Die EU hat auf dem Gipfel am vergangenen Freitag die Stärkung der Datenschutzrechte der europäischen Internetnutzer um mindestens ein Jahr verschoben. Der britische Premier David Cameron verlangte die Verschiebung. Die offizielle Begründung: Die Direktive sei „zu beschwerlich“, zitiert die FT einen EU-Offiziellen.
Nach derzeitiger Rechtsgrundlage muss Google die Daten europäischer Bürger an die US-Behörden herausgeben, ohne zu Zögern, wenn dies verlangt wird. Eine neue EU-Direktive will das verhindern. Demnach müsste Google vor der Herausgabe der Daten zuerst die Zustimmung einer EU-Behörde einholen. Diese könnte die Herausgabe der Daten verweigern.
Diese neuen Datenschutzbestimmungen würden einen „Konflikt“ zwischen europäischer und US-amerikanischer Gesetzgebung auslösen und Unternehmen in einer schwierigen wirtschaftlichen Erholungsphase unnötig mit Bürokratie belasten, so Cameron. Damit stellt er sich hinter die US-amerikanische Technologie-Lobby, allen voran Facebook und Google, die schon lange gegen die EU-Datenschutznovelle vorgehen.
EU-Ratspräsident Van Rompuy ergänzte, eine voreilige Beschlussvorlage könne Unternehmen schaden, die auf die Verwendung von persönlichen Kundendaten angewiesen sind. Damit widerspricht er EU-Justizkommissarin Reding, die auf dem EU-Gipfel deutlich gemacht hatte, dass gemeinsame europäische Datenschutzegeln sehr dringend gebraucht werden, und zwar jetzt“ (mehr Zitate aus dem EU-Gipfel – hier).
Damit ist das Vorhaben von Frankreich, Italien und Polen gescheitert, noch vor den EU-Wahlen im Mai nächsten Jahres ein neues EU-Datenschutzgesetz zu verabschieden. Großbritannien wollte sich zunächst nicht auf eine Deadline einlassen, musste aber einen Kompromiss eingehen, der die Einführung eines neuen Datenschutzgesetzes auf 2015 oder darüber hinaus verschiebt.
Mit der letzten Abänderung der EU-Datenschutzdirektive sollte der Einfluss der US-Behörden auf die Daten der europäischen Bürger beschnitten werden. Für die Umsetzung einer solchen Direktive bedarf es aber der Zustimmung der nationalen Regierungen. Da Großbritannien sich weigert, dem Entwurf in seiner bestehenden Form zuzustimmen, wird es bis 2015 erhebliche Änderungen und Kompromisse geben müssen, die den EU-Entwurf aufweichen und die Rechte der EU-Bürger einschränken.
Der schnell wachsenden Big Data-Industrie könnten durch stärkere Nutzerrechte Hürden in den Weg gestellt werden, die die nationalen Industrien schädigen, so die Argumentation vieler Mitgliedstaaten. Deswegen werden sich die Regierungen genau überlegen, ob sie einer solchen Direktive zustimmen.
„Es sieht so aus, als hätten wir gewonnen“, sagte ein Mitarbeiter eines großen US-Technologieunternehmens der FT.
Von einer gemeinsamen europäischen Position, die auf dem EU-Gipfel hätte gefunden werden können, spricht nun bis auf weiteres niemand mehr. Die Briten setzen die Interessen der USA durch.
Allerdings dürfte der Widerstand in Brüssel ohnehin nur halbherzig gewesen sein: Die US-Lobbyisten sind gut organisiert. Gegen ein geringes Eintritts-Geld können sie sich von einem Think-Tank, in dem neben anderen Daniel Cohn-Bendit tätig ist, Gespräche mit Parlamentariern vermitteln lassen (hier).
Das Gesprächs-Angebot dürfte ausgiebig genutzt worden sein.