Deutschland

Immobilien-Skandal: Tausende deutsche Kleinanleger verlieren ihr Geld

Lesezeit: 3 min
20.02.2013 02:18
Bei einer Großrazzia der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main wurden am Dienstag sechs Manager der Investment-Firma S&K festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, in einem Schneeball-System tausende Kleinanleger hinters Licht geführt zu haben. Es wird gegen mehrere Dutzend Beschuldigte ermittelt, unter ihnen Rechtsanwälte und Notare.
Immobilien-Skandal: Tausende deutsche Kleinanleger verlieren ihr Geld

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Investment-Firma S&K gibt auf ihrer Website an, für „intelligente Immobilen Investments“ zu sorgen. Die Immobilien waren so intelligent, dass etliche von ihnen gar nicht existieren. Daher hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main am Dienstag zugeschlagen und in Frankfurt und Hamburg eine Großrazzia durchgeführt. Sechs Personen, darunter die Gründer Stephan Schäfer und Jonas Köller, wurden verhaftet. Die beiden hatten offenbar ein ausgedehntes Netz an Komplizen aus den besten Kreisen der Gesellschaft. Die WirtschaftsWoche berichtet, dass auch Anwälte und Notare zu den Beschuldigen gehören sollen. Besonders originell: Die Firma hatte sich ihre Leistungsbilanz vom TÜV-Süd zertifizieren lassen. Was auch immer die Prüfer gesehen haben: Sie konnten offenbar keine Fehler erkennen.

Die Manager der Schneeball-Systems haben die Gelder vor allem verwendet, um ihren aufwendigen Lebensstil zu finanzieren. Die WirtschaftsWoche, die den Skandal schon vor einigen Wochen gewittert hatte, berichtet, dass zum Fuhrpark der Gründer „Edelkarossen wie Porsche, Lamborghini, Ferrari, Audi R8, Bentley Cabrio und 7er BMW und Aston Martin DB9 Cabrio“ gehören. Außerdem bringt das Blatt mehrere Fotos, die die Immobilien-Fachleute mit ihren Edelkörpern bei ausschweifenden Partys mit langbeinigen und exotischen Schönheiten zeigen. In einem Interview mit der FAZ sagte Jonas Köhler noch im November 2012, es handle sich bei ihrem Business um eine „echte Win-win-Situation“ - gemeint waren wohl die beiden Gründer. Das Interview war in der FAZ als „Werbebeitrag“ gekennzeichnet. Der Gründer hatte sich die Fragen selbst gestellt.

Der Schaden soll sich in dreistelliger Millionenhöhe bewegen. Die Staatsanwaltschaft hat 100 Millionen Euro sichergestellt. Das gesamte Ausmaß des Betrugs ist unbekannt. Die Staatsanwaltschaft macht den geprellten Anlegern jedoch wenig Hoffnung: „Die Anlagegelder und -objekte sollen dabei in großem Stil in das Eigentum von verbundenen Unternehmen, beschuldigten Personen und deren Familienangehörigen verschoben worden sein und stehen mutmaßlich so den Anlegern und dem eigentlichen Geschäftszweck - zumindest weitestgehend - nicht mehr zur Verfügung.“

Die Mitteilung der Staatsanwaltschaft ist unmissverständlich:

„Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main - Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen - führt zusammen mit dem Fachkommissariat Wirtschaftskriminalität beim Polizeipräsidium Frankfurt am Main seit Mitte 2012 ein umfangreiches Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche einer Frankfurter Unternehmensgruppe sowie einer mit dieser als Partner agierenden Hamburger Unternehmensgruppe mit zusammen weit mehr als 100 verbundenen Gesellschaften wegen Verdachts des banden- und gewerbsmäßigen Betruges mit Kapitalanlagen, der Untreue und weiterer Straftaten.

Durch die bisherigen umfangreichen Ermittlungen hat sich ein dringender Tatverdacht dahingehend ergeben, dass von den Hauptverantwortlichen der genannten beiden Firmengruppen in gemeinsam abgestimmter Vorgehensweise ein über Jahre planmäßig und groß angelegtes Betrugssystem installiert wurde.

Dieses umfasste die betrügerische Erlangung und fortlaufende Veruntreuung von Anlegergeldern im Sinne eines sog. Schneeballsystems. Hierbei zeichnet sich ein extrem hoher Schaden im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich mit tausenden geschädigter Anleger ab, welche im Zuge der Finanzkrise 2008 neue ertragreiche und vermeintlich sichere Formen der Kapitalanlage suchten. Gegenstand der Ermittlungen sind mehrere Anlagefonds im zusammen neunstelligen Euro-Bereich.

Die betrügerisch erlangten bzw. veruntreuten Anlegergelder sollen hauptsächlich für den extrem aufwändigen und exzessiven Lebensstil der Beschuldigten, für die Anschubfinanzierung, den Aufbau und die hohen laufenden Kosten von eigenen und verbundenen Unternehmen sowie für zweckwidrige Objektfinanzierungen verwendet worden sein. Die Anlagegelder und -objekte sollen dabei in großem Stil in das Eigentum von verbundenen Unternehmen, beschuldigten Personen und deren Familienangehörigen verschoben worden sein und stehen mutmaßlich so den Anlegern und dem eigentlichen Geschäftszweck - zumindest weitestgehend - nicht mehr zur Verfügung.

Am heutigen Tag wurden gleichzeitig in sieben Bundesländern, insbesondere Hessen, Hamburg und Bayern, unter dem Großeinsatz von insgesamt ca. 1.200 Ermittlungsbeamten und 15 Staatsanwälten mehr als 130 Durchsuchungsbeschlüsse, dingliche Arreste zur Sicherung von Vermögensabschöpfungen im Gesamtvolumen von über 100-Millionen Euro sowie Haftbefehle gegen sechs Haupttäter im Alter von 33 bis 70 Jahren vollstreckt. Weitere Beschuldigte wurden zudem vorläufig festgenommen. Bisher wird gegen ca. 50 Beschuldigte ermittelt.

Für anfragende Anleger, Bevollmächtigte, Angehörige, Hinweisgeber oder sonstige Berechtigte ist im Benehmen mit der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main ab Mittwoch, den 20. Februar 2013 von 08.00 Uhr bis 22.00 Uhr bei dem Polizeipräsidium Frankfurt am Main ein Kontakttelefon eingerichtet. Durch dieses sollen die Anfragen kanalisiert und die auskunftssuchenden Personen auf weitergehende Verhaltensmaßregeln wie die Möglichkeit der Anzeigenerstattung über Onlinesysteme und zusätzliche Informationsmöglichkeiten hingewiesen werden.“

Aktuelle Themen:

EU: 700.000 Euro aus Steuergeldern für Propaganda-Film

Krake: GEZ erhebt Daten von 70 Millionen Bundesbürgern

Saxo-Bank: Euro-Crash ist nicht zu verhindern


Mehr zum Thema:  

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...