Deutschland

Streik an den Schleusen: Verdi warnt vor bundesweitem Stillstand in der Binnenschifffahrt

In Nordrhein-Westfalen sind die Mitarbeiter der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in den Streik getreten. Auch in Berlin und Bremen gab es bereits Arbeitsniederlegungen. Die Gewerkschaft Verdi hat zum Widerstand gegen eine Reform Ramsauers aufgerufen. Bis zu 3.000 Stellen sollen in Gefahr sein. Reagiert Ramsauer nicht, werde man deutschlandweit die Binnenschifffahrt lahmlegen, so Verdi.
20.08.2013 13:39
Lesezeit: 2 min

Am Dienstag sind in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen hunderte Schleusenwärter in den Streik getreten. Und auch in Bremen hat die Gewerkschaft Verdi zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen. Bis zum 22. August sollen in der Binnenschifffahrt an den Schleusen nichts mehr laufen. Der Streit zwischen Verdi, den Mitarbeitern der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) und Bundesverkehrsminister Ramsauer hält schon seit einigen Wochen an. Vergangene Woche waren Schleusenwärter in Berlin und Brandenburg in den Streik getreten – mehr als 50 Schleusen Berlins waren betroffen.

Hintergrund der Streiks ist die geplante Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Schon im Juni vergangenen Jahres stellte Verkehrsminister Ramsauer klar, dass er diese Reform unbedingt umsetzen will:

„Mit der Vorlage unseres Konzepts beenden wir einen über zwanzigjährigen Reformstau und 20 Jahre Unsicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen wird zukunftsfähig aufgestellt und orientiert sich künftig am tatsächlichen Bedarf. Wir legen Aufgabenbereiche zusammen und reduzieren die Anzahl der Behörden von jetzt 53 auf dann 34. Damit wird die Verwaltung schlanker und schlagkräftiger. Für die Umsetzung nehmen wir uns acht Jahre Zeit. Betriebsbedingte Kündigungen wird es keine geben.“

Doch die Mitarbeiter der Binnenschifffahrt und die Gewerkschaft Verdi sehen diese Reform deutlich skeptischer. Vielmehr fürchtet man hier bundesweit einen Abbau von 3.000 Stellen im Zuge der Reform. „Die Versprechen von Bundesverkehrsminister Ramsauer sind unverbindlich und können jederzeit von ihm oder einem seiner Nachfolger durch Änderungskündigungen ausgehebelt werden“, sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Achim Meerkamp vergangene Woche. „Deswegen wollen und brauchen die Beschäftigten einen Tarifvertrag.“

In einem Interview mit dem Tagesspiegel machte er sogar deutlich, dass seine Gewerkschaft durchaus bereit sei, noch weiter zu gehen. „Wir haben inzwischen deutlich gemacht, dass wir deutschlandweit in der Lage sind zu agieren. Wir können die Binnenschifffahrt deutschlandweit lahmlegen – das wäre die letzte Eskalationsstufe“, so Meerkamp.

Eine stillstehende Binnenschifffahrt ist in der Tat kein Problem, dass Verkehrsminister Ramsauer einfach so ignorieren kann. In Deutschland gibt es nach Angaben des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung etwa 7.300 Kilometer See- und Binnenwasserstraßen. Dazu gehören an den Bundeswasserstraßen unter anderem 450 Schleusenkammern und 290 Wehre, vier Schiffshebewerke, 15 Kanalbrücken und zwei Talsperren.

