Politik

Weidmann: „Die Unabhängigkeit der Notenbanken ist in Gefahr“

Lesezeit: 3 min
22.01.2013 01:10
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann beklagt, dass die Notenbanken von der Politik immer mehr gedrängt werden, Aufgaben zu übernehmen, die außerhalb ihres gesetzlichen Mandats liegen. Dadurch gerate das Hauptziel der Notenbanken aus dem Blick – die Preisstabilität. Im Klartext: Wenn der globale Währungskrieg weitergeht droht Inflation.
Weidmann: „Die Unabhängigkeit der Notenbanken ist in Gefahr“

Zur Jahreseröffnung der Deutschen Börse beschreibt Bundesbank-Präsident Jens Weidmann die Lage der Zentralbanken. Er nennt ausdrücklich die Entwicklungen in Japan (hier) und in Ungarn (hier) äußert bedenklich. Weidmann: „Im Zuge der Finanz-, Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise werden Notenbanken dazu gedrängt, Maßnahmen zur Stützung des Finanzsystems, zur Stimulierung der Konjunktur und zur Senkung der staatlichen Refinanzierungskosten oder gar zur staatlichen Solvenzsicherung zu ergreifen.“ Dies seien aber nicht die Aufgaben von Notenbanken, weshalb diese ihr Mandat „eng“ auslegen sollten.

Die ganze Passage aus Weidmanns Rede dokumentieren wir im Folgenden wörtlich:

Die Übertragung der Verantwortung für die Bankenaufsicht auf die EZB passt indessen gut zu einem Eindruck, der sich auch außerhalb des Euro-Raums immer mehr aufdrängt: Den Notenbanken wird immer mehr Verantwortung zugeschoben, auch für Aufgaben, die außerhalb ihres Kernmandats liegen.

Der Kollege James Bullard von der St. Louis Fed hat kürzlich (bei der Jahrestagung der American Economic Association) beklagt, dass es im Zuge der Finanzkrise weltweit zu einer schleichenden Politisierung der Zentralbanken gekommen sei. Eine mittelfristige Folge dieser Entwicklung könnte auch sein, dass Preisstabilität als Hauptziel der Geldpolitik zunehmend in Frage gestellt wird und die unabhängige Notenbank aus der Mode kommt.

Vielleicht hat der Chefökonom von HSBC, Stephen King, ja Recht, wenn er voraussagt: „The era of independent central banks is coming to an end“.

Schon jetzt lassen sich bedenkliche Übergriffe beobachten, zum Beispiel in Ungarn oder in Japan, wo sich die neue Regierung massiv in die Angelegenheiten der Notenbank einmischt, mit Nachdruck eine (noch) aggressivere Geldpolitik fordert und mit dem Ende der Notenbankautonomie droht.

Eine Folge, ob gewollt oder ungewollt, könnte ferner eine zunehmende Politisierung des Wechselkurses sein. Bisher ist das internationale Währungssystem ohne Abwertungswettläufe durch die Krise gekommen und ich hoffe sehr, dass es dabei bleibt.

Nun mag es gerade in Japan näherliegende Probleme als Inflation und eine schwache Währung geben. Den Notenbanken wurde aber nicht ohne Grund Unabhängigkeit und ein enges Mandat gegeben. Es war eine Lehre aus den 1970er und frühen 1980er Jahren – eine Zeit, in der viele Länder hohe, teils zweistellige Inflationsraten hatten.

In den USA spricht man von der „great inflation“. Mitte der 80er Jahre folgte die „great moderation“, eine Phase mit moderaten Inflationsraten und gedämpften Konjunkturzyklen. Und mit der „great financial crisis“ kam es dann zur „great recession“.

Das Adjektiv „great“ wird jenseits des Atlantiks bekanntermaßen häufig, um nicht zu sagen inflationär verwendet. Die Erfahrung der great inflation war jedenfalls, dass unabhängige Notenbanken mit einem engen, glaubwürdigen Mandat erfolgreicher in der Inflationsbekämpfung waren.

So wurden in den 80ern und 90ern weltweit viele Notenbanken unabhängig gemacht. Als der Bank of England 1997 Unabhängigkeit verliehen wurde, sagte der damalige Schatzkanzler Gordon Brown: „The previous arrangements for monetary policy were too short-termist, encouraging short but unsustainable booms and higher inflation, followed inevitably by recession.“

Die Entpolitisierung des Geldes und die Stabilitätsorientierung der Notenbanken haben zweifelsohne einen wesentlichen Beitrag zur great moderation geleistet.

