Lesezeit: 3 min
26.10.2013 22:02
Tim Schieferstein, Goldhändler in Wiesbaden über die Goldpreisentwicklung und den Goldmarkt im Allgemeinen.
Wo steht der Goldpreis?

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Ist der offizielle Goldpreis realistisch? Gibt es eine Knappheit an physischem Gold?

Gold ist die einzige Währung, die seit über 5.000 Jahren Bestand hat. Während sich Papierwährungen wie Euro, Dollar und Yen beliebig vermehren lassen, wie dies in jüngster Zeit aufgrund der expansiven Geldpolitik der jeweiligen nationalen Notenbanken zur Abwehr der Finanzkrise verstärkt geschieht, ist dies bei Edelmetallen nicht möglich. Bekanntlich passt die bisher von der Menschheit geförderte Goldmenge in einen Würfel mit einer geschätzten Seitenlänge von weniger als 21 m; die noch auszubeutenden Goldvorkommen auf der Welt sind begrenzt und der Förderaufwand nimmt weiter zu. Trotz zwischenzeitlicher Erholung seit dem Tief mit 1.200 USD Ende Juni liegt der aktuelle Goldkurs mit derzeit rund 1.330 USD je Feinunze noch immer deutlich unter den Produktionskosten der Minen, die bei wenigstens 1.500 USD liegen – mit entsprechenden Folgen, die zu einer Verknappung der Fördermenge und letztlich bei einer weiterhin starken Nachfrage zu einer Verknappung des physischen Angebots führen werden. Die preislichen Auswirkungen werden wir mit saisonal steigender Nachfrage bereits im Herbst sehen.

Nein, ich halte den aktuellen Goldpreis nicht für realistisch. Er wird von großen Markteilnehmern bewusst künstlich niedrig gehalten, um nicht zu sagen manipuliert, um das erschreckende wahre Ausmaß der Finanzkrise zu verschleiern und die bereits zu beobachtende Flucht aus den kriselnden Papiergeldwährungen, darunter auch der Euro, in Ersatzwährungen abzuwehren. Dimitri Speck hat in seinem Buch "Geheime Goldpolitik - Warum die Zentralbanken den Goldpreis steuern" nachgewiesen, dass beispielsweise zu den Londoner Fixing-Zeitpunkten der Goldpreis von einigen 'Big Playern' im Markt systematisch gedrückt wird.

Wir wären sehr gespannt auf das Ergebnis der schon länger diskutierten Inventur der in den USA und Großbritannien gelagerten Goldreserven der Bundesbank. Uns würde es nicht wundern, wenn diese ohne Wissen der Bundesregierung zweckentfremdet verwendet wurden, um durch Goldleihe und Verkäufe den Goldpreis zu drücken. Im Ergebnis existiert de facto eine Goldknappheit, die Interessengemeinschaften wie Investmentbanken und Zentralbanken von Krisenländern zunehmend Probleme bereitet. Es wird immer schwieriger, das Kartenhaus aufrecht zu erhalten. Sehr gut konnte man dies bei den Preisstürzen im April und Juni sehen: Während die Preise durch Abverkäufe institutioneller Anleger wie ein Stein fielen, freuten sich weltweit nicht nur die Gold-Bugs, sondern auch viele Privatanleger, ihr Vermögen zu deutlich günstigeren Preisen in werthaltige Edelmetalle umzuschichten. Um eine Zahl zu nennen, die dieses Phänomen belegt: Gegenüber der Vorwoche hatte sich in der 'Preissturz-Woche' das Bestellaufkommen bei GoldSilberShop.de verfünffacht. Der April 2013 war der Umsatzrekordmonat unseres Onlineshops.

Wurde in den vergangenen 12 Monaten mehr Gold verkauft oder gekauft? Warum (Liquiditätsprobleme, Spekulation, etc.)?

Die letzten 12 Monate haben bei Gold ein deutliches Übergewicht der Ankäufe im Verhältnis zu den Verkäufen von 30:1 gesehen. Trotz der stark gefallenen Kurse bei den Edelmetallen, die Silber noch stärker als Gold getroffen haben, haben die Edelmetallbesitzer nicht prozyklisch agiert und ihre Bestände verkauft. Ganz im Gegenteil: die Schwächephase wurde gezielt dazu genutzt, durch Nachkäufe vor allem bei Gold die eigenen Bestände gezielt weiter auszubauen – ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Story verstanden ist und vor allem Gold als längerfristiges, krisenfestes Sachinvestment zum Schutz des eigenen Kapitals gegen drohende Wertverluste dient. Die scheinbare Immunität der Edelmetallbesitzer gegen die Turbulenzen an den Märkten mag aber auch der Inflation der schlechten Nachrichten zum Thema Euro- und Währungskrise geschuldet sein – viele Privatanleger sind inzwischen übersättigt und lassen die brisanten Themen an sich vorbeiziehen, ohne gleich Handlungsdruck zu verspüren.

Gibt es Veränderungen bei Ihrem Publikum (z.B. jüngere Käufer) oder kaufen nach wie vor die traditionellen Kunden Edelmetalle?

