Der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin begnadigte Regierungskritiker Michail Chodorkowski will nach eigenen Worten nicht in die Politik gehen. Zwar seien an seine Begnadigung keine Bedingungen geknüpft, sagte Chodorkowski dem russischen Magazin "The New Times". Er habe jedoch Putin in einem Brief erklärt, dass er weder politisch tätig werden noch um eine Rückgabe seiner Anteile an dem zerschlagenen Ölkonzern Yukos kämpfen wolle, sagte er in dem am Sonntag veröffentlichten Interview. Der ehemalige Ölmagnat war am Freitag nach zehnjähriger Lagerhaft überraschend begnadigt worden und sofort nach der Freilassung nach Berlin geflogen. Am Samstag traf er dort seine Eltern und seinen ältesten Sohn Pawel.
Chodorkowski sagte am Sonntag vor Journalisten in Berlin, dass er nicht vorhabe, um seine Anteile an Yukos zu kämpfen. Er sagt, dass er sein Gnadengesuch ohne schriftliches Schuldeingegeständnis eingereicht habe.
In deutschen Regierungskreisen hieß es, Chodorkowski könne sich in Deutschland frei bewegen und habe hier hinreichend Zeit, sein neues Leben in Freiheit zu planen. Es wird spekuliert, dass der 50-Jährige in die Schweiz weiterreist, wo seine Frau lebt, oder in die USA, wo sein ältester Sohn Pawel lebt. Eine Rückkehr nach Russland käme für ihn nur infrage, wenn er jederzeit aus familiären Gründen wieder ausreisen könne, sagte Chodorkowski dem Magazin. Die russische Behörden könnten zwar mit Fug und Recht sagen, dass sie ihn nicht ins Exil geschickt hätten. "Aber da wir wissen, wie die Dinge wirklich sind, ist völlig klar, dass sie mir die Ausreise nahegelegt haben."
Die Mutter Chodorkowskis ist an Krebs erkrankt und war erst Mitte Dezember von einem Klinikaufenthalt in Berlin nach Moskau zurückgekehrt. Der ehemalige Oligarch hatte vergangenen Monat die Befürchtung geäußert, er werde sie womöglich nie wiedersehen. Er habe Putin "angesichts familiärer Umstände" um Gnade ersucht, hatte Chodorkowski nach seiner Freilassung erklärt. Damit sei aber kein Schuldeingeständnis verbunden.
Chodorkowskis Sohn Pawel sagte der französischen Zeitung "Le Monde", sein Vater habe genauso gewirkt wie vor zehn Jahren: Er sei im Vollbesitz seiner körperlichen und geistigen Kräfte. "Es war sogar etwas unheimlich", erklärte Pawel. Ob sein Vater sich im Gefängnis verändert habe, könne er noch nicht sagen. "Wir haben den ganzen Tag gesprochen, aber wir haben noch nicht wirklich miteinander geredet, verstehen Sie. Noch nicht."