite der Partei gesperrt.
„Ich wurde vorher noch von einem Admin Bayernseite und Mitglied des Presseteams des LV Bayern angerufen. Er drohte mir mit Ärger, wenn ich die kritischen Beiträge nicht unterlasse. Später rief er mich wieder an und unterstellte mir, dass ich mit fremden Accounts Vorstandsmitglieder beleidige, was in keiner Weise der Wahrheit entsprach. Als ich dies abstritt, verlangte er Auskunft über die Identität dieser Accounts, weil sie zum Teil auf meiner Freundesliste standen. Wenn ich mich nicht äußere, würde es harte Konsequenten für mich geben von Parteiausschluss bis zur Strafanzeige. Weiterhin teilte er mir mit, dass er E-Mail-Adressen von mir ‚überprüft‘ hat, um meine Identität festzustellen. Dabei stellte sich heraus, dass er über alle anderen Foren Bescheid wusste, bei denen ich mit meinem E-Mail-Account angemeldet war.“
Inzwischen „bin ich nur noch Anfeindungen, Mobbing und Ausgrenzung ausgesetzt“, sagte Alexander Sproete den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.
Kritisch äußerte sich auch Frank Neubauer, der inzwischen aus der Partei ausgetreten ist. Nachdem er sich in E-Mail-Schreiben an andere AfD-Mitglieder und auch öffentlich bei einer Parteisitzung geäußert hatte, erhielt er einen „Drohanruf“. Frank Neubauer wurde an seinem Arbeitsplatz bei seiner Firma angerufen. „Das war angsteinflößend“, sagt er. Es sei „unheimlich viel Hass in der Stimme gewesen“. Mehrmals wurde ihm gesagt, er solle nicht so dumm sein und seine private und berufliche Existenz aufs Spiel zu setzen. Der Verfassungsschutz würde sich noch bei ihm melden. Mit einer Strafanzeige wurde Frank Neubauer ebenfalls gedroht.
Nach seinem Parteiaustritt wurde Neubauer dann auch in einem Schreiben von Erich Sand, dem Schatzmeister der AfD Schwaben, mitgeteilt, er solle den gesamten AfD-Schriftverkehr löschen. In dem Schreiben, das den Deutschen Wirtschafts Nachrichten vorliegt, heißt es unter anderem:
„Sämtliche kritische personenbezogenen Daten, welche Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit von der AfD erhalten haben, auch Dokumente zu Geschäftsvorgängen, sind von Privat- wie auch Firmenrechnern zu übergeben und danach zu löschen.“
Auf Nachfrage der Deutschen Wirtschafts Nachrichten sagte der Landesvorsitzende der AfD Bayern, Andre Wächter, dass er die von Frank Neubauer und anderen ehemaligen Mitgliedern angesprochenen Drohanrufe nicht nachvollziehen könne. Und das Schreiben von Erich Sand mit der Aufforderung zur Löschung sämtlicher Dokumente sei „kein offizieller Brief“ gewesen, so Wächter.
Insgesamt sei die „Lage im Landesverband eigentlich sehr ruhig“, es seien einige wenige Ex-Mitglieder, die ohne wirkliche Grundlage Ärger stiften wollten“, sagte Wächter. Es handelte sich dabei eher um Probleme im „zwischenmenschlichen Bereich“. Parteiausschlüsse habe es nicht gegeben. Lediglich drei Anträge auf Parteiausschluss, aber die betroffenen Mitglieder seien kurz darauf ausgetreten.
Doch Frank Neubauer ist nicht erst seit seinem Parteiaustritt kritisch. Und seine Wut richtet sich auch nicht gegen die gesamte Partei. Die Konflikte bezogen sich vor allem auf den Landesverband in Bayern. Noch immer findet er die AfD deshalb als Gegenstück zu den großen Parteien gut.
