Politik

Hamburger Schule: Schüler können Mittagessen mit Fingerabdruck bezahlen

Bargeldloses Zahlen für Kinder: In einer Hamburger Schule können Kinder ihr Mittagessen mit einem Fingerabdruck bezahlen. Die Anwendung der Technologie wäre gar keine schlechte Idee - wenn nicht die Datenschnüffler und Kommerz-Maschinen das Vertrauen der Kunden so zerstört hätten, dass man eigentlich niemandem mehr trauen kann. In Hamburg kam es daher auch prompt zum Eklat.
09.08.2013 01:51
Lesezeit: 3 min

Der hemmungslose Missbrauch von Daten, das Ausspionieren der Bürger durch die NSA und Behörden, die knallharte Kommerz-Verwendung von persönlichen Daten durch Google, Apple und Facebook - all das hat dazu geführt, dass die Deutschen neuen Technologien noch misstrauischer gegenüber stehen als sie das ohnehin schon wegen des weit verbreiteten nationalen Kultur-Pessimismus getan haben.

So kommt es zwangsläufig auch dort zu Hysterie, wo eine technologische Anwendung ausgesprochen sinnvoll sein kann.

Im Schulbereich ist das Thema besonders schwierig zu kommunizieren: Lehrer sind in der Regel keine Freunde von Innovation.

Die Schulbetriebe dagegen sind zum Sparen verdammt, weshalb viele Dienste ausgelagert werden. Man hat es mit Externen zu tun, die man nicht kennt - und von denen nicht wenige dem modernen Wirtschaftsleben entsprechen: Sie wollen schnelles Geld machen und nehmen wenig Rücksicht auf Gedanken, die mit ihrem Geschäft nichts zu tun haben.

Misstrauen ist angesagt.

Und auch Gutwillige kommen leicht unter die Räder.

Wie vor kurzem in Hamburg.

Die Adolph-Schönfelder-Grundschule in Hamburg Barmbek stellt ihr Bezahlsystem für die Mensa gerade um. Bargeldloses Zahlen soll in Zukunft die Regel sein. Um dies möglich zu machen, wurde mit der Firma People & Projects IT aus Elmshorn kooperiert. Diese bietet ein Karten- und Fingerprint-System an.

Doch Anfang August gab es bei der Umstellung einige Probleme. Das Hamburger Abendblatt berichtete darüber, dass die Catering-Firma auch von Kindern Fingerabdrücke genommen haben soll, die eigentlich mit einer Chipkarte bezahlen wollten. In einigen E-Mails von Eltern an das Abendblatt wird sogar behauptet, „die Kinder hätten nur dann ihre Mahlzeit bekommen, wenn sie ihren Fingerabdruck gegeben hätten“.

Die Grundschule selbst wollte sich zu den Vorfällen nicht äußern.

Die betroffene Firma People & Projects IT sieht sich zu Unrecht beschuldigt. Die Kinder seien nie mit Essen erpresst worden, sagte der Pressesprecher Philipp Tonne den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. „Um Essen zu bekommen, mussten sich die Kinder nicht identifizieren“, so Philipp Tonne.

Das Problem lag vielmehr darin, dass er selbst am besagten 1. August mit einer Liste zur Grundschule gekommen sei, um alle notwendigen Daten ins System des Caterers vor Ort einzupflegen. Es war eine Liste, die aufzeigte, welche Kinder ihr Essen zukünftig mittels Chipkarte und welche mittels Fingerabdruck bezahlen werden. Eine Liste, die mit Rücksprache der Eltern angefertigt wird. Ziel war es, die Liste abzuarbeiten und nach und nach die benötigten Daten, wie etwa den Fingerabdruck, einzupflegen, so dass die Kinder dann in den kommenden Tagen damit bezahlen könnten. 75 Prozent der Eltern hatten sich entschieden, ihre Kinder mittels Fingerabdruck zahlen zu lassen. Etwa 25 Prozent hatten in den Vorgesprächen die Chipkarte vorgezogen.

Als der Pressesprecher der IT-Firma jedoch in der Schule war und etliche notwendige Fingerabdrücke abgenommen worden waren, machten Mitarbeiter der Schule Philip Tonne auf Fehler in der Liste und ergänzten die Liste mit weiteren Namen von Grundschulkinder, so der Pressesprecher. Daraufhin habe er sofort seiner Firma eine Email geschickt. „Ich hatte die falsche Liste mitgenommen, sie war nicht mehr aktuell“, sagt Tonne. Deshalb habe er die Anweisung gegeben, alle bereits aufgenommenen Daten für die Bezahlung mit Fingerabdrücken zu löschen. „Und sie wurden noch am gleichen Tag gelöscht“. Zu diesem Zeitpunkt seien unter den mehr als 300 Kindern, deren Fingerabdrücke eingelesen wurden, drei Kinder gewesen, deren Eltern die Chipkarte zum Bezahlen des Mensa-Essens vorgezogen hatten.

Die Hamburger Grundschule ist hinsichtlich dieser Art der Digitalisierung kein Einzelfall. Die IT-Firma habe bereits 200 Schulden in Niedersachsen, NRW und Hamburg mit derartigen Systemen ausgestattet, so Tonne. In Berlin und Brandenburg laufen die ersten Vorbereitungen. Der Vorteil des Systems liegt für Philip Tonne darin, dass die Kinder an Schulen viel schneller ihr Essen bezahlen könnten. Allein ein Bezahl-Terminal könnte in der Minute theoretisch 60 Schüleressen abrechnen.

Da der Finger von Kindern noch wächst, werden die Fingerabdrücke der Firma zufolge nicht lange gespeichert. Regelmäßig würden diese Daten wieder gelöscht. Vor Einführung eines solchen Systems werde immer zunächst die Einverständniserklärung der Eltern eingeholt.

Der Pressesprecher der Behörde für Schule und Berufsbildung, Albrecht, bestätigte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten die von der IT-Firma dargelegten Informationen. Dem Pressesprecher zufolge gibt es in Hamburg derzeit 16 Schulen, die zu Beginn des neuen Schuljahres mit diesen neuen Bezahlsystemen arbeiten. „Das ist aber eine freiwillige Geschichte“, so Albrecht. „Uns sei es vor allem wichtig, dass die Eltern zwischen der Chipkarte und dem Fingerabdruck wählen könnten“.

Die Version mit dem Fingerabdruck sei aber durchaus beliebt. An manchen der 16 Schulen hätten sich 90 Prozent der Eltern dafür entschieden. Bezüglich des Datenschutzes hat die IT-Firma erfolgreich das Datenschutzsiegel vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein erhalten. Die Schulbehörde habe aus grundsätzlichen Gründen auch noch eine Prüfung in Hamburg beauftragt, diese ist aber Albrecht zufolge noch nicht abgeschlossen.

Der Pressesprecher der Schulbehörde sieht die Vorteile des Fingerabdrucks als Zahlungsmittel darin, dass Chipkarten schnell verloren gehen oder geklaut werden können. Zudem fungieren diese Karten meist als Geldkarte auch außerhalb der Mensa, wodurch der Missbrauch dieser nicht ausgeschlossen werden könne, so Albrecht.

Wichtig sei der Schuldbehörde bei diesem neuen System aber vor allem gewesen, dass es ein bargeldloses Verfahren ist. „Damit beispielsweise Kinder von Hartz IV-Empfängern, die eine Ermäßigung für das Schulessen erhalten oder kostenlos essen können, nicht benachteiligt werden“, so Albrecht. Bei dem Nutzen einer Chipkarte oder des Fingerabdruckes könne man nämlich nicht augenscheinlich sehen, welches Kind aus ärmeren Verhältnissen stammt.

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