Acht Monate vor der geplanten Freilassung des russischen Regierungskritikers Michail Chodorkowski hat Präsident Wladimir Putin die Begnadigung des früheren Ölmagnaten angekündigt. „Er saß mehr als zehn Jahre in Haft. Das ist eine harte Strafe“, sagte Putin am Donnerstag nach seiner Jahrespressekonferenz in Moskau.
Chodorkowski habe ein Gnadengesuch eingereicht. Dem heute 50-Jährigen wurde unter anderem Steuerhinterziehung vorgeworfen. Kritiker sprachen von politisch motivierten Prozessen, weil der Unternehmer Putin herausgefordert hatte. Putin kündigte zudem an, dass die beiden inhaftierten Mitglieder der Punk-Band Pussy Riot freikommen. Möglich macht dies eine Amnestie, die das Parlament am Mittwoch gebilligt hatte.
Offizieller Anlass dafür ist der 20. Jahrestag der russischen Verfassung. Experten sehen in der Amnestie aber auch einen Versuch Putins, vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi im Februar Kritiker im Westen zu besänftigen.
Chodorkowski verdiente nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 mit dem Ölkonzern Yukos Milliarden und war einst der reichste Mann Russlands. Er überwarf sich dann aber mit Putin, der im Jahr 2000 erstmals zum Präsidenten gewählt wurde. Chodorkowski wurden Ambitionen auf Putins Amt nachgesagt. Im Jahr 2003 wurde er festgenommen und zwei Jahre später wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verurteilt. 2010 folgte eine weitere Strafe wegen Diebstahls und Geldwäsche. Yukos wurde zerschlagen und ging größtenteils an Staatsunternehmen wie Gazprom.
Kritiker monieren, dass Chodorkowski für dieselben Taten zweimal verurteilt worden sei, und vermuteten, dass er nicht wieder freikommen würde, so lange Putin im Amt sei. Der Präsident sagte nun, Chodorkowski habe in seinem Gnadengesuch humanitäre Gründe angeführt. „Seine Mutter ist krank.“ Er habe sich deswegen entschieden, dass schon bald ein Gnadengesuch erlassen werde. Chodorkowskis Anwalt Wadim Kljuwgant sagte aber, sein Mandat habe kein derartiges Gesuch gestellt. Dies sei aber auch nicht vorgeschrieben. Der Präsident habe das Recht, jederzeit eine Begnadigung anzuordnen, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.
Der russische Finanzmarkt reagierte auf die Nachricht mit Gewinnen. Das sei ein Anzeichen, dass sich das Investitionsklima in Russland verbessern werde, sagte ein Händler. Auch der Chef des größten russischen Geldinstitutes, der Sberbank, German Gref, sprach von guten Nachrichten für Investoren.
Der Fall beschäftigte auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. In einem Urteil vom Juli rügten die Juristen Russland zwar wegen eines unfairen Verfahrens und der Inhaftierung Chodorkowskis in einem Straflager, das Tausende Kilometer von Moskau entfernt liegt. Dem Urteil zufolge stand der Prozess aber auf einer juristisch soliden Grundlage.
Putin kündigte auf seiner mehrstündigen Pressekonferenz an, dass auch die beiden Pussy-Riot-Mitglieder Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina aus der Haft entlassen werden. Für beide Frauen gelte das von ihm vorgeschlagene Amnestiegesetz, auch wenn ihre Tat beschämend gewesen sei.
Die Musikerinnen, die heute 24 und 25 Jahre alt sind, wurden wegen Rowdytums zu zwei Jahren Haft verurteilt. Sie hatten in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau ein Protestlied gegen Putin gesungen. Die Frauen sollten eigentlich im März freikommen. In den Genuss der Amnestie kommen sie auch, weil sie Mütter kleiner Kinder sind.
Auch etwa 30 Greenpeace-Aktivisten, die nach einer Protestaktion gegen Ölbohrungen russischer Unternehmen in der Arktis festgenommen worden waren, fallen unter die Amnestie. Diese sei aber nicht speziell für sie erlassen worden, sagte Putin. Russland werde seine Ansprüche in der Arktis weiter nachdrücklich verteidigen. „Was passiert ist, muss eine Lehre sein und sollte hoffentlich dazu führen, dass wir mit Greenpeace positiv zusammenarbeiten werden“, sagte Putin.
Amnesty International hatte etwa Politiker und Sportler aufgefordert, bei den Winterspielen in Sotschi für Menschenrechte zu werben. Im Ausland sind wiederholt Bedenken wegen der Menschenrechtslage in Russland geäußert worden. Insbesondere ein im Juni verabschiedetes Gesetz zum Verbot „homosexueller Propaganda“ wurde als Diskriminierung von Schwulen und Lesben kritisiert. Bundespräsident Joachim Gauck hat angekündigt, nicht zu den Spielen zu reisen.