Politik

Merkel fürchtet Untergang: Wenn wir so weitermachen, sind wir verloren!

Die Euro-Retter fürchten offenbar den Untergang der Gemeinschaftswährung: Beim jüngsten EU-Gipfel fielen ungewöhnlich fatalistische Worte. Angela Merkel erinnerte an den Kommunismus und den Ersten Weltkrieg. Mario Draghi sagte den Südländern, dass sie ohne Reformen ihre Souveränität verlieren. Die Lage ist offenkundig außer Kontrolle.
25.12.2013 01:54
Lesezeit: 3 min

Beim jüngsten EU-Gipfel vor Weihnachten scheint Untergangsstimmung geherrscht zu haben. Die Südländer weigern sich seit Jahren, einer technokratischen Idee Angela Merkels zuzustimmen: Sie sollen sich vertraglich zu Reformen im Geist der Troika aus IWF, EZB und EU zu verpflichten, um an bestimmte EU-Strukturfördergelder zu kommen (mehr hier). Der IWF, dessen aktuelle Chefin Christine Lagarde gerne an der Spitze der EU-Kommission sähe (hier) verfolgt eine ähnliche Linie (hier).

Doch die Südeuropäer wollen die geforderte Aufgabe der nationalen Souveränität nicht hinnehmen (hier).

Nun hat Le Monde die Diskussionen anhand von Notizen rekonstruiert. Diese Notizen lesen sich wie der Abgesang eines morschen, zum Scheitern verurteilten Systems.

Es zeigt sich ein gewaltiger Riss, der durch die Euro-Zone geht. Und er verläuft überraschender Weise nicht zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden, wie man das bisher gewohnt war.

Derr Riss verläuft fundamental zwischen Deutschland und dem Rest Europas.

So beklagte der Niederländer Mark Rutte, dass sein Land schmerzhafte Reformen ohne die Solidarität der anderen durchführen musste – und nun sollten die Niederländer für jene zahlen, die keine Reformen machen.

Der Österreicher Werner Faymann sagte, dass Österreich seine Souveränität nicht zugunsten der EU aufgeben werde. Alle Verträge müssten durch die Parlamente, Österreich lehne „Diktate“ ab - und nichts anderes seien die von Merkel vorgeschlagenen Verträge mit der EU.

Der Finne Jyrki Katainen sprach davon dass die Rettungspläne den Populismus gestärkt hätten und sprach von der „Krebserkrankung“ der EU.

Francois Hollande hielt sich bedeckt und riet den versammelten EU-Führern, auf Zeit zu spielen: Man solle sich jetzt auf allgemeine Prinzipien einigen und die wirklich harten Themen erst nach der EU-Wahl im Frühjahr 2014 behandeln. Hollande sitzen die Euro-Skeptiker von Marine Le Pen im Nacken (hier).

Der Belgier Elio di Rupo schloss sich Hollande an und plädierte auf eine Verschiebung der Reformen auf nach der EU-Wahl.

Der Spanier Mariano Rajoy forderte, dass Verträge nur freiwillig geschlossen werden könnten, weil alles andere die Souveränität der Staaten gefährde.

EZB-Chef Mario Draghi konterte: „Wenn Sie keine Reformen machen, werden Sie Ihre Souveränität verlieren.“

Die berufsmäßigen Euro-Retter erwiesen sich als lahme Enten: José Manuel Barroso sagte, er werde nicht mehr im Amt sein, wenn die Änderungen beschlossen sind. Herman Van Rumpoy, der ebenfalls im kommenden Jahr ausscheidet, sagte, er wolle kein Chaos hinterlassen.

Diese Debatten führten dazu, dass Angela Merkel in ungewohnt drastischer Weise den Untergang der Euro-Zone beschwor: Sie komme aus einem Land, das von der Bundesrepublik Deutschland gerettet werden musste. Für die Europäer werde niemand aufstehen, um sie zu retten. Merkel nannte die Griechenland-Rettung als Beweis dafür, dass die EU sehr wohl Krise bewältigen könne, und forderte Taten: „Wenn wir uns alle so verhalten wie das im Kommunismus der Fall war, dann sind wir verloren. Ohne verstärkte Integration wird unsere Währung früher oder später explodieren.“

Merkel sagte, dass sie bei der Lektüre des Buchs „Die Schlafwandler“ von Christopher Clark über den Vorabend des Ersten Weltkriegs ähnliche Phänomene erkannte hätte wie heute in der EU. Alle Bemühungen einer zu einer politischen Lösung seien gescheitert – und das habe zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs geführt. „Das Leben ist ungerecht“, sagte Merkel. Es sei besser, jetzt 3 Milliarden Euro zu bezahlen als die EU in einigen Jahren mit 10 Milliarden Euro retten zu müssen.