Der Rückgang der Inflation während dieser Zeit wurde freilich auch von anderen Entwicklungen begünstigt, zum Beispiel von der Globalisierung. Die great moderation war insofern eine Schönwetterperiode für die Geldpolitik.

Seit Ausbruch der Krise ist das Umfeld für die Notenbanken deutlich widriger geworden: Der wachsende Energie- und Rohstoffhungers der aufholenden Volkswirtschaften hat die inflationsdämpfende Wirkung der Globalisierung tendenziell in steigenden Preisdruck umschlagen lassen.

Im Zuge der Finanz-, Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise werden Notenbanken dazu gedrängt, Maßnahmen zur Stützung des Finanzsystems, zur Stimulierung der Konjunktur und zur Senkung der staatlichen Refinanzierungskosten oder gar zur staatlichen Solvenzsicherung zu ergreifen.

Die Überfrachtung der Zentralbanken mit Aufgaben und Erwartungen ist aber sicherlich nicht der richtige Weg, um die Krise nachhaltig zu überwinden. Die Notenbanken schützen ihre Unabhängigkeit wiederum am besten dadurch, dass sie ihren Auftrag eng auslegen.

Zusammengefasst kann man sagen: „Heute sind die meisten Zentralbanken unabhängig, werden von nicht gewählten Amtsträgern geleitet und verfügen über eine recht große Machtfülle. Dies ist nur dann zu rechtfertigen, wenn die Unabhängigkeit durch das Mandat begrenzt ist. Diesen Rahmen hat uns der Gesetzgeber vorgegeben […]. Deshalb ist es uns auch so wichtig, dieses Mandat zu erfüllen, denn das ist die wahre Garantie für unsere Unabhängigkeit, die […] für unsere Glaubwürdigkeit von zentraler Bedeutung ist. Und Glaubwürdigkeit ist eine entscheidende Voraussetzung für die Gewährleistung von Preisstabilität.“

Diese Sätze stammen übrigens nicht von mir, sondern von Mario Draghi, der es kürzlich in einem Interview so treffend auf den Punkt gebracht hat.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

DWN
Politik
Politik Klima-Gipfel in Dubai: Opec mobilisiert Widerstand gegen Klimapolitik des Westens
10.12.2023

Auf dem Klimagipfel in Dubai brechen tiefe Gräben auf. Zahlreiche Länder wehren sich gegen die vom Westen geforderte Abkehr von fossilen...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland ist der kranke Mann Europas - „Agenda 2030“ statt grünem Sozialismus
10.12.2023

Nach Jahren von Energiewende und Klima-Politik steht fest: Deutschland ist wieder der kranke Mann Europas, schreibt Marc Friedrich. Es...

DWN
Politik
Politik Der Frühling des Merz
10.12.2023

Von den meisten Vertretern des Medien-Mainstreams nicht oder nur höchst widerwillig zur Kenntnis genommen, hat es der Vorsitzende der CDU,...

DWN
Politik
Politik Der Amerikanische Traum ist ausgeträumt – auch in Deutschland
09.12.2023

In den USA werden immer mehr Bürger ökonomisch abgehängt. Insbesondere drei Faktoren führen dazu, dass der Traum vom sozialen Aufstieg...

DWN
Politik
Politik Europa steht mit Klima-Politik weltweit isoliert da
09.12.2023

Die Europäer zahlen bereits den Preis für die geplante De-Karbonisierung der Wirtschaft. Der Großteil der Welt schaut zu und wartet ab.

DWN
Finanzen
Finanzen Zentralbanken: Von restriktiv auf neutral
10.12.2023

Mainstream-Analysten erwarten ein vergleichsweise problemarmes Jahr 2024.

DWN
Politik
Politik Die Energiepreise steigen – der Wohlstand sinkt
10.12.2023

Hohe Energiekosten zwingen viele Betriebe zum Abwandern in Länder mit günstigeren Kosten oder zur Aufgabe. Als Folge sinkt der...

DWN
Politik
Politik Netzagentur: E-Autos kann jederzeit der Strom abgedreht werden
09.12.2023

Neue Eingriffsrechte der Bundesnetzagentur zeigen: wer eine Wärmepumpe oder ein E-Auto hat, kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass...