In zahlreichen Medien wurde in den vergangenen Tagen berichtet, dass der Saatgut-Konzern Monsanto darauf verzichte, den europäischen Markt für gentechnisch veränderte Organismen (GVOs) öffnen zu wollen. Was als durchschlagender Erfolg der Anti-Gentechnik-Bewegung gefeiert wird, ist in Wirklichkeit schlichtweg eine Fehlmeldung.
Die taz machte mit ihrem Abgesang auf die Gentechnik-Industrie den Anfang. Sie fiel damit auf einen simplen Trick von Monsantos Europa-Sprecher Brandon Mitchener herein. Dieser sprach in einem Interview davon, die Gen-kritischen Initiativen in Europa würden auf einem Thema herumreiten, dass längst nicht mehr aktuell sei. Die Aussage kam interessanterweise nur Tage, nachdem weltweit Millionen von Menschen bei einem Protesttag gegen Monsanto auf die Straße gingen. Eigentlich hätte man sich von der einst grün inspirierten taz etwas mehr Durchblick erwartet.
Monsanto denkt nämlich nicht an einen Rückzug.
Tatsächlich ist die Lage unverändert. Monsanto und einige andere Unternehmen haben in der EU noch immer zahlreiche Zulassungsanträge für Gentech-Pflanzen laufen. Elf Pflanzen warten auf eine Anbauzulassung für die EU-Äcker, darunter die Maissorte MON810, die zur Wiederzulassung ansteht, so der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Allein für genveränderte Mais-Sorten von Monsanto seien insgesamt drei Zulassungverfahren anhängig, sagte Heidemarie Porstner, Saatgut-Sprecherin von Global 2000, den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Es geht aber auch um Organismen anderer Hersteller wie Syngenta.
Aber nicht nur die mit ungebrochenem Nachdruck verfolgten Zulassungs-Ansuchen widerlegen die abenteuerliche These eines Monsanto-Rückziehers. Vor allem die anstehenden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA könnten neue Türen für die Einführung von Gen-Pflanzen öffnen. Dass die in Europa vergleichsweise hohen Standards für den Verbraucherschutz bei Lebensmitteln gehalten werden können, ist keineswegs gesichert. „Schon jetzt werden Bewertungen bei der Sicherheits-Überprüfung von Produkten teilweise einfach von den amerikanischen Behörden übernommen“, sagt Porstner. Mit dem Freihandelsabkommen steige nun auch die Gefahr einer automatischen gegenseitigen Anerkennung von landwirtschaftlichen Produkten. Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA würde dann noch in viel stärkerem Ausmaß sich den Regelungen in den USA unterwerfen müsste.
Auch Monsanto selbst hat die Rückzugs-Meldungen inzwischen in einer Mitteilung dementiert. Der Konzern sagte, dass man dort, wo für gentechnisch „verbesserte“ Sorten ein „funktionierendes“ Zulassungssystem und breite Unterstützung auf landwirtschaftlicher und politischer Ebene für die Technologie vorhanden sei, man diese selbstverständlich weiter anbietet.
Von den EU-Ländern ist das in erster Linie Spanien, wo auf etwa einem Viertel aller Mais-Anbauflächen genveränderte Sorten zum Einsatz kommen. Nennenswerte Flächen liegen auch noch in Portugal, ansonsten spielen derzeit aber weder transgener Mais noch andere GVOs eine Rolle, geht aus einer Statistik hervor. Entsprechend gibt Monsanto in seiner Mitteilung zu, dass „Saatgut mit gentechnisch verbesserten Merkmalen derzeit keine breite Akzeptanz in Landwirtschaft und Öffentlichkeit in Deutschland und Europa findet.“ Daraus zu schließen, der Konzern würde den europäischen Markt für genveränderte Sorten gänzlich abschreiben, ist im besten Fall als naiv zu bezeichnen.
Auch ohne den direkten Anbau in der EU sind Länder wie Deutschland alles andere als Gentechnik-frei. Über den Umweg der Nutztier-Haltung kommen die genmanipulierten Pflanzen auch in die europäischen Lebensmittel. Grund ist die starke Einfuhr von Futtermitteln aus Soja und anderen stärkehaltigen Pflanzen aus Nord- und Südamerika. Und auch hier machen die Agrar-Konzerne mächtig Druck: Für 46 Pflanzen liegt ein Zulassungsantrag auf Import in die EU vor.