Dass es aber nicht nur Ex-Parteimitglieder sind, die schwere Vorwürfe erheben, zeigen Alexander Sproete und die Kreisvorsitzende des AfD Kreiverbandes Ostallgäu, Tina Geiger. Auch sie äußerte Kritik an der Art und Weise, wie der Landesvorstand der AfD Bayern gewählt wurde, und beschwerte sich zudem über die schlechte Vorbereitung und Ausstattung der einzelnen Kreisverbände bezüglich der anstehenden Wahlen. Seit geraumer Zeit bekomme sie „anonyme E-Mail, Drohanrufe, werde im Internet verleumdet und zum Teil in die rechtsextreme Ecke geschoben.“ In diesem Zusammenhang nannte sie den Deutschen Wirtschafts Nachrichten vor allem den Kreisvorsitzenden Oberbayern Nord, Rolf Heine.
Dieser hatte Tina Geiger in mails an Parteimitglieder mit rechtsextremen Kreisen in Verbindung gebracht. Rolf Heine bezog sich dabei zunächst auf die Facebook Seite der „Alternative für Deutschland / Kaufbeuren, zu denen sie Heine zufolge „enge Beziehungen pflegt“. Heine forderte zudem die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses. Tina Geigers Reaktion war die Forderungen eines Disziplinarverfahrens gegen Heine, woraufhin einer weitere mail von Heine folgte. Eine mail, in der Heine unter anderem schrieb:
„Ihre Ämter sollte Frau Geiger meiner Ansicht nach aus Gründen der parteiinternen Hygiene ruhen lassen oder zurücktreten und sich auch öffentlich nicht mehr äußern, bis alle Dinge vor einem Untersuchungsausschuss geklärt sind.“
„Das es innerhalb der Mitglieder Gezänke gibt, ist normal“, so der Landesvorsitzende Andreas Wächter. Herr Heine „hat wohl ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen“. Aber als Vorstand könne er da gar nichts machen. So etwas sei schade, aber bei 2.000 Mitgliedern könne man nicht bei jedem Streit als Landesvorstand dazwischen gehen. Man habe beide „zur Mäßigung aufgerufen“. Auch habe man Frau Geiger angeboten, „zu vermitteln, aber sie ist nicht drauf eingegangen“, sagte Wächter. Stattdessen sei sie an die Öffentlichkeit gegangen.
„Das Ende der Leidensfähigkeit ist erreicht“, sagte Tina Geiger. Nach der von Heine geforderten „parteiinternen Hygiene“ forderte Tina Geiger deshalb ebenfalls in einer E-Mail an AfD Parteimitglieder:
„Ich erwarte, daß hier UMGEHEND jemand tätig wird. Ansonsten werde ich Anzeige erstatten und an die Presse gehen. Die AfD – ein Tollhaus ?!? Und alle schauen zu.“
Die Antwort von Erich Sand, dem Schatzmeister der AfD Schwabe, folgte wenige Minuten später wieder per mail. Es bestehe gar kein Handlungsbedarf und er finde es ok, dass sie sich in einem Untersuchungsausschuss zu den Vorwürfen äußern dürfe.
Auf die Nachfrage der Deutschen Wirtschafts Nachrichten bezüglich angeblicher Drohanrufe, Denunzierungen sowie Parteiausschlussverfahren gegenüber kritischer Mitgliedersagte die Stellvertreterin des bayerischen Landesvorsitzenden Wächter, Brigitte Stöhr:
„In Bezug auf die von Ihnen genannten Vorwürfe, möchte ich anmerken, dass der Landesvorstand Bayern der AfD vor deren Veröffentlichung keinerlei Kenntnis von Drohanrufen und Denunzierungen hatte. Die Hintergründe dieser Vorwürfe sind bis jetzt nicht geklärt. Selbstverständlich wird der Landesvorstand zeitnah handeln, sobald die Details dieser Vorgänge von den Betroffenen zur Verfügung gestellt werden.“