Deutschland

Geheimplan: Nach der Wahl werden Steuern für Euro-Krise erhöht

Lesezeit: 6 min
17.08.2013 03:46
Noch bestreiten Angela Merkel und Wolfgang Schäuble, dass die Euro-Krise nach der Wahl zu ersten realen Verlusten für die deutschen Steuerzahler führen wird. Doch die Struktur des Haushalts für 2014 zeigt: Schäuble rechnet im Geheimen mit höheren Ausgaben und will sich Spielräume offenhalten, um Verluste kompensieren zu können. Diese werden schlagend, wenn Deutschland die Schulden Griechenlands schlucken muss. Die Lösung: Der deutsche Steuerzahler wird die Folgen des Euro-Abenteuers mit höheren Steuern finanzieren.
Geheimplan: Nach der Wahl werden Steuern für Euro-Krise erhöht

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Gern präsentiert sich Wolfgang Schäuble als erfolgreicher Haushaltspolitiker. Im neuen Entwurf für das Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 ist vorgesehen, die Neuverschuldung zu begrenzen. Dies soll dadurch geschehen, dass in 2104 weniger deutsche Anleihen am Markt ausgegeben werden. Im Gesetzesentwurf heißt es:

„Nach Artikel 115 des Grundgesetzes (GG) in der durch Artikel Nummer 6 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 29.Juli 2009 (BGBl.I S.2248) geänderten Fassung ist der Haushalt grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Eine strukturelle Neuverschuldung des Bundes ist danach nur noch in Höhe von maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zulässig“.

Demnach ergibt sich eine „nach der Schuldenregel maximal zulässige strukturelle Nettokreditaufnahme von 34 Milliarden Euro“.

Im Hinblick auf die deutsche Binnenkonjunktur ist das eine falsche Entscheidung.

Gerade in guten Zeiten sollten privaten Haushalten sowie Unternehmen genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um seitens der Bürger die Nachfrage zu stärken und die Unternehmen in die Lage zu versetzen, weiterhin zu investieren und somit effektive und sozial abgesicherte Arbeitsplätze statt Leiharbeitsarbeitsplätze zu schaffen.

Weshalb also nicht den ursprünglich geplanten Umfang der Ausgabe von Staatsanleihen beibehalten und die Steuern senken, um diese Ziele zu erreichen?

Warum möchte Schäuble auf den einfachsten Hebel verzichten, mit dem man den Wohlstand der Deutschen mehren könnte?

Was steckt hinter diesem Plan, der eindeutig zum Schaden der deutschen Steuerzahler gezimmert ist?

Warum werden die Steuern nicht gesenkt, obwohl es haushaltstechnisch möglich und volkswirtschaftlich geboten erscheint?

Die Frage wird noch brisanter, wenn man sich die Aussagen der verschiedenen Politiker – mehr oder weniger aller Parteien – ansieht.

Demnach wird es nicht nur keine Steuersenkungen geben.

Alles deutet auf beträchtliche Steuererhöhungen hin.

In ihrem Wahlprogramm hat die CDU bewusst Nebelkerzen ausgeworfen. Es ist ist nicht klar erkennbar, ob die Christdemokraten die Steuern nun erhöhen oder senken wollen.

Bereits im Juni hatte Annegret Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsidentin des Saarlands, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 53 Prozent vorgeschlagen und damit den Koalitionspartner FDP schwer verärgert. Auch die Abschaffung des Solidaritätszuschlags (in Höhe von 5,5 Prozent auf alle Einkommen- und Körperschaftsteuer) ist nicht vorgesehen. Im Gegenteil. Angela Merkel hatte zuletzt betont, dass die Union an der Steuer auch nach dem Jahr 2019 – dem ursprünglich vorgesehenen Datum zum Auslaufen dieser Bundessteuer – festhalten wird.

Der Solidaritätszuschlag ist nicht befristet und nicht zweckgebunden. Er wurde 1995 von der schwarz-gelben Regierung unter Helmut Kohl eingeführt, um die deutsche Einheit mitzufinanzieren. Er trägt mit jährlich 13,6 Milliarden Euro zum Bundeshaushalt bei. Der Solidarpakt II für die Neuen Bundesländer soll dagegen im Jahr 2019 auflaufen.

Sollte die Bundestagswahl eine schwarz-rote Koalition zeitigen, könnte den (heimlichen) Steuererhöhungswünschen nichts im Weg stehen. Denn auch die SPD befürworten für den Anstieg der Einkommensteuern. Die Sozialdemokraten wollen den Spitzensteuersatz von 42 auf 49 Prozent aufstocken.