Derart fatalistische Worte einer Regierungschefin sind mehr als Frustration über einen abgelehnten Vorschlag.

Die Analyse Merkels lautet: Der Euro wird „explodieren“, wenn die Euro-Zone nicht zu einer radikalen Integration übergeht. Die Lage ist ähnlich gefährlich wie vor hundert Jahren – als es danach zu einem Weltkrieg kam.

Die EU-Führer einigten sich auf eine Verschiebung weiterer Reformen auf den Herbst 2014.

In dem Zustand, in dem sich die EU zu Ende des Jahres 2013 präsentiert, sind Zweifel abgebracht, ob die Euro-Zone diese Reformen überhaupt noch erleben wird.

Die Kombination aus einer Währungsunion, die nicht funktioniert, und einer gigantischen Schulden-Krise, kann die Euro-Zone nicht ohne großen Knall überstehen.

Der Knall wird allerdings in jedem Fall kommen. Denn die Schulden verschwinden nicht. Sie bleiben und werden beglichen werden müssen.

Mit oder ohne Euro.

Wir erleben den Anfang vom Ende einer Ideologie.

In einem Punkt irrt Merkel allerdings: Die Verschleppung einer Entscheidung wird den Crash nicht billiger machen.

Mit jeder Milliarde mehr, die in das marode System gepumpt wird, wird die „Rettung“ vor allem für den deutschen Steuerzahler wegen der Zinsen und Zinseszinsen auf die neuen, faulen Kredite exponentiell teurer.

Das mag die Banken freuen.

Ihren Amtseid hat die Kanzlerin jedoch erst vor wenigen Tagen auf das deutsche Volk geschworen.

Mag sein, dass für eine Kanzlerin ein solcher Eid beim dritten Mal eine reine Floskel ist.

Doch in einer veritablen Krise, wie sie sich durch den Schulden-Tsunami ankündigt, wird jedes Wort einer Kanzlerin auf die Goldwaage gelegt.

Auch der Amtseid.

So wahr ihr Gott helfe.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Trump zündet den Handelskrieg – doch Europa hat das bessere Spiel
03.06.2025

Donald Trump droht mit Strafzöllen, doch Europas Antwort steht längst: Mit stabilen Finanzen und strategischem Kurs könnte die EU zum...

DWN
Politik
Politik Vergessener Kontinent: Afrikas Fluchtkrisen- Milliarden fehlen für humanitäre Hilfe
03.06.2025

Fluchtkrisen in Afrika schneiden bei medialer Aufmerksamkeit, Hilfsgeldern und politischem Engagement besonders schlecht ab. Kamerun ist...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell: Rücksetzer nach Kurssprung – was Anleger jetzt wissen müssen
03.06.2025

Der Goldpreis ist auf Richtungssuche – trotz Krisen und Zinssorgen. Was steckt hinter der aktuellen Entwicklung, und wie sollten Anleger...

DWN
Politik
Politik Krim-Brücke: Ukrainischer Geheimdienst SBU meldet Angriff auf Kertsch-Brücke
03.06.2025

Die Krim-Brücke ist erneut Ziel eines spektakulären Angriffs geworden. Doch wie schwer sind die Schäden wirklich – und was bedeutet...

DWN
Politik
Politik Ehemalige US-Generäle zur Operation der Ukraine in Russland: Militärische Leistung, die dem Trojanischen Pferd gleichkommt
03.06.2025

Mitten in die Verhandlungen trifft Russland ein Schlag, der tief sitzt: Eine ukrainische Drohnenoffensive zerstört rund 40 strategische...

DWN
Politik
Politik Brüssels Pensionsflop: Milliardenvision scheitert kläglich
03.06.2025

Mit großem Tamtam gestartet, nun ein Desaster: Der EU-weite Rentenplan PEPP sollte Milliarden mobilisieren – doch kaum jemand macht mit....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ungenutztes Potenzial auf dem Arbeitsmarkt: Rekordteilzeit in Deutschland
03.06.2025

Teilzeit-Weltmeister Deutschland hat noch einmal nachgelegt: Die Teilzeit-Quote stieg im ersten Quartal auf einen neuen Rekord. Wie viele...

DWN
Politik
Politik Washingtons Steuerkrieg: Wie Trump Europas Wirtschaft ins Visier nimmt
03.06.2025

Die USA setzen zum wirtschaftlichen Gegenschlag an: Mit Strafsteuern auf europäische Unternehmen und Investoren will Donald Trump Brüssel...