Über die Bundeswasserstraßen werden in Deutschland jährlich Gütermengen von bis zu 240 Millionen Tonnen transportiert. Dies entspricht fast 75 Prozent der Güterverkehrsleistung der Eisenbahnen beziehungsweise circa 14 Millionen Lkw-Fahrten. „Weiterhin werden im Binnenschiffsverkehr etwa 1,5 Millionen Container (TEU - Twenty Foot Equivalent Unit) befördert, was zusätzlich 700.000 Lkw-Fahrten entspricht“, heißt es aus dem Ministerium. „Damit leistet die Binnenschifffahrt einen bedeutenden Beitrag zur Bewältigung der Transportnachfrage und dies kostengünstig, termingetreu und umweltverträglich.“

Der Bundesverband der Binnenschifffahrt (BDB) hat sich nun an Angela Merkel gewendet. Sie solle ein Machtwort sprechen. Denn, „der streikbedingte Schaden in der Schifffahrtsbranche, die mit dem Tarifkonflikt zwischen der Gewerkschaft und der Bundesregierung nichts zu tun hat, geht bereits jetzt in die Millionen“, teilte der BDB am Dienstag mit. „Dass eine komplette Branche, die nichts zur Lösung des Tarifkonflikts beitragen kann, als unbeteiligte Dritte derart geschädigt wird und einzelne Unternehmer in der Binnenschifffahrt in den Bankrott geraten, kann nicht richtig sein“, so BDB-Präsident Georg Hötte:

„Wir erleben hier eine völlig groteske Situation: Verdi kämpft für den Erhalt der Arbeitsplätze in der Verwaltung – und vernichtet gleichzeitig Arbeitsplätze in der Binnenschifffahrt! Das ist umso kurioser, weil Verdi zugleich Tarifvertragspartner für die Angestellten in der Schifffahrt ist und für deren Anliegen verantwortlich zeichnen sollte. Wenn tausende von Mitarbeitern des Bundes gut funktionierende Mittelstandsbetriebe ruinieren, darf das der Regierungschefin nicht egal sein!“

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Mutterschutz, Veteranen, Strom - was sich im Juni ändert
15.05.2025

Während mit dem Sommer auch die Urlaubszeit beginnt, gilt für Besitzer von Wohnwagen und Wohnmobilen bald eine neue Pflicht – und...

DWN
Politik
Politik Rüstungsskandal bei der Nato: Verdacht auf Bestechung und Geldwäsche – Behörden ermitteln gegen Nato-Mitarbeiter
15.05.2025

Über die Nato-Beschaffungsagentur NSPA werden Waffensysteme und Munition im Milliardenwert eingekauft. Nun gibt es den Verdacht, auf...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Gespräche in Istanbul: Nach neuem Sanktionspaket der EU - Putin kommt nicht
15.05.2025

Russlands Präsident Putin bleibt selbst den Friedensgesprächen in Istanbul fern. Was steckt hinter Putins demonstrativem Fernbleiben? Ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Bargeldlos um jeden Preis: Ist Schweden Vorbild oder Extremfall?
15.05.2025

Schweden hat sich in den vergangenen Jahren zu einem nahezu bargeldlosen Land entwickelt. Seit 2007 hat sich der Bargeldbezug im Land...

DWN
Finanzen
Finanzen Unser neues Magazin ist da: Alternative Investments – unverzichtbar, chancenreich und doch kein Allheilmittel
15.05.2025

Die Weltwirtschaft befindet sich im Umbruch: Globale Krisen, politische Polarisierung, Inflationsdruck und regulatorische Verwerfungen...

DWN
Politik
Politik Europa will Verteidigungspakt – aber Frankreich kämpft um Fische
15.05.2025

Am 19. Mai treffen sich erstmals seit dem Brexit die Spitzen der EU und Großbritanniens zu einem hochrangigen Gipfel in London. Ziel ist...

DWN
Finanzen
Finanzen Daimler Truck-Aktie trotz Prognosesenkung an DAX-Spitze: Lkw-Bauer wehrt sich erfolgreich gegen US-Zölle
14.05.2025

Die Daimler Truck-Aktie trotzt schlechten Nachrichten, überrascht Anleger – doch bleibt der Aufwärtstrend stabil? Zwischen US-Zöllen,...

DWN
Politik
Politik Trumps Arznei-Schock: USA wollen Europas Medikamentenpreise diktieren
14.05.2025

US-Präsident Donald Trump kündigt einen Preissturz bei Arzneimitteln um bis zu 90 Prozent an – doch der Widerstand wächst, auch aus...