Dasselbe gilt für die Grünen. Auch sie plädieren für Steuererhöhungen. Zusammen mit der SPD möchten sie das Ehegattensplitting nach und nach abschaffen und die Erbschaftssteuer erhöhen. Vor der Wahl werden die Steuererhöhungen mit Wahlgeschenken begründet: Allein 20 Milliarden Euro wollen SPD und Grüne für Bildung, sowie für die Ganztagsbetreuung in Schulen und Kitas, lockermachen. Überdies möchte die SPD die Abschaffung der Kita-Gebühren erreichen.

Und auch die CDU hält im Wettlauf mit den Wahlversprechen im gewaltigen Ausgabenprogramm kräftig mit und verspricht treuherzig höhere Renten und mehr Ausgaben für Familien und Kinder. Die Kosten für die Wahlgeschenke der CDU würden sich auf beinahe 30 Milliarden Euro summieren.

Doch nach der Wahl könnte alles anders aussehen.

Die Steuern werden erhöht.

Doch die Geschenke bleiben aus.

Warum machen die Parteien das?

Die Antwort findet man, wenn man die Euro-Krise ins Kalkül zieht.

Tatsächlich wissen alle Parteien, dass die Schuldenlast in Griechenland, Portugal und Irland nicht durch Sparen oder Wachstum zu lösen ist.

Die Krise ist nur zu lösen, indem man diesen Ländern ihre Schulden erlässt.

Genauer gesagt: Indem der deutsche Steuerzahler die Kosten übernimmt.

Der Economist hat penibel ausgerechnet, dass die Staatsverschuldung in diesen Ländern nicht anders zu lösen ist als durch weitere Schuldenschnitte. Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet die Bild-Zeitung diese Berechnungen des Economist zitiert. Sie nennt das Magazin „renommiert“. Dechiffriert heißt das: Der Economist hat recht.

Die Schlinge zieht sich zu.

Denn der Economist schreibt seit Jahren, was die Bild-Zeitung als befreundetes Organ von Merkel und Schäuble nicht schreibt: Dass nämlich die Deutschen zahlen müssen.

Doch Schäuble und Merkel wissen das ganz genau.

Sie haben bisher alles getan, um die wahren Risiken zu verschleiern.

Doch langsam kommt die Wahrheit ans Licht.

In einem Bericht an den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages beziffert Finanzminister Schäuble die bisherige Risikohöhe der bereits zur Verfügung gestellten Finanzhilfen aus dem EFSF und ESM auf 95,4 Milliarden Euro. Hier:

Tatsächlich wurden jedoch die Finanzmittel aus dem EFSM nicht berücksichtig. Dieser „Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus“ wurde bereits im Mai 2010 eingerichtet und mit einem Umfang von 60 Milliarden Euro ausgestattet. Verwaltet wird der EFSM von der EU-Kommission. Er soll dazu dienen, in Zahlungsschwierigkeiten geratene Mitgliedsstaaten zu unterstützen. Deutschland beteiligt sich – entsprechend dem Anteil am EU-Haushalt – am EFSM mit 20 circa Prozent.

Außerdem wurden die separaten Kredite, an denen die KfW-Staatsbank beteiligt ist und bisher 15,2 Milliarden Euro beigetragen hat, nicht in dem Bericht an den Finanzausschuss erwähnt.

Insgesamt beträgt die aktuelle Haftungssumme für Deutschland statt den vom Finanzministerium genannten, weißgetünchten 95,4 Milliarden Euro tatsächlich 122 Milliarden Euro.

Als größter Risikofaktor für den Ausfall der bisher ausgezahlten „Eurohilfen“ gilt Griechenland. Das Land wird über das sogenannte „Erste Hilfspaket“ sowie Finanzhilfen aus dem „Rettungsschirm“ EFSF (zweites „Hilfspaket“) von den Euro-Ländern und dem Internationalen Währungsfonds mit insgesamt rund 240 Milliarden Euro unterstützt. Ein Großteil der Summe wurde bereits ausbezahlt. Das „zweite Hilfspaket“ läuft im Jahr 2014 aus.

Dass sich der Internationale Währungsfonds an einem Schuldenschnitt – neuerdings euphemistisch auch „Umschuldung“ oder auch „Schuldenrestrukturierung“ genannt – beteiligen wird, gilt als äußerst unwahrscheinlich.

Im Gegenteil: Merkel-Freundin Christine Lagarde hat mehrfach unmissverständlich gesagt, dass die Euro-Staaten auf ihre Forderungen gegen Griechenland verzichten müssen, um den Crash in Athen zu verhindern.

Im aktuellen Wahlkampf versuchen CDU/CSU, SPD und Grüne, den Bürgern Sand in die Augen zu streuen. FDP-Chef Philipp Rösler sagte sogar, dass das Euro-Thema die Deutschen gar nicht mehr interessiere. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rät gar, man solle so etwas „nicht vor der Bundestagswahl besprechen“ (hier).