Edelmetalle sprechen prinzipiell Käufer jeden Alters an und gehören eigentlich altersunabhängig in jedes Vermögensportfolio. Die traditionelle Ecke des Goldkäufers, der nach dem Ende seiner aktiven Berufsphase Edelmetalle zur Absicherung seines Vermögens kauft, hat Gold schon lange verlassen. Am Markt agiert inzwischen die breite Bevölkerung, wie sich auch an unseren Kunden zeigt: vom Young Professional über junge Familien bis hin zu Eltern, die die Ausbildung ihrer Kinder damit absichern möchten, nicht zuletzt auch Unternehmer. Im Zuge des Generationenwechsels hat das Interesse an Edelmetallen zur wertbeständigen Vermögensübertragung zugenommen, wobei die Edelmetallkäufer, wie wir mitunter erfahren, öfter schon an zwei Generationen denken. Natürlich haben die schon seit längerem niedrigen Zinsen festverzinslicher Anlageformen – darunter das klassische Sparbuch als einst der Deutschen liebstes Kind – und das gegenüber einer Anlage in Aktien geringere Risiko der Beliebtheit von Gold deutlich zugespielt.

Sehen Sie Entwicklungen weg von Gold hin zu anderen Edelmetallen?

Ernstzunehmende Entwicklungen weg vom Gold und hin zu anderen Edelmetallen sehen wir nicht. Einzig ernsthaft als Alternative etablieren konnte sich nur Silber, das nach einer gegenüber Gold stärkeren Abstrafung im Markt derzeit eine erhöhte Nachfrage sieht. Sie erklärt sich auch als Folge aus dem aktuell historisch zu nennenden Missverhältnis zum Gold von 1:66 (das natürliche Verhältnis von Gold zu Silber beträgt 1:15) und des zum Jahreswechsel stattfindenden Wegfalls seiner steuerlichen Privilegierung, die einen realen Preisaufschlag von 11,2 Prozent bedeutet. Für den Herbst rechnen daher auch wir mit einem 'Silber Run' auf Seiten der Privatanleger. Dabei dürften vor allem Anlagemünzen aus Silber gefragt sein, da sie für den Käufer eine größere Handlungsfreiheit gegenüber dem derzeit noch ebenso steuerlich begünstigten Münzbarren besitzen. Silber stärker als Gold zu gewichten, lautet unsere derzeitige Anlageempfehlung, da es die besseren perspektivischen Chancen besitzt und als Industriemetall von einer wieder gesundenden globalen Volkswirtschaft stärker profitieren wird. Da die Mehrwertsteueränderungen zum 1. Januar 2014 nicht das Goldprivileg berühren, kann der Käufer von Gold sich dahingehend zurücklegen und das derzeitige Kursniveau ohne weiteren Handlungsdruck zum Ausbau seiner Positionen nutzen.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Thüringens Agrarministerin: Wieder mehr Dorfläden ermöglichen
12.09.2024

Zur Agrarministerkonferenz haben sich die Landwirtschaftsminister in Oberhof getroffen und dabei auch über eine bessere Versorgung der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen ifo-Unternehmensumfrage: Homeoffice bleibt erhalten - zum Leidwesen der Chefs
12.09.2024

Das Phänomen Homeoffice ist keinesfalls auf dem Rückzug: Einige Großkonzerne in Deutschland wollen ihre Mitarbeiter aus dem Homeoffice...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Turnaround kommt näher: EZB senkt erneut die Zinsen im Euroraum
12.09.2024

Die große Teuerungswelle im Euroraum ist vorbei, die Europäische Zentralbank kommt ihrem Inflationsziel näher. Sie senkt die Zinsen -...

DWN
Politik
Politik Selenskyj braucht starke Waffen – USA sichert ihm volle Unterstützung für den Sieg zu
12.09.2024

Mehr Waffenlieferungen und gestärkt zum Friedensgipfel. Die Ansprüche der Ukraine an die Partner sind riesig. Es geht darum, das Land...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rheinmetall, BlackRock und Co.: Das Ukraine-Geschäft mit Krieg und Wiederaufbau
12.09.2024

Milliarden für Militärhilfe, Milliarden für Aufbauhilfe – Investitionen in Rüstung und Wiederaufbau laufen auf Hochtouren. Ein Ende...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unicredit-Chef: Commerzbank-Übernahme ist eine Option
12.09.2024

Mit dem überraschenden Einstieg bei Deutschlands zweitgrößtem börsennotierten Geldhaus befeuert die italienische Großbank...

DWN
Panorama
Panorama Wie oft die Bundesbürger einen Erste-Hilfe-Kurs besuchen
12.09.2024

Der plötzliche Herztod ist eine der häufigsten Todesursachen. Bevor der Arzt kommt, kann Erste Hilfe Leben retten. Doch nicht bei jedem...

DWN
Politik
Politik KfW-Studie beweist: Privathaushalte stützen die Energiewende im Lande
12.09.2024

Robert Habeck, der grüne Wirtschaftsminister, hat ordentlich Prügel bezogen, in der Öffentlichkeit. Nach einer Studie der Kreditanstalt...