Mit riskanten Geschäften dürfte sich die deutsche Bundesregierung sehr gut auskennen. Bestes Beispiel dafür ist die EZB mit ihrer Geldpolitik. Und mit gescheiterter Energiepolitik kennt sich die Bundesregierung auch aus – das zeigt der immer wieder aufflammende Disput mit der EU. Doch wie kann man die deutschen Bürger vom Ausbau der Stromnetze überzeugen, was viel Lärm, hässliche Masten in schöner Landschaft und Strahlung zur Folge hat? Umweltminister Altmaier weiß das: Man sagt den Bürgern einfach, sie können sich am wichtigen Ausbau des Stromnetzes beteiligen und damit auch noch eine sichere Rendite einsacken.
„Ich schlage vor, dass wir eine Bürgerdividende beim Ausbau der Netze einführen“, sagte Altmaier vor etwa einem Jahr der FAZ. „Die Bürger sollen die Möglichkeit haben, sich mit ihrem Kapital zu einem festen Zinssatz zu beteiligen.“ Schon ab 500 Euro solle Investitionen für den Bürger möglich sein und mit einer garantierten Rendite von jährlichen fünf Prozent verzinst werden. Klingt gut. Ähnlich wurde es auch im Ministerium angekündigt:
„Vom Netzausbau betroffene Bürgerinnen und Bürger sollen sich künftig finanziell am Leitungsbau auf der gesamten Übertragungsnetzebene beteiligen können und für ihre Einlagen bis zu fünf Prozent Zinsen erhalten.“
Und auch Wirtschaftsminister Rösler war begeistert:
„Der Umbau unserer Energieversorgung ist ein Großprojekt, bei dem alle mithelfen müssen. Die Energiewende wird nur dann ein Erfolg, wenn es uns gelingt, die Kosten zu begrenzen und die Menschen auf dem Weg mitzunehmen. Die Bürgerdividende kann dazu einerseits einen Beitrag leisten, andererseits den notwendigen Leitungsausbau beschleunigen. Wir wollen vor allem den Menschen in den betroffenen Regionen die Möglichkeit geben, sich an Netzausbau-Projekten finanziell zu beteiligen und hiervon zu profitieren. Gemeinsam mit den Übertragungsnetzbetreibern haben wir heute die Grundlage dafür geschaffen.“
Und weiter schreibt das Umwelt-Ministerium:
„Die vier Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW werden in den kommenden Monaten entsprechende Beteiligungsmodelle entwickeln und geeignete Ausbauprojekte benennen. Dabei werden Erfahrungen mit dem Bürgerbeteiligungsmodell der TenneT in Schleswig-Holstein einfließen. Bereits heute können sich Bürgerinnen und Bürger finanziell an der Westküstenleitung in Schleswig-Holstein beteiligen und erhalten für ihre Einlagen bis zu fünf Prozent Zinsen.“
In Schleswig Holstein ist die Bürgeranleihe schon zu haben. Der niederländische Konzern TenneT bietet diese an. Doch was da von der Bundesregierung so toll beworben wurde, ist in Wirklichkeit ein hochspekulatives Geschäft. Die Bundesregierung rät Bürgern zu hochriskanten Geschäften, wie von der FAZ zu Rate gezogene Analysten nun bestätigen.
Denn anders als es von Altmaier und Rösler präsentiert wurde, kaufe der Bürger mit einer derartigen Anleihe, wie sie TenneT nun ausgibt, keine Beteiligung an einer Stromleitung und auch nicht am Betreiber der Leitung. Vielmehr gibt der Bürger TenneT einen Kredit. Geht TenneT pleite, schützt kein deutscher Staat vor einem Verlust. Die Anleihen sind sogar so ausgelegt, dass die Bürger nachrangige Gläubiger sind und somit keine Vorrechte auf Ausbezahlung haben – so ähnlich wie es im Falle der rasierten Gläubiger zukünftiger insolventer Banken Europas zu sehen sein wird (hier). Schlimmstenfalls verliert der Bürger also sein Geld.
Für den normalen Kleinanleger sei es zudem kaum möglich, diese Anleihe zu verstehen, sagte Rodger Rinke, Anleiheanalyst der Landesbank Baden-Württemberg, der FAZ. „Selbst Profis tun sich mit dieser Struktur schwer.“ Angesichts des Risikos müsste die Rendite sogar bei mindestens sieben Prozent liegen, so Rinke. Doch bezüglich der Anleihe hat TenneT sogar das Recht, die versprochene Rendite von fünf Prozent zu verringern oder die Auszahlung dieser auf die lange Bank zu schieben, wenn kein Geld da ist.
Die Anleihe sei, so die Analysten, den Bürgern auf keinen Fall zu empfehlen. Die Bürgeranleihe habe nicht einmal eine feste Laufzeit, es gebe kein fixes Rückzahlungsdatum. Man könne die Bürgeranleihe zwar notfalls an der Börse verkaufen, aber die Analysten sehen dafür keinen Markt und entsprechend würden auch dabei massive Verluste entstehen. Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat die Anleihe übrigens mit BB+ bewertet – wie für eine hochspekulative Anleihe.