Die Forscher wissen im Gegensatz zu Rösler warum: Die Deutschen halten die Eurokrise für das wichtigste Problem Deutschlands und ärgern sich maßlos darüber, dass sie von ihren Politikern angelogen werden (wie eine Studie eben belegt – hier).

Doch nach der Wahl ist Zahltag.

Spätestens nach Auslaufen des zweiten Hilfspakets wird der Steuerzahler zur Kasse gebeten (hier).

Kanzlerin Merkel redet die Wahrscheinlichkeit eines Schuldenerlasses für Griechenland klein: Eine solche Möglichkeit, sagte sie, „sehe ich nicht.“

Spätestens nach Auslaufen des „zweiten Hilfsprogramms“ wird die Ansage vermutlich lauten, ein Schuldenerlass sei alternativlos.

Denn es müssen, sollte Griechenland auch weiterhin in der Eurozone verbleiben, etwa mehr als die Hälfte der angehäuften Schulden gestrichen werden. Die Verluste für Deutschland betragen demnach einen zweistelligen Milliardenbetrag.

Noch gar nicht mit eingerechnet sind die angekauften griechischen Staatsanleihen durch die EZB. Schätzungen zufolge besitzt die EZB griechische Anleihen im Wert von etwa 50 Milliarden Euro. Sollte es zu einem Schuldenschnitt kommen, hängt die Belastung für den deutschen Steuerzahler entsprechend von der Quote des Schuldenschnitts ab (hier).

Nach einer „Umschuldung“ oder „Schuldenrestrukturierung“ für Griechenland dürften dies auch Portugal, Irland und Zypern für sich einfordern, die sich ebenfalls in einem „Hilfsprogramm“ befinden. In allen Ländern sind die Wirtschaftsdaten verheerend.

Allein kommt keines dieser Länder aus dem Schuldensumpf.

Das weiß auch Schäuble.

Und genau deshalb hat er einen Haushalt vorgelegt, in dem er sich Spielräume verschafft.

Spielräume für den Tag X, der näher ist, als die meisten glauben.

Denn die Euro-Krise wird eher früher als später voll auf den Bundeshaushalt durchschlagen.

Daher sagt Schäuble jetzt, man werde weniger Anleihen begeben – um auf dem Papier eine einigermaßen solide Finanzplanung vorzulegen. Denn würde sich Deutschland offiziell in dem Maß verschulden, in dem das zur Euro-Rettung nötig ist, wäre es ein Verstoß gegen die Schuldenbremse.

Und somit ein kleiner Verfassungsbruch.

Schäuble kann jedoch, wenn es zum Schuldenschnitt in Griechenland kommt, einen Nachtragshaushalt beantragen. Er kann Anleihen begeben, wann immer er will. Je später er das zu Papier bringt, desto später wird es im Haushalt schlagend.

Es ist denkbar, dass Schäuble hofft, den Zahltag bis 2015 hinauszuschieben und sich bis dahin mit anderen Hilfs-Konstruktionen über die Zeit zu retten.

Ob das gelingt ist unsicher.

Sicher ist jedoch, dass die Parteien jetzt bereits Vorkehrungen treffen, um die Steuerzahler an der Rettung zu beteiligen.

Dazu werden die sprudelnden Steuereinnahmen zu Euro-Rettung verwendet und nicht zur Ankurbelung der Konjunktur.

Und dazu werden die Steuern erhöht – nicht um Kitas und Schulen zu bauen oder Innovation voranzutreiben – sondern um einen Puffer zu haben, um das Schlimmste abfedern zu können.

Was wir erleben, ist Schulden-Arithmetik vom Feinsten.

Denn die deutsche Politik ist längst nicht mehr Herr der Lage oder Sachwalter einer gedeihlichen Entwicklung für die die eigene Bevölkerung.

Schäuble und Merkel sind die ersten Schulden-Sklaven im Euro-Staat.

Sie selbst können das Geld nicht verdienen, dass zum Abstottern benötigt wird.

Das müssen die Bürger dieses Landes machen.

Wie der Haushalt zeigt, geht es um eine sehr vorausschauende Planung.

Generationen im privaten Sektor werden noch dafür schuften müssen, dass alles mit Zins und Zinseszins abbezahlt wird.

Denn die wahren Gläubiger sind nicht die Deutschen, sondern die Banken, die den Euro-Schuldnern das Geld geliehen haben.

Man kann es ihnen nicht verdenken, dass sie ihr Geld wiedersehen wollen.

Denn die Bedingungen waren klar.

Niemand wird sich auf das Kleingedruckte ausreden können.

Der Kurs in die Schuldenfalle ist seit jeher vorgezeichnet.

In Grossbuchsstaben.

Er gilt für das ganze EURO-Reich.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...