Die Halbjahresbilanz der Deutschen Bahn war nicht berauschend. Der Nahverkehr leistete mit 433 Millionen Euro zwar erneut den größten Beitrag zum Ergebnis. Doch der Erfolg der Tochtergesellschaft DB Regio ist durch den Verlust von immer mehr staatlichen Ausschreibungen gefährdet.
Im Regionalverkehr, den der Bund jedes Jahr mit circa 7 Milliarden Euro subventioniert, gewinnt die Bahn in den Ausschreibungen der Länder immer weniger Aufträge. 2011 entschied sie noch 72 Prozent aller Vergaben für sich, 2012 waren es nur noch 52 Prozent. Und auch von Januar bis Juni dieses Jahres verlor die Bahn wieder die Hälfte aller Ausschreibungen, berichtet die FAZ.
Manfred Rudhart, der neue Vorstandsvorsitzende von DB Regio, ist nicht zufrieden mit der mäßigen Ausbeute um 50 Prozent. Bereits im Mai hatte er gesagt:
„Eine Gewinnquote von rund 70 Prozent brauchen wir, um unseren Marktanteil stabil zu halten und unsere hohen Fixkosten für die vorhandenen Kapazitäten im Werkstatt-, Fahrzeug- und Verwaltungsbereich zu decken.“
Der entscheidende Vorteil der Konkurrenz gegenüber den Bahn liege bei den Personalkosten, sagt Rudhart. Aufgrund der zusätzlichen Sozialleistungen bei der Bahn und ihrer Altersstruktur lägen die Gehälter um mehr als 10 Prozent höher. Altgediente Eisenbahner sind teurer als das junge Personal der Konkurrenz.
Diese hohen Personalkosten sind ein Grund dafür, dass oft nur wenige DB-Mitarbeiter übernommen werden, wenn ein Wettbewerber eine Ausschreibung gewinnt und damit das Geschäft in der Region für 10 oder 15 Jahre. Personalabbau soll es bei der Bahn nicht geben. Die Kosten sollen in anderen Bereichen reduziert werden.
Die kommenden drei Jahre sind entscheidend für die Zukunft von DB Regio, denn fast die Hälfte der 640 Millionen Zugkilometer im Nahverkehr wird neu ausgeschrieben. Jede Ausschreibung, die man dort verliert, ist für mindestens ein Jahrzehnt nicht wiederzugewinnen. Die Länder sind offen für neue Anbieter. Ihre Ausschreibungen gestalten sie entsprechend. Doch die Bahn bemüht sich, die Gunst der Politik zurückzugewinnen.
Die Bahn will erreichen, dass künftig Sozialstandards in den Verkehrsverträgen verankert werden. Diese Standards werden von der Bahn erfüllt, von vielen Wettbewerbern hingegen nicht. „Der Kostendruck würde sich nivellieren, wenn es in den Ausschreibungen eine Verpflichtung gäbe, die Beschäftigten des Altbetreibers zu übernehmen“, sagt Rudhart.
Wegen der Finanzkrise hatten viele ausländische Wettbewerber nicht das nötige Kapital, um in deutsche Strecken investieren zu können. Die französische Keolis, die italienische Netinera oder die niederländische Abellio bewarben sich daher erst gar nicht, sodass die Bahn oft als einziger Bieter zur Wahl stand.
Doch seitdem locken die staatlichen Auftraggeber die ausländischen Bahn-Konkurrenten mit Finanzhilfen nach Deutschland, vom Kommunalkredit bis zum Zuschuss. Fast zwei Drittel der Aufträge in den letzten zwei Jahren sind mit solchen Finanzspritzen an Konkurrenten der Deutschen Bahn vergeben worden.
Einige Bundesländer schaffen sich sogar eigene Fahrzeuge an, so Rudhart. „Die Aufgabenträger versuchen, mehr Wettbewerb zu schaffen, indem sie Risiken bei sich ansiedeln, die die Wettbewerber nicht übernehmen wollen.“ Die Beschaffung von Fahrzeugen sei nicht Aufgabe des Staates.
„Wir nennen das, was da passiert, Reverstaatlichung. Das war nicht der Sinn der Bahn-Reform“, sagt der Regio-Chef. Ein Markt, in dem die Unternehmen nur noch das Personal stellen und Wettbewerbsvorteile allein durch unterschiedliche Lohnkosten erreicht werden, mache „keinen Spaß“.