Das Interview der ARD mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin war als öffentlich-rechtliche Inszenierung angelegt – nach dem Schema: Das große Gespräch zum Deutschland-Besuch. Es entwickelte sich jedoch zu einer peinlichen Lehrstunde für den WDR-Chefredakteur.
Der Grund: Putin wusste wovon er sprach.
Schönenborn dagegen wusste nicht, wie ihm geschah.
Die Fragen des WDR-Manns waren ihm offenbar von seiner Redaktion vorbereitet worden. Was als eine entspannte „Tour d’horizon“ geplant war, endete in einem Fiasko für den Demokratie-Retter Schönenborn.
Denn Schönenborn agierte, wie er es von den Wahlabenden gewohnt ist: Dort liest der gute Mann die Wählerstrom-Analysen vor, und erweckt, indem er Hölzchen-Stöckchen-Fragen seiner untergebenen Redakteure beantwortet, den Eindruck von Fachkompetenz.
Putin ist jedoch wirklich kompetent. Er lässt sich nicht mit Frage-Hülsen in die Ecke treiben. Er fragt selbst nach. Fühlt dem Fragesteller auf den Zahn. Bei Schönenborn brauchte er nicht lange zu bohren: Keine der blitzschnell gestellten Gegenfragen konnte Schönenborn beantworten.
Es begann mit der Razzia gegen die Partei-Stiftungen Deutschlands in Moskau. Schönenborn versuchte, sich als Anwalt der Freiheit zu profilieren. Das ging daneben.
Putin sagte, dass Russland nichts anderes verlange, als dass alle, die sich in Russland mit ausländischer Finanzierung politisch betätigen, ihre Karten auf den Tisch zu legen hätten. In den USA gäbe es ein Gesetz, das genau dies vorschreibt. Das Gesetz stamme aus dem Jahr 1938. Ob Schönenborn das wisse?
Der WDR-Mann wusste es nicht.
Wie viele politische Organisationen unterhalte Moskau im Westen. Putin: „Wie viele? Was glauben Sie?“
Schönenborn wusste es nicht.
Genau zwei, sagte Putin: Eine in Paris, und eine in den USA. Und diese müssten Fragebogen beantworten, die genau so seien wie jene, die Russland jetzt eingeführt hätte. Ob er die kenne?
Der WDR-Mann kannte sie nicht.
Putin überreichte ihm einen Fragebogen der Amerikaner.
Schönenborn: „Wir werden uns das ansehen...“
An einer Stelle fragte Putin den Interviewer unvermittelt: „Wie heißen Sie?“
Schönenborn, nach einer kurzen Schrecksekunde: „Jörg Schönenborn.“
Putin: „Gut Jörg, ich werden Ihnen das jetzt erklären…“
An dieser Stelle war mit einer Frage der ganze schöne Schein zerstört: Der russische Präsident kennt den WDR-Chefredakteur nicht mit Namen. Wie gemein! Was werden da unsere GEZ-Zahler denken? Wir schicken den Erfinder der Demokratie-Abgabe in die Höhle des russischen Bären, und der fragt vor laufender Kamera: „Wer sind Sie eigentlich? Wie heißen Sie?“
Nächstes Thema: Zypern. Schönenborn hat keinen blassen Schimmer, worum es in Zypern geht. Fragt krudes Zeug, nämlich, ob die Russen nicht verstehen, dass die europäische Wirtschaft ein Problem hätte, wenn die Russen ihr Geld in Zypern anlegen.
Putin: „Verstehen Sie nicht, wie absurd Ihre Frage ist?
Schönenborn verstand es nicht.
Daraufhin erklärte der russische Präsident in ganz schlichten Worten, worum es den Russen in der Zypern-Frage gehe: Es könne nicht sein, dass jeder, der nach den Gesetzen irgendwo legal Geld anlegt, plötzlich zur Kasse gebeten wird, weil die Banken in eine Krise geraten, für die die russischen Anleger nicht verantwortlich seien. Es gelten Recht und Gesetz. Spielregeln müssten eingehalten werden. Man könne nicht einfach behaupten, die Russen betrieben Geldwäsche. Das müsse belegt werden. Denn: „Eine dieser klaren Regeln heißt Unschuldsvermutung.”
Putin machte klar, dass die Zwangs-Enteignung in Zypern ein Vorteil für Russland sei: „In gewissem Sinn freue ich mich darüber. Es hat gezeigt, wie unzuverlässig die Einlagensysteme bei westlichen Banken sind.“
Trotzdem wolle Putin keinen Streit mit Europa: „Wir vertrauen der Wirtschaftspolitik der europäischen Großmächte und der wirtschaftlichen Politik der Führung der Bundesrepublik Deutschland.“
Ähnlich überlegen argumentierte Putin beim Thema Syrien.
Von Schönenborn kam keine Gegenfrage. Kein Nachbohren. Kein Konter. Nichts.
Warum Schönenborn so kläglich scheiterte: Ein Interview wie dieses ist keine journalistische Arbeit. Es ist eine Trophäen-Jagd: „Wir haben Putin!“, wird es durch die ARD-Hallen geschallt haben. Damit war der Zweck schon erreicht. Das Interview selbst – Nebensache.
Warum lässt die ARD zu einem solchen Interview nicht Fachleute antreten – von denen sie zweifellos genügend hat? Mit Sicherheit hätte ein Team aus einem Syrien-Experten und einem Wirtschafts-Fachmann mehr aus Putin herausgeholt.
Aber die Eitelkeit siegte: Mit dem russischen Präsidenten spricht der Chefredakteur.
Auch wenn dieser keine Ahnung von der Materie hat.
Die ganze schöne Reise nach Moskau – eine einzige Blamage. Hoffentlich war der Reise-Etat für Schönenborn nicht zu knapp bemessen.
Nach solch einem Gespräch braucht man einen Wodka.
Oder zwei, vielleicht sogar drei.
Das muss drin sein. Dafür zahlen wir gerne die GEZ.
Das Interview wurde (gekürzte Fassung) sofort nach der Ausstrahlung auf Youtube gestellt.
Von den Russen.
Hier das gesamte Interview.