Deutschland

Sigmar Gabriel attackiert den Kapitalismus

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel ruft zum Kampf gegen Steuerflüchtlinge auf. Als VW-Lobbyist war der SPD-Chef weniger forsch.
07.04.2013 03:32
Lesezeit: 3 min

Die SPD will den Zugriff auf Unternehmen in Steuerfragen verschärfen. In einem Interview mit der Bild am Sonntag sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel: „Es kann jedenfalls nicht so sein, dass Bundesländer wie Hessen und Bayern ungeniert mit wenig Steuerfahndern und seltenen Steuerprüfungen als besondere Art der Wirtschaftsförderung werben und so Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten.“

Wenn Banken beim Steuerbetrug helfen, dann sei das „nichts anderes als organisierte Kriminalität. Das sind keine ehrbaren Geschäftsleute, sondern Mafiosi in Nadelstreifen.“

Gabriel: „Wir meckern über Steueroasen in Europa und haben sie in Wahrheit auch in Deutschland. Es geht hier um die Frage, ob Recht und Gesetz für die Bürger überall gelten. Deswegen brauchen wir dringend eine bundeseinheitliche Steuerfahndung.“

Gabriel will die volle Härte des Gesetzes durchgesetzt wissen: „Banken, die sich bandenmäßig daran beteiligen, muss man die Banklizenz entziehen. Und wir brauchen endlich ein Unternehmensstrafrecht, damit auch die Aktionäre einer Bank die Folgen krimineller Geschäftspraktiken zu spüren bekommen.“

Damit springt die SPD auf einen Zug auf, der den klammen Staatskassen Geld verschaffen soll. Schon die Veröffentlichung von Steuer-Oasen war übertrieben orchestriert worden - so, als wäre jeder Bürger ein potentieller Steuerhinterzieher – hier.

Gabriels will die Bürger in Form einer Beweislast-Umkehr kriminalisieren. Die Wortwahl ist eindeutig: „Mafiosi, bandenmäßig, kriminell, Unternehmensstrafrecht, zu spüren bekommen“.

Gabriel spricht allerdings nicht darüber, dass es die rot-grüne Regierung unter dem SPD-Mann Gerhard Schröder gewesen ist, die vor allem den Dax-Konzernen die Möglichkeiten eröffnet haben, ihre Unternehmen durch Tochtergesellschaften in Steuer-Oasen zu positionieren. Eine hervorragende Reportage des ZDF hatte erst kürzlich gezeigt, wie etwa der Volkswagen-Konzern seine Gewinne in die Niederlande und pittoreske Offshore-Plätze verschiebt - und auf diese Weise dem deutschen Fiskus Milliarden an Steuereinnahmen entgehen (siehe Video am Ende des Artikels). Im Aufsichtsrat von VW saß jahrelang kein Geringerer als Gerhard Schröder („Genosse der Bosse“). Schröder berät heute den russischen Gazprom-Konzern.

Auch Sigmar Gabriel selbst war als Ministerpräsident von Niedersachsen Mitglied im Aufsichtsrat von VW. Er geriet nach seiner Wahlniederlage in die Schlagzeilen, weil er sich einen umstrittenen Beratungsauftrag von VW sicherte. Die genauen Hintergründe der Affäre sind bis heute nicht geklärt (mehr dazu bei Hans-Joachim Selenz). Der Watchblog ngo-online fand es empörend, dass ein Verfahren gegen Gabriel eingestellt wurde und schrieb: "Es kann und darf jedoch nicht sein, dass für die Herren Gabriel, Guttenberg und Co. andere Gesetze gelten als für Otto Normalverbraucher."

Der Focus berichtete 2005 über Gabriels Tätigkeit für VW: "Es geht um einen lukrativen Auftrag, den Gabriels Firma Communication, Network, Service (CoNeS) im Jahr 2003 von Volkswagen erhalten hatte. Der Autokonzern zahlte bis Ende 2004 rund 130.000 Euro für die Beratung zum Thema „Europäische Industriepolitik“. Wie der Kontrakt genau zu Stande kam und welche Leistungen der SPD-Politiker erbrachte, darüber schweigt er."

Der Focus weiter: "Hinter seinem Beratungsauftrag ,Europäische Industriepolitik' verbarg sich eine Lobbytätigkeit für den Autokonzern. ,Er hat für uns Lobbyarbeit gemacht, und zwar vor allem in Brüssel', berichtet ein VW-Manager. Mehrfach sei Gabriel nach Brüssel gereist, um sich mit hochrangigen Vertretern der EU zu treffen. In den Gesprächen habe er sich für die Interessen von Volkswagen stark gemacht. Zum damaligen Zeitpunkt fühlte sich der Autohersteller durch die Brüsseler Regulierungswut gegängelt und versuchte, durch Lobbyarbeit allzu strenge EU-Vorschriften etwa bei den Themen Sicherheit, Wettbewerb und Umwelt zu verhindern."

Dass ausgerechnet Gabriel sich nun als der Mega-Saubermann präsentiert und die deutsche Wirtschaft unter den Generalverdacht der Steuerhinterziehung stellt, ist bemerkenswert.

Er hätte nämlich als Aufsichtsrat von Volkswagen darauf dringen können, dass die steuerschonenden Offshore-Methoden des Konzerns gestoppt werden. Dazu hätte es keiner bundesweiten Steuerfahndung bedurft.

Kleine und mittelständische Unternehmen gehören in Deutschland traditionell zu den besten Steuerzahlern. Kein Unternehmen kann es sich leisten, bei den Sozialabgaben oder bei der Umsatzsteuer zu tricksen – auch kleine Unternehmen werden vielfach geprüft. Selbst für irrwitzige bürokratische Anforderungen wie die Mitwirkung an den amtlichen Statistiken werden mit die Unternehmen mit Verwaltungsstrafen bedroht.

Kein normales Unternehmen hat die Ressourcen, sich durch aufwendige Firmenkonstruktionen der Steuerpflicht zu entziehen.

Durch die pauschale Kriminalisierung wird vor allem von einem Phänomen abgelenkt: Projekte wie Stuttgart 21, Berliner Großflughafen oder die Hamburger Elbphilharmonie werden ohne Kontrolle gegen die Wand gefahren. Bezahlt wird mit den Steuern, die die mittelständischen Unternehmen erwirtschaften müssen.

Vor allem aber versucht die unter Druck geratene Politik, um jeden Preis das Konzept der massiven Umverteilung am Laufen zu halten. Hier wird der Eindruck erweckt, dass es irgendwo auf die Schnelle Milliarden von "den Reichen" zu holen gäbe, um den Wählern nicht sagen zu müssen, dass die Finanzierung des Sozialstaats an ihre Grenzen gekommen ist.

Der europaweit geplante Zugriff auf die Bank-Konten der Bürger im Zuge der anstehenden Banken-Crashs ist beschlossene Sache (hier). Er wird, wenn es wirklich dazu kommt, erneut vor allem die Selbständigen, Freiberufler und Mittelständler treffen.

Sigmar Gabriel sagte in dem Interview mit der BamS, dass der größte Gegner der SPD „das Ohnmachtsgefühl vieler Menschen“ sei, „die nicht mehr daran glauben, dass sich demokratisches Engagement und Wählengehen lohnt“.

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