Politik

Urteil: Abgeordnete sind der Öffentlichkeit keine Rechenschaft schuldig

Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat entschieden: Die Abgeordneten unterliegen nur ihrem Gewissen - und dürfen nicht von der Öffentlichkeit kontrolliert werden. Das Urteil stellt die Demokratie auf den Kopf.
15.09.2013 03:23
Lesezeit: 1 min

Das Oberverwaltungsgericht Berlin kippte ein Urteil, dass der Öffentlichkeit die Kontrolle der Abgeordneten des Bundestages über die Verwendung der Sachleistungspauschale zugestand. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts folgte der Argumentation des Bundestags: Abgeordnete seien durch das freie Mandat nur ihrem Gewissen über Rechenschaft schuldig und dürften keinerlei Kontrolle unterstehen. Im Landespressegesetz gäbe es keinen Auskunftsanspruch, der in diesem Fall greift. Die im Grundgesetz verankerte Pressefreiheit garantiere nur einen „Minimalstandard“, begründeten die Richter ihre Entscheidung. Es bestehe keine presserechtliche Auskunftspflicht, auch nicht auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) oder der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Damit hätte die Öffentlichkeit keine Möglichkeit mehr, einer Verschwendung von Steuermitteln nachzugehen. Abgeordnete unterstehen keinerlei Kontrolle und können die „Sachleistungspauschale“ weiterhin voll ausreizen.

Bereits im August forderte der Reporter Nikolaus Harbusch die Verwaltung des Bundestags dazu auf, ihm Auskunft zur Verwendung von Steuergeldern zu geben. Er wollte konkret wissen, welcher Abgeordnete im laufenden Jahr mehr als fünf Tablet-Computer bzw. ein Smartphone mit Hilfe der „Sachleistungspauschale“ erworben hatte. Der Bundestag verweigerte die Auskunft. Daraufhin zog Harbusch vor das Verwaltungsgericht Berlin.

Das Verwaltungsgericht entschied im Eilverfahren, dass der Journalist ein Anrecht auf die Auskunft hat. Der Bundestag könne sich nicht auf das freie Mandat der Abgeordneten berufen. Demnach sind die Abgeordneten nur ihrem Gewissen über Rechenschaft schuldig und können nicht vom Bundestag werden. Das Verwaltungsgericht wies darauf hin, dass gerade aufgrund des freien Mandats eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit unerlässlich sei (mehr hier).

„Die Bundestagsverwaltung hält es für ihre Aufgabe, schlechte Presse von Abgeordneten und dem Haus fernzuhalten.“, sagte Harbusch bereits nach dem ersten Urteil. Darüber hinaus sieht er im Vorgehen des Bundestags eine Strategie, durch die sich viele Journalisten abwimmeln ließen.

Die Axel Springer AG erklärte, sie werde das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes nicht akzeptieren und plane, dagegen vorzugehen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen „Banknoten-Paradoxon“: Milliarden unter den Matratzen - Bargeldmenge steigt weiter
15.06.2025

Ungeachtet der stetig abnehmenden Bedeutung von Scheinen und Münzen beim alltäglichen Einkauf steigt die im Umlauf befindliche...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Resilienz als strategischer Imperativ: Carlsberg und Davos-Forum fordern neue Unternehmenslogik
15.06.2025

Krisen, Krieg, KI und Klimawandel: Carlsberg und das Weltwirtschaftsforum rufen Unternehmen auf, Resilienz nicht als Reaktion, sondern als...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Der ESG-Betrug: Wie Konzerne Moral simulieren
15.06.2025

Konzerne feiern Nachhaltigkeit, während ihre Bilanzen eine andere Sprache sprechen. Zwischen Greenwashing, Sinnverlust und Bürokratie:...

DWN
Panorama
Panorama Leben auf einem Eismond? - Astrobiologe auf Spurensuche
15.06.2025

Dicke Eiskruste und bis zu minus 200 Grad - klingt nicht gerade angenehm. Warum der Saturnmond Enceladus auf der Suche nach außerirdischem...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kritik oder Mobbing? Wie Sie den feinen Unterschied erkennen
15.06.2025

Mobbing beginnt oft harmlos – mit einem Satz, einem Blick, einer E-Mail. Doch wann wird aus Kritik systematische Zermürbung? Dieser...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Das neue Magazin ist da: Das können wir gut - wo Deutschland in Zeiten von KI, Transformation und Globalisierung überzeugt
15.06.2025

Was kann Deutschland gut? Diese Frage mag auf den ersten Blick einfach erscheinen, fast schon trivial. Doch in einer Zeit, in der das Land...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Kleinkrieg“ um Lkw-Plätze: Autoclub kritisiert Überfüllung
15.06.2025

Auf und an Autobahnen in Deutschland fehlen viele tausend Lkw-Stellplätze – nach einer Kontrolle an Rastanlagen beklagt der Auto Club...

DWN
Politik
Politik Machtverschiebung in Warschau: Der Aufstieg der Nationalisten bringt Polen an den Abgrund
15.06.2025

In Polen übernimmt ein ultrakonservativer Präsident die Macht – während die liberale Regierung um Donald Tusk bereits ins Wanken...